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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Mittelmeerbecken.
Bis jetzt sind sie noch weit davon entfernt -- aber die Umstände sind
eben widrig. Es gibt wohl kaum ein zweites Beispiel in der Ge-
schichte des Eisenbahnwesens, welches einen ähnlichen Umschlag von
den höchsten Erwartungen zur deprimirtesten Ernüchterung zeigte, wie
dies seit der Eröffnung der türkischen Linien der Fall ist. Hunderte
von Artikeln und ebenso viele passende oder auch nicht passende
Gelegenheitsreden in allen Sprachen Europas verkündeten den voll-
ständigen Umsturz aller bestehenden Handelsverhältnisse auf der Bal-
kanhalbinsel und in deren Nachbargebieten, sobald das Dampfross
erst einmal den Bosporus und die Stadt Thessalonikes mit Wien ver-
binden würde. Heute ziehen jeden Tag Eil-, Post- und Lastzüge
diesen langen Weg hin und her, doch der Umsturz ist nicht ein-
getreten; allein man kann sich allenfalls über den hochgehenden
Enthusiasmus früherer Tage wundern oder über die Fülle von Illu-
sionen, welche zur Zeit der Gründung der türkischen Bahnen weite
Kreise zur finanziellen Betheiligung verleiten konnten, keineswegs aber
darüber, dass der Erfolg bis heute jene frohen Hoffnungen noch nicht
zu erfüllen vermochte. Ein Blick auf die Dimensionirung dieser Bahnen,
und noch mehr ein Blick auf die menschen-, geld- und culturarmen Pro-
vinzen, welche die Schienenstränge südlich der Save-Donaulinie durch-
ziehen, zeigt jedem nüchternen, sachverständigen Beobachter, was man
heute von diesen Bahnen erwarten, was man von ihnen verlangen
kann. Sie sind nicht berufen, sofort Träger eines mächtigen Verkehres
zu sein, sie sind Pionniere der Cultur, und zwar Pionniere der Cultur
bei einer Bevölkerung, welche arm, Jahrhunderte lang durch elende
Steuer- und Verwaltungsgesetze gedrückt, apathisch dahin lebt, jede
Neuerung misstrauisch beschielt und nur durch den Baargewinn lang-
sam vorwärts geschoben werden kann. Wir sind auf dem Balkan und
nicht am Mississippi. Das darf man bei Beurtheilung dieser Pionnier-
bahnen nie vergessen.



[Abbildung]

Legende zu Hafen von Constantinopel.
A Bojen der Passagierschiffe, B Goldenes Horn, B1 Kriegshafen am Goldenen Horn, C neue Brücke Sul-
tanin Valide, D alte Brücke Mahmud, E See-Arsenal, F Leuchtfeuer, G Armee-Arsenal, H Zollamt und
Quarantaine in Galata, H1 Zollamt in Stambul, J Bahnhöfe in Stambul, K Ankerplatz der fremden
Stationsschiffe, L Palais Dolma Bagdsche Serai, M Palais Beylerbey-Serai, N Garde-Kaserne Selimieh,
O Militär-Spital und englischer Friedhof vom Krimfeldzug, P Eski-Valide-Moschee, Q Selimieh-Moschee,
R grosse Moschee Büjük, S neue Moschee Jeni Valide, T Bahnhof Haidar-Pascha, U Landungsplatz
in Kadikiöi, V grosse Friedhöfe, W makadamisirte Strassen, X Landungsplatz bei Kis Kalessi, Y Der-
wisch-Klöster, Z Kaserne, [ - 1 Zeichen fehlt] Moscheen, Kirchen. -- 1 Aja Sophia, 2 hohe Pforte, 3 mil.-medicin.
Schule, 4 Top Kapu-Serai (altes Serail), 5 Marmor-Kiosk, 6 Sultan Ahmed-Moschee, 7 Sultan Valide-
Moschee und egyptischer Bazar, 8 Süleimanieh Moschee, 9 Seriaskierat, 10 Bajazid-Moschee, 11 grosser
Bazar, 12 Justiz-Ministerium, 13 Moschee Mohammed II. des Eroberers, 14 Sultan Selim-Moschee, 15 Shah
Zade-Moschee, 16 Laleli-Moschee, 17 Vlangu Bostani-Ga[r]ten, 18 Spital Hastahaneh, 19 Wiesen, 20 grie-
chische Schule und Kirche in Phanar, 21 Kaserne von Ramis Tschiftlik, 22 Ziegelbrennerei, 23 Kriegs-
depots, 24 Kaserne, Militär-Schulen, 25 alte Giesserei, 26 Marineschule, 27 Gärten von Pera, 28 Artillerie-
Kaserne, 29 Medschidieh-Kaserne, 30 Kriegsschule, 31 kaiserliches Lyceum von Pera, 32 neues grie-
chisches Spital, 33 Thurm Marmarakule.


