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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Kunstbau, fällt dem zu Schiff von Westen ankommenden Beschauer
unwillkürlich auf. Mit vier hohen Minarets geschmückt, ist die Mo-
schee auf einem dominirenden Punkte jenes Höhenrückens aufgeführt,
den auch die alten grossherrlichen, an geschichtlichen Traditionen
reichen Marmorpaläste des Top Kapu-Serai und andere staatliche
Bauten krönen. Südwestlich von Aja Sophia und von dieser überragt,
liegt der durch sechs Minarets schon von weiter Ferne erkennbare
Prachtbau der Moschee Ahmedieh des Sultans Ahmed I., und in
derselben Frontrichtung gewahrt man noch zwei Moscheen, von wel-
cher jene knapp am Eisenbahngeleise die kleine Aja Sophia (Küt-
schük Aja Sophia) ist.

Es ist ein überaus wirkungsvolles Bild, das dieser mit so vielen
bewunderungswürdigen Bauten reich ausgestattete, von tausendjährigem
Gemäuer eingefasste Stadttheil mit seinen Gärten und den dunklen
Nadeln seiner Cypressenhaine bietet. Sein Gebiet war zu byzantini-
scher Zeit der prunkvollste Theil der Kaiserstadt; dort lag (nächst
der jetzigen Ahmed-Moschee) das aus dem II. Jahrhunderte stam-
mende, von Constantin vollendete arkadengezierte Hippodrom (gegen-
wärtig türkisch: Atmeidan, Rossplatz), das bis in das XIII. Jahr-
hundert der Centralpunkt des byzantinischen Hof- und Volkslebens
war. Gegenwärtig ist von der stolzen Pracht des Bauwerkes nichts
anderes übrig geblieben als drei Denksäulen, die zu den kostbarsten
Erinnerungen an die Glanzperiode der ersten Kaiserzeit gezählt wer-
den müssen. Constantin und andere Kaiser hatten nämlich im Hippo-
drom mehrere Säulen errichtet, die aus allen Provinzen herbeige-
schleppt werden mussten. So ward dort auch der goldene Dreifuss,
ein Siegesdenkmal aus dem Apollon-Tempel von Delphi, aufgestellt,
dessen ehernes Postament, die sogenannte Schlangensäule, heute noch
erhalten ist. Am Atmeidan steht noch der kahle, einst mit Relief-
platten von vergoldeter Bronze belegt gewesene Obelisk, den die
Kreuzfahrer seines Schmuckes beraubten, und der 30 m hohe Obelisk
Theodosius des Grossen, den dieser Kaiser aus Aegypten überführen
und im Jahre 390 aufstellen liess. Die wohlerhaltenen Hieroglyphen
des Obelisken weisen nach, dass letzterer um das Jahr 1600 v. Chr.
durch Pharao Thutmes III. zu Heliopolis errichtet worden war.

Constantin erbaute in dem vorgenannten Stadttheile das prächtige
Hauptforum (Forum Constantini), das unter andern eine 53 m hohe
Porphyrsäule, deren Ueberreste unter der Bezeichnung "verbrannte
Säule" noch heute bestehen, zierte. Unter dem aus dem Apollo-
Tempel zu Rom stammenden Denkmale soll das alte trojanische Pal-

Das Mittelmeerbecken.
Kunstbau, fällt dem zu Schiff von Westen ankommenden Beschauer
unwillkürlich auf. Mit vier hohen Minarets geschmückt, ist die Mo-
schee auf einem dominirenden Punkte jenes Höhenrückens aufgeführt,
den auch die alten grossherrlichen, an geschichtlichen Traditionen
reichen Marmorpaläste des Top Kapu-Serai und andere staatliche
Bauten krönen. Südwestlich von Aja Sophia und von dieser überragt,
liegt der durch sechs Minarets schon von weiter Ferne erkennbare
Prachtbau der Moschee Ahmedieh des Sultans Ahmed I., und in
derselben Frontrichtung gewahrt man noch zwei Moscheen, von wel-
cher jene knapp am Eisenbahngeleise die kleine Aja Sophia (Küt-
schük Aja Sophia) ist.

