Nur wenige Handelsplätze der Levante vermögen heutigentags mit der uralten Hauptstadt von Makedonien rücksichtlich der com- merciellen Bedeutung im Weltverkehr in die Schranken zu treten.
Was diesbetreffend in Salonich (türkisch Selanik) in aller Stille bereits sich vollzogen hat, und die hoffnungsvollen Bedingungen für die zukünftige Entwicklung, die gewonnen wurden, sind in der That staunenswerth. Bis in die jüngste Zeit auf den Seeverkehr und land- einwärts nur auf den ebenso kostspieligen wie schwerfälligen Kara- wanenweg angewiesen, ist Salonich durch die Anlage des neuen Schienenweges, welcher dem Hafen das Herz Europas erschlossen hat, zu einer der massgebenden Handelsstädte der ganzen Balkanhalbinsel zwischen der Adria und dem Schwarzen Meere erblüht.
Salonich hat wie Athen, Korinth und das weit jüngere Byzanz eine Geschichte höheren Styles, die weit in die vorchristliche Zeit hineinreicht.
Wegen der zahlreichen warmen Quellen in ihrer Umgebung hiess die erste dortige griechische Ansiedlung Therme, und der an der thessalischen Küste mächtig aufragende Felsengrat des heiligen Olymps wies den Weg nach dem thermischen Meerbusen, an dessen nördlichem Ende die berühmte Badestadt lag. Xerxes lagerte in ihr und von hier aus zog er südwärts nach Griechenland. Dann erschienen zu Beginn des peloponnesischen Krieges die Athener und bemächtigten sich der Stadt. Perdikkes II. von Makedonien entriss sie ihnen wieder, worauf Pausanias die Stadt eroberte.
Nun kam 315 v. Chr. Kassandros, der Schwager Alexanders des Grossen, nachdem er Makedonien unterworfen, als Befreier vor die Thore von Therme. Er baute die halbzerstörte Stadt wieder auf, erweiterte sie und gab ihr den Namen seiner schönen Frau Thessalonika. Dieser sollte als kostbarer Talisman sich be- währen. Gewiss hat die geographische Lage und der Handelsgeist der Bewohner der Stadt viel zu ihrer Blüthe beigetragen, aber gleichwohl darf angenommen werden, dass die Gunst der hohen Frau, deren Namen die neue Schöpfung führte, und gewiss auch das Interesse ihres allmächtigen Bruders Alexander nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der Stadt geblieben waren, die alsbald zur wichtigsten an der makedonischen Küste emporstiegen. Auf dieser Höhe fiel Tessalonike
Salonich.
Nur wenige Handelsplätze der Levante vermögen heutigentags mit der uralten Hauptstadt von Makedonien rücksichtlich der com- merciellen Bedeutung im Weltverkehr in die Schranken zu treten.
Was diesbetreffend in Salonich (türkisch Selanik) in aller Stille bereits sich vollzogen hat, und die hoffnungsvollen Bedingungen für die zukünftige Entwicklung, die gewonnen wurden, sind in der That staunenswerth. Bis in die jüngste Zeit auf den Seeverkehr und land- einwärts nur auf den ebenso kostspieligen wie schwerfälligen Kara- wanenweg angewiesen, ist Salonich durch die Anlage des neuen Schienenweges, welcher dem Hafen das Herz Europas erschlossen hat, zu einer der massgebenden Handelsstädte der ganzen Balkanhalbinsel zwischen der Adria und dem Schwarzen Meere erblüht.
Salonich hat wie Athen, Korinth und das weit jüngere Byzanz eine Geschichte höheren Styles, die weit in die vorchristliche Zeit hineinreicht.
Wegen der zahlreichen warmen Quellen in ihrer Umgebung hiess die erste dortige griechische Ansiedlung Therme, und der an der thessalischen Küste mächtig aufragende Felsengrat des heiligen Olymps wies den Weg nach dem thermischen Meerbusen, an dessen nördlichem Ende die berühmte Badestadt lag. Xerxes lagerte in ihr und von hier aus zog er südwärts nach Griechenland. Dann erschienen zu Beginn des peloponnesischen Krieges die Athener und bemächtigten sich der Stadt. Perdikkes II. von Makedonien entriss sie ihnen wieder, worauf Pausanias die Stadt eroberte.
