Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Constantinopel.

Ein unbeschreibliches Gedränge herrscht längs der neuen Ver-
kehrsadern, wo von frühem Morgen bis zum späten Abend Menschen-
massen, allen Nationen des Ostens und Westens angehörend, sich be-
gegnen und kreuzen.

Höher hinauf am Rücken des Höhenzuges entfaltet das weit
nach Nordosten ausgreifende Pera seine amphitheatralisch aufsteigen-
den Häuserzeilen. Diese Vorstadt, in der die meist herrlichen Palais
der Botschafter liegen, ist gegenwärtig zu einem bedeutenden Platze
aufgewachsen. Die Grande Rue de Pera durchzieht die Stadt vom
Galata-Thurme an bis an ihr äusserstes Ende als belebteste und
fashionabelste Pulsader. Dort sind die elegantesten Geschäfte für
Luxusartikel, die Theater, Clubs und Hotels; an der Perastrasse liegt
das gartenumgebene grosse kaiserliche Lyceum Galata-Serai und die
griechische und armenische Kirche. Die katholische Marienkirche und
eine katholisch-armenische Kirche liegen in der Nähe derselben Strasse.

Pera hat einige hübsche, aber kleine öffentliche Gärten und
dürfte, wenn die inmitten der Stadt noch bestehenden ausgedehnten
türkischen Friedhöfe einstens beseitigt sein werden, noch manch
schattigen Park hinzufügen.

Im Osten von Pera wurden in den letzten Jahren einige gross-
artige Militärbauten, wie: Artillerie-Kaserne, Kriegsschule, Waffen-
depot u. a., aufgeführt.

Nach Galata führt eine Tunnel-Drahtseilbahn herab, und besteht
auch eine Tramway-Verbindung zwischen den beiden Nachbarstädten.

Angrenzend an Pera liegen östlich die Vorstädte Top-hane mit
schönen Moscheen, dem Artilleriearsenale und Stückgiessereien, Fün-
dükly
mit der Dampfschiffstation Kabatasch und weiter östlich der
prächtige Neubau des grossherrlichen Palastes Dolma-Bagdsche, un-
mittelbar an mit Treppenfluchten ausgestatteten Quais.

Das Palais von Beschiktasch (Tschiragan Serai) liegt noch
weiter ostwärts, und darüber auf den grünen Abhängen des Höhen-
zuges lagert in einem weiten bis hinab zum Tschiragan reichenden
und mit diesem durch eine Marmorbrücke verbundenen Parke Jildis
Kiosk (Sternenkiosk), die Residenz des herrschenden Sultans Abdul
Hamid II. Es ist dies eigentlich eine kleine Stadt für sich, mit zahl-
reichen den verschiedensten Zwecken des Hoflebens und des Staats-
dienstes gewidmeten Gebäuden.

Unter den zahlreichen am europäischen Ufer des Bosporus lie-
genden Ortschaften seien noch die fashionablen Sommerfrischen von
Therapia und Böjükdere ihrer reizenden Lage wegen hier erwähnt.


15*
Constantinopel.

Ein unbeschreibliches Gedränge herrscht längs der neuen Ver-
kehrsadern, wo von frühem Morgen bis zum späten Abend Menschen-
massen, allen Nationen des Ostens und Westens angehörend, sich be-
gegnen und kreuzen.

Höher hinauf am Rücken des Höhenzuges entfaltet das weit
nach Nordosten ausgreifende Pera seine amphitheatralisch aufsteigen-
den Häuserzeilen. Diese Vorstadt, in der die meist herrlichen Palais
der Botschafter liegen, ist gegenwärtig zu einem bedeutenden Platze
aufgewachsen. Die Grande Rue de Pera durchzieht die Stadt vom
Galata-Thurme an bis an ihr äusserstes Ende als belebteste und
fashionabelste Pulsader. Dort sind die elegantesten Geschäfte für
Luxusartikel, die Theater, Clubs und Hôtels; an der Perastrasse liegt
das gartenumgebene grosse kaiserliche Lyceum Galata-Serai und die
griechische und armenische Kirche. Die katholische Marienkirche und
eine katholisch-armenische Kirche liegen in der Nähe derselben Strasse.

Pera hat einige hübsche, aber kleine öffentliche Gärten und
dürfte, wenn die inmitten der Stadt noch bestehenden ausgedehnten
türkischen Friedhöfe einstens beseitigt sein werden, noch manch
schattigen Park hinzufügen.

