und Standes Schutz gesucht hatten, der Schauplatz einer grässlichen, durch die entmenschte Soldateska verbrochenen Metzelei. Dethier tritt aber der Darstellung einiger Historiker entgegen, welche erzählen, Mohammed II. selbst sei zu Pferde in den Münster bis zum Hauptaltar eingedrungen, dort vom Pferde gesprungen und habe ausgerufen: "Es gibt keinen Gott als Gott und Mohammed ist sein Prophet!" womit er das Signal zum Niedermetzeln und Plündern gegeben.
Von den frommen Legenden, die über die Aja Sophia berichtet werden, hat besonders eine beigetragen, die Aufmerksamkeit der Chri- stenwelt dem herrlichen Gotteshause lebhaft zu erhalten. Diese Le- gende berichtet, dass beim Eindringen der Türken in dasselbe der gerade die Messe lesende Priester mit dem heiligen Buche durch eine geheime Thüre in der Mauer verschwand, und den gestörten Gottesdienst fortzusetzen einst wieder erscheinen wird.
Mohammed II. verwandelte die Aja Sophia und sieben andere Kirchen in Klissa-Dschami (in Moscheen verwandelte Kirchen), und erst Murad III. setzte auf der Spitze der Kuppel einen Halbmond von so brutaler Grösse auf, dass dessen Vergoldung allein 50.000 Ducaten gekostet haben soll.
Eines der reizendsten Denkmäler türkischer Kunst ist in dem östlich der Sophienmoschee gelegenen und 1728 erbauten Brunnen Ahmed III. verkörpert. Eine Copie dieses Bijous schmückte 1873 den Park der Wiener Weltausstellung.
Die Zahl der Moscheen in Stambul und seinen Vororten wird mit 891 angegeben, an grossen Dschamis zählt man 227, von wel- chen 13 als die kaiserlichen hervorgehoben werden. Zu diesen ge- hören: die Sta. Sophia, Ahmedieh, Süleimanieh, Osmanieh, Mehe- medieh, Bajazidieh, Selimieh, Jeni Dschami, Laleli, Shah-zade, Mahmudieh und Dschehangir in Top-hane, Ejub und Abdul-Hamid in Skutari. Ausserdem bestehen 260 mohammedanische Klöster (Tekke) und Klausen, 177 mit den Moscheen verbundene theologische Schulen (Medresse) und 368 türkische Elementarschulen. 188 höhere türki- sche und christliche Lehranstalten sind geöffnet.
Auch die Zahl der christlichen Kirchen ist hervorragend. Es bestehen deren 143, wovon 60 dem griechisch-orthodoxen, 38 dem armenisch-gregorianischen, 12 dem armenisch-katholischen, 26 dem römisch-katholischen, 5 dem protestantischen Gottesdienste ge- weiht sind.
Sehenswerth ist der Platz des Seriaskierats (Kriegsministerium), auf dem der hohe Seriaskier-Thurm sich erhebt und als höchster
Das Mittelmeerbecken.
und Standes Schutz gesucht hatten, der Schauplatz einer grässlichen, durch die entmenschte Soldateska verbrochenen Metzelei. Dethier tritt aber der Darstellung einiger Historiker entgegen, welche erzählen, Mohammed II. selbst sei zu Pferde in den Münster bis zum Hauptaltar eingedrungen, dort vom Pferde gesprungen und habe ausgerufen: „Es gibt keinen Gott als Gott und Mohammed ist sein Prophet!“ womit er das Signal zum Niedermetzeln und Plündern gegeben.
Von den frommen Legenden, die über die Aja Sophia berichtet werden, hat besonders eine beigetragen, die Aufmerksamkeit der Chri- stenwelt dem herrlichen Gotteshause lebhaft zu erhalten. Diese Le- gende berichtet, dass beim Eindringen der Türken in dasselbe der gerade die Messe lesende Priester mit dem heiligen Buche durch eine geheime Thüre in der Mauer verschwand, und den gestörten Gottesdienst fortzusetzen einst wieder erscheinen wird.
Mohammed II. verwandelte die Aja Sophia und sieben andere Kirchen in Klissa-Dschami (in Moscheen verwandelte Kirchen), und erst Murad III. setzte auf der Spitze der Kuppel einen Halbmond von so brutaler Grösse auf, dass dessen Vergoldung allein 50.000 Ducaten gekostet haben soll.
Eines der reizendsten Denkmäler türkischer Kunst ist in dem östlich der Sophienmoschee gelegenen und 1728 erbauten Brunnen Ahmed III. verkörpert. Eine Copie dieses Bijous schmückte 1873 den Park der Wiener Weltausstellung.
