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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Varna.
der bulgarischen Stadtverwaltung der ehemals türkische Charakter
der Stadt nahezu gänzlich. Ein grosser Theil der Strassen wurde
nach einem einheitlichen Plane regulirt und an Stelle eines ehemaligen
türkischen Friedhofes steht jetzt ein blühender Garten, in welchem
die Militärmusik mehrmals in der Woche concertirt und die Be-
völkerung promenirt.

Varna, das im Krimkriege als Sammelplatz der verbündeten
Streitkräfte eine wichtige Rolle spielte, besass starke Festungswerke,
die seither zufolge der Bestimmungen des Berliner Vertrages vom
13. Juli 1878 aufgelassen und zum Theile demolirt wurden. Seitdem
entwickelten sich an der Stadtperipherie allerliebste cottageartige
Stadttheile.

Ausser der bereits erwähnten imposanten Kathedrale ist unter
den Neubauten das grosse bulgarische Gymnasium und das Zollamt
erwähnenswerth. Gegenwärtig ist ein kleines Theater mit Unterhaltungs-
localen im Entstehen begriffen. So sehen wir denn Varna in der
neuen Epoche seiner Entwicklung rüstig vorwärts schreiten.

Ungefähr eine Wegstunde nördlich der Stadt erhebt sich auf
einem Ufervorsprunge, weithin sichtbar, das durch seine Lage etwa
an das Schloss Miramar bei Triest erinnernde, vom Fürsten Alexander
erbaute und nach ihm benannte parkumgebene Schloss Sandrowo,
welches nach der Resignation des Fürsten in das Eigenthum des
Staates überging. Leider ist dasselbe im Innern noch nicht weit genug
ausgebaut, um bewohnbar zu sein, so dass Fürst Alexander in einem
unmittelbar neben dem Schlosse gelegenen ehemaligen Kloster das Ab-
steigquartier zu nehmen pflegte, so oft er nach Varna kam. Auch Fürst
Ferdinand wohnt anlässlich seiner häufigen Ausflüge nach Varna in
demselben Kloster. Der hohe Schlossthurm ist bei klarem Wetter
über 20 Seemeilen vom See aus sichtbar.

Die Stadt ist Sitz eines Präfecten und eines bulgarischen und
griechischen Metropoliten. Ein Zollamt erster Classe liegt nördlich
des grossen Pfahldammes am Meere.

Die interessanten Bevölkerungsverhältnisse von Varna verdienen
hier in Kürze festgehalten zu werden.

Die 25.256 Einwohner zählende Bevölkerung Varnas ist eine
äusserst buntfarbige. Die herrschende Classe bilden jetzt die Bul-
garen, welche jedoch an Zahl den Griechen und Türken nachstehen.
Die Bulgaren, deren Sprache vor zehn Jahren in Varna so gut als
unbekannt war, wissen durch Gründung von Schulen, durch die Ein-
führung ihres Idioms als alleiniger Commando- und Amtssprache ihrer

18*

Varna.
der bulgarischen Stadtverwaltung der ehemals türkische Charakter
der Stadt nahezu gänzlich. Ein grosser Theil der Strassen wurde
nach einem einheitlichen Plane regulirt und an Stelle eines ehemaligen
türkischen Friedhofes steht jetzt ein blühender Garten, in welchem
die Militärmusik mehrmals in der Woche concertirt und die Be-
völkerung promenirt.

Varna, das im Krimkriege als Sammelplatz der verbündeten
Streitkräfte eine wichtige Rolle spielte, besass starke Festungswerke,
die seither zufolge der Bestimmungen des Berliner Vertrages vom
13. Juli 1878 aufgelassen und zum Theile demolirt wurden. Seitdem
entwickelten sich an der Stadtperipherie allerliebste cottageartige
Stadttheile.

Ausser der bereits erwähnten imposanten Kathedrale ist unter
den Neubauten das grosse bulgarische Gymnasium und das Zollamt
erwähnenswerth. Gegenwärtig ist ein kleines Theater mit Unterhaltungs-
localen im Entstehen begriffen. So sehen wir denn Varna in der
neuen Epoche seiner Entwicklung rüstig vorwärts schreiten.