Es ist ein überaus wirkungsvolles Bild, das dieser mit so vielen
bewunderungswürdigen Bauten reich ausgestattete, von tausendjährigem
Gemäuer eingefasste Stadttheil mit seinen Gärten und den dunklen
Nadeln seiner Cypressenhaine bietet. Sein Gebiet war zu byzantini-
scher Zeit der prunkvollste Theil der Kaiserstadt; dort lag (nächst
der jetzigen Ahmed-Moschee) das aus dem II. Jahrhunderte stam-
mende, von Constantin vollendete arkadengezierte Hippodrom (gegen-
wärtig türkisch: Atmeidan, Rossplatz), das bis in das XIII. Jahr-
hundert der Centralpunkt des byzantinischen Hof- und Volkslebens
war. Gegenwärtig ist von der stolzen Pracht des Bauwerkes nichts
anderes übrig geblieben als drei Denksäulen, die zu den kostbarsten
Erinnerungen an die Glanzperiode der ersten Kaiserzeit gezählt wer-
den müssen. Constantin und andere Kaiser hatten nämlich im Hippo-
drom mehrere Säulen errichtet, die aus allen Provinzen herbeige-
schleppt werden mussten. So ward dort auch der goldene Dreifuss,
ein Siegesdenkmal aus dem Apollon-Tempel von Delphi, aufgestellt,
dessen ehernes Postament, die sogenannte Schlangensäule, heute noch
erhalten ist. Am Atmeidan steht noch der kahle, einst mit Relief-
platten von vergoldeter Bronze belegt gewesene Obelisk, den die
Kreuzfahrer seines Schmuckes beraubten, und der 30 m hohe Obelisk
Theodosius des Grossen, den dieser Kaiser aus Aegypten überführen
und im Jahre 390 aufstellen liess. Die wohlerhaltenen Hieroglyphen
des Obelisken weisen nach, dass letzterer um das Jahr 1600 v. Chr.
durch Pharao Thutmes III. zu Heliopolis errichtet worden war.

Constantin erbaute in dem vorgenannten Stadttheile das prächtige
Hauptforum (Forum Constantini), das unter andern eine 53 m hohe
Porphyrsäule, deren Ueberreste unter der Bezeichnung „verbrannte
Säule“ noch heute bestehen, zierte. Unter dem aus dem Apollo-
Tempel zu Rom stammenden Denkmale soll das alte trojanische Pal-

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[118/0138] Das Mittelmeerbecken. Kunstbau, fällt dem zu Schiff von Westen ankommenden Beschauer unwillkürlich auf. Mit vier hohen Minarets geschmückt, ist die Mo- schee auf einem dominirenden Punkte jenes Höhenrückens aufgeführt, den auch die alten grossherrlichen, an geschichtlichen Traditionen reichen Marmorpaläste des Top Kapu-Serai und andere staatliche Bauten krönen. Südwestlich von Aja Sophia und von dieser überragt, liegt der durch sechs Minarets schon von weiter Ferne erkennbare Prachtbau der Moschee Ahmedieh des Sultans Ahmed I., und in derselben Frontrichtung gewahrt man noch zwei Moscheen, von wel- cher jene knapp am Eisenbahngeleise die kleine Aja Sophia (Küt- schük Aja Sophia) ist. Es ist ein überaus wirkungsvolles Bild, das dieser mit so vielen bewunderungswürdigen Bauten reich ausgestattete, von tausendjährigem Gemäuer eingefasste Stadttheil mit seinen Gärten und den dunklen Nadeln seiner Cypressenhaine bietet. Sein Gebiet war zu byzantini- scher Zeit der prunkvollste Theil der Kaiserstadt; dort lag (nächst der jetzigen Ahmed-Moschee) das aus dem II. Jahrhunderte stam- mende, von Constantin vollendete arkadengezierte Hippodrom (gegen- wärtig türkisch: Atmeidan, Rossplatz), das bis in das XIII. Jahr- hundert der Centralpunkt des byzantinischen Hof- und Volkslebens war. Gegenwärtig ist von der stolzen Pracht des Bauwerkes nichts anderes übrig geblieben als drei Denksäulen, die zu den kostbarsten Erinnerungen an die Glanzperiode der ersten Kaiserzeit gezählt wer- den müssen. Constantin und andere Kaiser hatten nämlich im Hippo- drom mehrere Säulen errichtet, die aus allen Provinzen herbeige- schleppt werden mussten. So ward dort auch der goldene Dreifuss, ein Siegesdenkmal aus dem Apollon-Tempel von Delphi, aufgestellt, dessen ehernes Postament, die sogenannte Schlangensäule, heute noch erhalten ist. Am Atmeidan steht noch der kahle, einst mit Relief- platten von vergoldeter Bronze belegt gewesene Obelisk, den die Kreuzfahrer seines Schmuckes beraubten, und der 30 m hohe Obelisk Theodosius des Grossen, den dieser Kaiser aus Aegypten überführen und im Jahre 390 aufstellen liess. Die wohlerhaltenen Hieroglyphen des Obelisken weisen nach, dass letzterer um das Jahr 1600 v. Chr. durch Pharao Thutmes III. zu Heliopolis errichtet worden war. Constantin erbaute in dem vorgenannten Stadttheile das prächtige Hauptforum (Forum Constantini), das unter andern eine 53 m hohe Porphyrsäule, deren Ueberreste unter der Bezeichnung „verbrannte Säule“ noch heute bestehen, zierte. Unter dem aus dem Apollo- Tempel zu Rom stammenden Denkmale soll das alte trojanische Pal-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/138>, abgerufen am 25.11.2024.