Die Zahl der Moscheen in Stambul und seinen Vororten wird mit 891 angegeben, an grossen Dschamis zählt man 227, von wel- chen 13 als die kaiserlichen hervorgehoben werden. Zu diesen ge- hören: die Sta. Sophia, Ahmedieh, Süleimanieh, Osmanieh, Mehe- medieh, Bajazidieh, Selimieh, Jeni Dschami, Laleli, Shah-zade, Mahmudieh und Dschehangir in Top-hane, Ejub und Abdul-Hamid in Skutari. Ausserdem bestehen 260 mohammedanische Klöster (Tekke) und Klausen, 177 mit den Moscheen verbundene theologische Schulen (Medresse) und 368 türkische Elementarschulen. 188 höhere türki- sche und christliche Lehranstalten sind geöffnet.
Auch die Zahl der christlichen Kirchen ist hervorragend. Es bestehen deren 143, wovon 60 dem griechisch-orthodoxen, 38 dem armenisch-gregorianischen, 12 dem armenisch-katholischen, 26 dem römisch-katholischen, 5 dem protestantischen Gottesdienste ge- weiht sind.
Sehenswerth ist der Platz des Seriaskierats (Kriegsministerium), auf dem der hohe Seriaskier-Thurm sich erhebt und als höchster
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Das Mittelmeerbecken.
und Standes Schutz gesucht hatten, der Schauplatz einer grässlichen,
durch die entmenschte Soldateska verbrochenen Metzelei. Dethier tritt
aber der Darstellung einiger Historiker entgegen, welche erzählen,
Mohammed II. selbst sei zu Pferde in den Münster bis zum Hauptaltar
eingedrungen, dort vom Pferde gesprungen und habe ausgerufen: „Es
gibt keinen Gott als Gott und Mohammed ist sein Prophet!“ womit
er das Signal zum Niedermetzeln und Plündern gegeben.
Von den frommen Legenden, die über die Aja Sophia berichtet
werden, hat besonders eine beigetragen, die Aufmerksamkeit der Chri-
stenwelt dem herrlichen Gotteshause lebhaft zu erhalten. Diese Le-
gende berichtet, dass beim Eindringen der Türken in dasselbe der
gerade die Messe lesende Priester mit dem heiligen Buche durch
eine geheime Thüre in der Mauer verschwand, und den gestörten
Gottesdienst fortzusetzen einst wieder erscheinen wird.
Mohammed II. verwandelte die Aja Sophia und sieben andere
Kirchen in Klissa-Dschami (in Moscheen verwandelte Kirchen), und
erst Murad III. setzte auf der Spitze der Kuppel einen Halbmond
von so brutaler Grösse auf, dass dessen Vergoldung allein 50.000
Ducaten gekostet haben soll.
Eines der reizendsten Denkmäler türkischer Kunst ist in dem
östlich der Sophienmoschee gelegenen und 1728 erbauten Brunnen
Ahmed III. verkörpert. Eine Copie dieses Bijous schmückte 1873 den
Park der Wiener Weltausstellung.
Die Zahl der Moscheen in Stambul und seinen Vororten wird
mit 891 angegeben, an grossen Dschamis zählt man 227, von wel-
chen 13 als die kaiserlichen hervorgehoben werden. Zu diesen ge-
hören: die Sta. Sophia, Ahmedieh, Süleimanieh, Osmanieh, Mehe-
medieh, Bajazidieh, Selimieh, Jeni Dschami, Laleli, Shah-zade,
Mahmudieh und Dschehangir in Top-hane, Ejub und Abdul-Hamid
in Skutari. Ausserdem bestehen 260 mohammedanische Klöster (Tekke)
und Klausen, 177 mit den Moscheen verbundene theologische Schulen
(Medresse) und 368 türkische Elementarschulen. 188 höhere türki-
sche und christliche Lehranstalten sind geöffnet.
Auch die Zahl der christlichen Kirchen ist hervorragend. Es
bestehen deren 143, wovon 60 dem griechisch-orthodoxen, 38 dem
armenisch-gregorianischen, 12 dem armenisch-katholischen, 26 dem
römisch-katholischen, 5 dem protestantischen Gottesdienste ge-
weiht sind.
Sehenswerth ist der Platz des Seriaskierats (Kriegsministerium),
auf dem der hohe Seriaskier-Thurm sich erhebt und als höchster
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/140>, abgerufen am 25.11.2024.
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