Ungefähr eine Wegstunde nördlich der Stadt erhebt sich auf
einem Ufervorsprunge, weithin sichtbar, das durch seine Lage etwa
an das Schloss Miramar bei Triest erinnernde, vom Fürsten Alexander
erbaute und nach ihm benannte parkumgebene Schloss Sándrowo,
welches nach der Resignation des Fürsten in das Eigenthum des
Staates überging. Leider ist dasselbe im Innern noch nicht weit genug
ausgebaut, um bewohnbar zu sein, so dass Fürst Alexander in einem
unmittelbar neben dem Schlosse gelegenen ehemaligen Kloster das Ab-
steigquartier zu nehmen pflegte, so oft er nach Varna kam. Auch Fürst
Ferdinand wohnt anlässlich seiner häufigen Ausflüge nach Varna in
demselben Kloster. Der hohe Schlossthurm ist bei klarem Wetter
über 20 Seemeilen vom See aus sichtbar.

Die Stadt ist Sitz eines Präfecten und eines bulgarischen und
griechischen Metropoliten. Ein Zollamt erster Classe liegt nördlich
des grossen Pfahldammes am Meere.

Die interessanten Bevölkerungsverhältnisse von Varna verdienen
hier in Kürze festgehalten zu werden.

Die 25.256 Einwohner zählende Bevölkerung Varnas ist eine
äusserst buntfarbige. Die herrschende Classe bilden jetzt die Bul-
garen, welche jedoch an Zahl den Griechen und Türken nachstehen.
Die Bulgaren, deren Sprache vor zehn Jahren in Varna so gut als
unbekannt war, wissen durch Gründung von Schulen, durch die Ein-
führung ihres Idioms als alleiniger Commando- und Amtssprache ihrer

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[139/0159] Varna. der bulgarischen Stadtverwaltung der ehemals türkische Charakter der Stadt nahezu gänzlich. Ein grosser Theil der Strassen wurde nach einem einheitlichen Plane regulirt und an Stelle eines ehemaligen türkischen Friedhofes steht jetzt ein blühender Garten, in welchem die Militärmusik mehrmals in der Woche concertirt und die Be- völkerung promenirt. Varna, das im Krimkriege als Sammelplatz der verbündeten Streitkräfte eine wichtige Rolle spielte, besass starke Festungswerke, die seither zufolge der Bestimmungen des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878 aufgelassen und zum Theile demolirt wurden. Seitdem entwickelten sich an der Stadtperipherie allerliebste cottageartige Stadttheile. Ausser der bereits erwähnten imposanten Kathedrale ist unter den Neubauten das grosse bulgarische Gymnasium und das Zollamt erwähnenswerth. Gegenwärtig ist ein kleines Theater mit Unterhaltungs- localen im Entstehen begriffen. So sehen wir denn Varna in der neuen Epoche seiner Entwicklung rüstig vorwärts schreiten. Ungefähr eine Wegstunde nördlich der Stadt erhebt sich auf einem Ufervorsprunge, weithin sichtbar, das durch seine Lage etwa an das Schloss Miramar bei Triest erinnernde, vom Fürsten Alexander erbaute und nach ihm benannte parkumgebene Schloss Sándrowo, welches nach der Resignation des Fürsten in das Eigenthum des Staates überging. Leider ist dasselbe im Innern noch nicht weit genug ausgebaut, um bewohnbar zu sein, so dass Fürst Alexander in einem unmittelbar neben dem Schlosse gelegenen ehemaligen Kloster das Ab- steigquartier zu nehmen pflegte, so oft er nach Varna kam. Auch Fürst Ferdinand wohnt anlässlich seiner häufigen Ausflüge nach Varna in demselben Kloster. Der hohe Schlossthurm ist bei klarem Wetter über 20 Seemeilen vom See aus sichtbar. Die Stadt ist Sitz eines Präfecten und eines bulgarischen und griechischen Metropoliten. Ein Zollamt erster Classe liegt nördlich des grossen Pfahldammes am Meere. Die interessanten Bevölkerungsverhältnisse von Varna verdienen hier in Kürze festgehalten zu werden. Die 25.256 Einwohner zählende Bevölkerung Varnas ist eine äusserst buntfarbige. Die herrschende Classe bilden jetzt die Bul- garen, welche jedoch an Zahl den Griechen und Türken nachstehen. Die Bulgaren, deren Sprache vor zehn Jahren in Varna so gut als unbekannt war, wissen durch Gründung von Schulen, durch die Ein- führung ihres Idioms als alleiniger Commando- und Amtssprache ihrer 18*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/159>, abgerufen am 24.11.2024.