Mittelmeerbecken.
Bis jetzt sind sie noch weit davon entfernt — aber die Umstände sind
eben widrig. Es gibt wohl kaum ein zweites Beispiel in der Ge-
schichte des Eisenbahnwesens, welches einen ähnlichen Umschlag von
den höchsten Erwartungen zur deprimirtesten Ernüchterung zeigte, wie
dies seit der Eröffnung der türkischen Linien der Fall ist. Hunderte
von Artikeln und ebenso viele passende oder auch nicht passende
Gelegenheitsreden in allen Sprachen Europas verkündeten den voll-
ständigen Umsturz aller bestehenden Handelsverhältnisse auf der Bal-
kanhalbinsel und in deren Nachbargebieten, sobald das Dampfross
erst einmal den Bosporus und die Stadt Thessalonikes mit Wien ver-
binden würde. Heute ziehen jeden Tag Eil-, Post- und Lastzüge
diesen langen Weg hin und her, doch der Umsturz ist nicht ein-
getreten; allein man kann sich allenfalls über den hochgehenden
Enthusiasmus früherer Tage wundern oder über die Fülle von Illu-
sionen, welche zur Zeit der Gründung der türkischen Bahnen weite
Kreise zur finanziellen Betheiligung verleiten konnten, keineswegs aber
darüber, dass der Erfolg bis heute jene frohen Hoffnungen noch nicht
zu erfüllen vermochte. Ein Blick auf die Dimensionirung dieser Bahnen,
und noch mehr ein Blick auf die menschen-, geld- und culturarmen Pro-
vinzen, welche die Schienenstränge südlich der Save-Donaulinie durch-
ziehen, zeigt jedem nüchternen, sachverständigen Beobachter, was man
heute von diesen Bahnen erwarten, was man von ihnen verlangen
kann. Sie sind nicht berufen, sofort Träger eines mächtigen Verkehres
zu sein, sie sind Pionniere der Cultur, und zwar Pionniere der Cultur
bei einer Bevölkerung, welche arm, Jahrhunderte lang durch elende
Steuer- und Verwaltungsgesetze gedrückt, apathisch dahin lebt, jede
Neuerung misstrauisch beschielt und nur durch den Baargewinn lang-
sam vorwärts geschoben werden kann. Wir sind auf dem Balkan und
nicht am Mississippi. Das darf man bei Beurtheilung dieser Pionnier-
bahnen nie vergessen.



[Abbildung]

Legende zu Hafen von Constantinopel.
A Bojen der Passagierschiffe, B Goldenes Horn, B1 Kriegshafen am Goldenen Horn, C neue Brücke Sul-
tanin Valide, D alte Brücke Mahmud, E See-Arsenal, F Leuchtfeuer, G Armee-Arsenal, H Zollamt und
Quarantaine in Galata, H1 Zollamt in Stambul, J Bahnhöfe in Stambul, K Ankerplatz der fremden
Stationsschiffe, L Palais Dolma Bagdsché Serai, M Palais Beylerbey-Serai, N Garde-Kaserne Selimieh,
O Militär-Spital und englischer Friedhof vom Krimfeldzug, P Eski-Valide-Moschee, Q Selimieh-Moschee,
R grosse Moschee Büjük, S neue Moschee Jeni Valide, T Bahnhof Haidar-Pascha, U Landungsplatz
in Kadikiöi, V grosse Friedhöfe, W makadamisirte Strassen, X Landungsplatz bei Kis Kalessi, Y Der-
wisch-Klöster, Z Kaserne, [ – 1 Zeichen fehlt] Moscheen, ♁ Kirchen. — 1 Aja Sophia, 2 hohe Pforte, 3 mil.-medicin.
Schule, 4 Top Kapu-Serai (altes Serail), 5 Marmor-Kiosk, 6 Sultan Ahmed-Moschee, 7 Sultan Valide-
Moschee und egyptischer Bazar, 8 Süleimanieh Moschee, 9 Seriaskierat, 10 Bajazid-Moschee, 11 grosser
Bazar, 12 Justiz-Ministerium, 13 Moschee Mohammed II. des Eroberers, 14 Sultan Selim-Moschee, 15 Shah
Zade-Moschee, 16 Laleli-Moschee, 17 Vlangu Bostani-Ga[r]ten, 18 Spital Hastahaneh, 19 Wiesen, 20 grie-
chische Schule und Kirche in Phanar, 21 Kaserne von Ramis Tschiftlik, 22 Ziegelbrennerei, 23 Kriegs-
dépôts, 24 Kaserne, Militär-Schulen, 25 alte Giesserei, 26 Marineschule, 27 Gärten von Pera, 28 Artillerie-
Kaserne, 29 Medschidieh-Kaserne, 30 Kriegsschule, 31 kaiserliches Lyceum von Pera, 32 neues grie-
chisches Spital, 33 Thurm Marmarakule.