Im Osten von Pera wurden in den letzten Jahren einige gross-
artige Militärbauten, wie: Artillerie-Kaserne, Kriegsschule, Waffen-
dépôt u. a., aufgeführt.

Nach Galata führt eine Tunnel-Drahtseilbahn herab, und besteht
auch eine Tramway-Verbindung zwischen den beiden Nachbarstädten.

Angrenzend an Pera liegen östlich die Vorstädte Top-hane mit
schönen Moscheen, dem Artilleriearsenale und Stückgiessereien, Fün-
dükly
mit der Dampfschiffstation Kabatasch und weiter östlich der
prächtige Neubau des grossherrlichen Palastes Dolma-Bagdsche, un-
mittelbar an mit Treppenfluchten ausgestatteten Quais.

Das Palais von Beschiktasch (Tschiragan Serai) liegt noch
weiter ostwärts, und darüber auf den grünen Abhängen des Höhen-
zuges lagert in einem weiten bis hinab zum Tschiragan reichenden
und mit diesem durch eine Marmorbrücke verbundenen Parke Jildis
Kiosk (Sternenkiosk), die Residenz des herrschenden Sultans Abdul
Hamid II. Es ist dies eigentlich eine kleine Stadt für sich, mit zahl-
reichen den verschiedensten Zwecken des Hoflebens und des Staats-
dienstes gewidmeten Gebäuden.

Unter den zahlreichen am europäischen Ufer des Bosporus lie-
genden Ortschaften seien noch die fashionablen Sommerfrischen von
Therapia und Böjükdere ihrer reizenden Lage wegen hier erwähnt.


15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0135" n="115"/>
          <fw place="top" type="header">Constantinopel.</fw><lb/>
          <p>Ein unbeschreibliches Gedränge herrscht längs der neuen Ver-<lb/>
kehrsadern, wo von frühem Morgen bis zum späten Abend Menschen-<lb/>
massen, allen Nationen des Ostens und Westens angehörend, sich be-<lb/>
gegnen und kreuzen.</p><lb/>
          <p>Höher hinauf am Rücken des Höhenzuges entfaltet das weit<lb/>
nach Nordosten ausgreifende <hi rendition="#g">Pera</hi> seine amphitheatralisch aufsteigen-<lb/>
den Häuserzeilen. Diese Vorstadt, in der die meist herrlichen Palais<lb/>
der Botschafter liegen, ist gegenwärtig zu einem bedeutenden Platze<lb/>
aufgewachsen. Die Grande Rue de Pera durchzieht die Stadt vom<lb/>
Galata-Thurme an bis an ihr äusserstes Ende als belebteste und<lb/>
fashionabelste Pulsader. Dort sind die elegantesten Geschäfte für<lb/>
Luxusartikel, die Theater, Clubs und Hôtels; an der Perastrasse liegt<lb/>
das gartenumgebene grosse kaiserliche Lyceum Galata-Serai und die<lb/>
griechische und armenische Kirche. Die katholische Marienkirche und<lb/>
eine katholisch-armenische Kirche liegen in der Nähe derselben Strasse.</p><lb/>
          <p>Pera hat einige hübsche, aber kleine öffentliche Gärten und<lb/>
dürfte, wenn die inmitten der Stadt noch bestehenden ausgedehnten<lb/>
türkischen Friedhöfe einstens beseitigt sein werden, noch manch<lb/>
schattigen Park hinzufügen.</p><lb/>
          <p>Im Osten von Pera wurden in den letzten Jahren einige gross-<lb/>
artige Militärbauten, wie: Artillerie-Kaserne, Kriegsschule, Waffen-<lb/>
dépôt u. a., aufgeführt.</p><lb/>
          <p>Nach Galata führt eine Tunnel-Drahtseilbahn herab, und besteht<lb/>
auch eine Tramway-Verbindung zwischen den beiden Nachbarstädten.</p><lb/>
          <p>Angrenzend an Pera liegen östlich die Vorstädte <hi rendition="#g">Top-hane</hi> mit<lb/>
schönen Moscheen, dem Artilleriearsenale und Stückgiessereien, <hi rendition="#g">Fün-<lb/>
dükly</hi> mit der Dampfschiffstation Kabatasch und weiter östlich der<lb/>
prächtige Neubau des grossherrlichen Palastes Dolma-Bagdsche, un-<lb/>
mittelbar an mit Treppenfluchten ausgestatteten Quais.</p><lb/>
          <p>Das Palais von <hi rendition="#g">Beschiktasch</hi> (Tschiragan Serai) liegt noch<lb/>
weiter ostwärts, und darüber auf den grünen Abhängen des Höhen-<lb/>
zuges lagert in einem weiten bis hinab zum Tschiragan reichenden<lb/>
und mit diesem durch eine Marmorbrücke verbundenen Parke Jildis<lb/>
Kiosk (Sternenkiosk), die Residenz des herrschenden Sultans Abdul<lb/>
Hamid II. Es ist dies eigentlich eine kleine Stadt für sich, mit zahl-<lb/>
reichen den verschiedensten Zwecken des Hoflebens und des Staats-<lb/>
dienstes gewidmeten Gebäuden.</p><lb/>
          <p>Unter den zahlreichen am europäischen Ufer des Bosporus lie-<lb/>
genden Ortschaften seien noch die fashionablen Sommerfrischen von<lb/><hi rendition="#g">Therapia</hi> und <hi rendition="#g">Böjükdere</hi> ihrer reizenden Lage wegen hier erwähnt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0135] Constantinopel. Ein unbeschreibliches Gedränge herrscht längs der neuen Ver- kehrsadern, wo von frühem Morgen bis zum späten Abend Menschen- massen, allen Nationen des Ostens und Westens angehörend, sich be- gegnen und kreuzen. Höher hinauf am Rücken des Höhenzuges entfaltet das weit nach Nordosten ausgreifende Pera seine amphitheatralisch aufsteigen- den Häuserzeilen. Diese Vorstadt, in der die meist herrlichen Palais der Botschafter liegen, ist gegenwärtig zu einem bedeutenden Platze aufgewachsen. Die Grande Rue de Pera durchzieht die Stadt vom Galata-Thurme an bis an ihr äusserstes Ende als belebteste und fashionabelste Pulsader. Dort sind die elegantesten Geschäfte für Luxusartikel, die Theater, Clubs und Hôtels; an der Perastrasse liegt das gartenumgebene grosse kaiserliche Lyceum Galata-Serai und die griechische und armenische Kirche. Die katholische Marienkirche und eine katholisch-armenische Kirche liegen in der Nähe derselben Strasse. Pera hat einige hübsche, aber kleine öffentliche Gärten und dürfte, wenn die inmitten der Stadt noch bestehenden ausgedehnten türkischen Friedhöfe einstens beseitigt sein werden, noch manch schattigen Park hinzufügen. Im Osten von Pera wurden in den letzten Jahren einige gross- artige Militärbauten, wie: Artillerie-Kaserne, Kriegsschule, Waffen- dépôt u. a., aufgeführt. Nach Galata führt eine Tunnel-Drahtseilbahn herab, und besteht auch eine Tramway-Verbindung zwischen den beiden Nachbarstädten. Angrenzend an Pera liegen östlich die Vorstädte Top-hane mit schönen Moscheen, dem Artilleriearsenale und Stückgiessereien, Fün- dükly mit der Dampfschiffstation Kabatasch und weiter östlich der prächtige Neubau des grossherrlichen Palastes Dolma-Bagdsche, un- mittelbar an mit Treppenfluchten ausgestatteten Quais. Das Palais von Beschiktasch (Tschiragan Serai) liegt noch weiter ostwärts, und darüber auf den grünen Abhängen des Höhen- zuges lagert in einem weiten bis hinab zum Tschiragan reichenden und mit diesem durch eine Marmorbrücke verbundenen Parke Jildis Kiosk (Sternenkiosk), die Residenz des herrschenden Sultans Abdul Hamid II. Es ist dies eigentlich eine kleine Stadt für sich, mit zahl- reichen den verschiedensten Zwecken des Hoflebens und des Staats- dienstes gewidmeten Gebäuden. Unter den zahlreichen am europäischen Ufer des Bosporus lie- genden Ortschaften seien noch die fashionablen Sommerfrischen von Therapia und Böjükdere ihrer reizenden Lage wegen hier erwähnt. 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/135
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/135>, abgerufen am 26.11.2024.