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[132/0152] Mittelmeerbecken. Bis jetzt sind sie noch weit davon entfernt — aber die Umstände sind eben widrig. Es gibt wohl kaum ein zweites Beispiel in der Ge- schichte des Eisenbahnwesens, welches einen ähnlichen Umschlag von den höchsten Erwartungen zur deprimirtesten Ernüchterung zeigte, wie dies seit der Eröffnung der türkischen Linien der Fall ist. Hunderte von Artikeln und ebenso viele passende oder auch nicht passende Gelegenheitsreden in allen Sprachen Europas verkündeten den voll- ständigen Umsturz aller bestehenden Handelsverhältnisse auf der Bal- kanhalbinsel und in deren Nachbargebieten, sobald das Dampfross erst einmal den Bosporus und die Stadt Thessalonikes mit Wien ver- binden würde. Heute ziehen jeden Tag Eil-, Post- und Lastzüge diesen langen Weg hin und her, doch der Umsturz ist nicht ein- getreten; allein man kann sich allenfalls über den hochgehenden Enthusiasmus früherer Tage wundern oder über die Fülle von Illu- sionen, welche zur Zeit der Gründung der türkischen Bahnen weite Kreise zur finanziellen Betheiligung verleiten konnten, keineswegs aber darüber, dass der Erfolg bis heute jene frohen Hoffnungen noch nicht zu erfüllen vermochte. Ein Blick auf die Dimensionirung dieser Bahnen, und noch mehr ein Blick auf die menschen-, geld- und culturarmen Pro- vinzen, welche die Schienenstränge südlich der Save-Donaulinie durch- ziehen, zeigt jedem nüchternen, sachverständigen Beobachter, was man heute von diesen Bahnen erwarten, was man von ihnen verlangen kann. Sie sind nicht berufen, sofort Träger eines mächtigen Verkehres zu sein, sie sind Pionniere der Cultur, und zwar Pionniere der Cultur bei einer Bevölkerung, welche arm, Jahrhunderte lang durch elende Steuer- und Verwaltungsgesetze gedrückt, apathisch dahin lebt, jede Neuerung misstrauisch beschielt und nur durch den Baargewinn lang- sam vorwärts geschoben werden kann. Wir sind auf dem Balkan und nicht am Mississippi. Das darf man bei Beurtheilung dieser Pionnier- bahnen nie vergessen. [Abbildung Legende zu Hafen von Constantinopel. A Bojen der Passagierschiffe, B Goldenes Horn, B1 Kriegshafen am Goldenen Horn, C neue Brücke Sul- tanin Valide, D alte Brücke Mahmud, E See-Arsenal, F Leuchtfeuer, G Armee-Arsenal, H Zollamt und Quarantaine in Galata, H1 Zollamt in Stambul, J Bahnhöfe in Stambul, K Ankerplatz der fremden Stationsschiffe, L Palais Dolma Bagdsché Serai, M Palais Beylerbey-Serai, N Garde-Kaserne Selimieh, O Militär-Spital und englischer Friedhof vom Krimfeldzug, P Eski-Valide-Moschee, Q Selimieh-Moschee, R grosse Moschee Büjük, S neue Moschee Jeni Valide, T Bahnhof Haidar-Pascha, U Landungsplatz in Kadikiöi, V grosse Friedhöfe, W makadamisirte Strassen, X Landungsplatz bei Kis Kalessi, Y Der- wisch-Klöster, Z Kaserne, _ Moscheen, ♁ Kirchen. — 1 Aja Sophia, 2 hohe Pforte, 3 mil.-medicin. Schule, 4 Top Kapu-Serai (altes Serail), 5 Marmor-Kiosk, 6 Sultan Ahmed-Moschee, 7 Sultan Valide- Moschee und egyptischer Bazar, 8 Süleimanieh Moschee, 9 Seriaskierat, 10 Bajazid-Moschee, 11 grosser Bazar, 12 Justiz-Ministerium, 13 Moschee Mohammed II. des Eroberers, 14 Sultan Selim-Moschee, 15 Shah Zade-Moschee, 16 Laleli-Moschee, 17 Vlangu Bostani-Garten, 18 Spital Hastahaneh, 19 Wiesen, 20 grie- chische Schule und Kirche in Phanar, 21 Kaserne von Ramis Tschiftlik, 22 Ziegelbrennerei, 23 Kriegs- dépôts, 24 Kaserne, Militär-Schulen, 25 alte Giesserei, 26 Marineschule, 27 Gärten von Pera, 28 Artillerie- Kaserne, 29 Medschidieh-Kaserne, 30 Kriegsschule, 31 kaiserliches Lyceum von Pera, 32 neues grie- chisches Spital, 33 Thurm Marmarakule. ]

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/152>, abgerufen am 24.11.2024.