Nun kam 315 v. Chr. Kassandros, der Schwager Alexanders des Grossen, nachdem er Makedonien unterworfen, als Befreier vor die Thore von Therme. Er baute die halbzerstörte Stadt wieder auf, erweiterte sie und gab ihr den Namen seiner schönen Frau Thessalonika. Dieser sollte als kostbarer Talisman sich be- währen. Gewiss hat die geographische Lage und der Handelsgeist der Bewohner der Stadt viel zu ihrer Blüthe beigetragen, aber gleichwohl darf angenommen werden, dass die Gunst der hohen Frau, deren Namen die neue Schöpfung führte, und gewiss auch das Interesse ihres allmächtigen Bruders Alexander nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der Stadt geblieben waren, die alsbald zur wichtigsten an der makedonischen Küste emporstiegen. Auf dieser Höhe fiel Tessalonike
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0113"n="[93]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Salonich.</hi></head><lb/><p>Nur wenige Handelsplätze der Levante vermögen heutigentags<lb/>
mit der uralten Hauptstadt von Makedonien rücksichtlich der com-<lb/>
merciellen Bedeutung im Weltverkehr in die Schranken zu treten.</p><lb/><p>Was diesbetreffend in Salonich (türkisch Selanik) in aller Stille<lb/>
bereits sich vollzogen hat, und die hoffnungsvollen Bedingungen für<lb/>
die zukünftige Entwicklung, die gewonnen wurden, sind in der That<lb/>
staunenswerth. Bis in die jüngste Zeit auf den Seeverkehr und land-<lb/>
einwärts nur auf den ebenso kostspieligen wie schwerfälligen Kara-<lb/>
wanenweg angewiesen, ist Salonich durch die Anlage des neuen<lb/>
Schienenweges, welcher dem Hafen das Herz Europas erschlossen hat,<lb/>
zu einer der massgebenden Handelsstädte der ganzen Balkanhalbinsel<lb/>
zwischen der Adria und dem Schwarzen Meere erblüht.</p><lb/><p>Salonich hat wie Athen, Korinth und das weit jüngere Byzanz<lb/>
eine Geschichte höheren Styles, die weit in die vorchristliche Zeit<lb/>
hineinreicht.</p><lb/><p>Wegen der zahlreichen warmen Quellen in ihrer Umgebung hiess die erste<lb/>
dortige griechische Ansiedlung Therme, und der an der thessalischen Küste mächtig<lb/>
aufragende Felsengrat des heiligen Olymps wies den Weg nach dem thermischen<lb/>
Meerbusen, an dessen nördlichem Ende die berühmte Badestadt lag. Xerxes lagerte<lb/>
in ihr und von hier aus zog er südwärts nach Griechenland. Dann erschienen zu<lb/>
Beginn des peloponnesischen Krieges die Athener und bemächtigten sich der Stadt.<lb/>
Perdikkes II. von Makedonien entriss sie ihnen wieder, worauf Pausanias die<lb/>
Stadt eroberte.</p><lb/><p>Nun kam 315 v. Chr. Kassandros, der Schwager Alexanders des Grossen,<lb/>
nachdem er Makedonien unterworfen, als Befreier vor die Thore von Therme. Er<lb/>
baute die halbzerstörte Stadt wieder auf, erweiterte sie und gab ihr den Namen<lb/>
seiner schönen Frau Thessalonika. Dieser sollte als kostbarer Talisman sich be-<lb/>
währen. Gewiss hat die geographische Lage und der Handelsgeist der Bewohner<lb/>
der Stadt viel zu ihrer Blüthe beigetragen, aber gleichwohl darf angenommen<lb/>
werden, dass die Gunst der hohen Frau, deren Namen die neue Schöpfung führte,<lb/>
und gewiss auch das Interesse ihres allmächtigen Bruders Alexander nicht ohne<lb/>
Einfluss auf die Entwicklung der Stadt geblieben waren, die alsbald zur wichtigsten<lb/>
an der makedonischen Küste emporstiegen. Auf dieser Höhe fiel Tessalonike<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[93]/0113]
Salonich.
Nur wenige Handelsplätze der Levante vermögen heutigentags
mit der uralten Hauptstadt von Makedonien rücksichtlich der com-
merciellen Bedeutung im Weltverkehr in die Schranken zu treten.
Was diesbetreffend in Salonich (türkisch Selanik) in aller Stille
bereits sich vollzogen hat, und die hoffnungsvollen Bedingungen für
die zukünftige Entwicklung, die gewonnen wurden, sind in der That
staunenswerth. Bis in die jüngste Zeit auf den Seeverkehr und land-
einwärts nur auf den ebenso kostspieligen wie schwerfälligen Kara-
wanenweg angewiesen, ist Salonich durch die Anlage des neuen
Schienenweges, welcher dem Hafen das Herz Europas erschlossen hat,
zu einer der massgebenden Handelsstädte der ganzen Balkanhalbinsel
zwischen der Adria und dem Schwarzen Meere erblüht.
Salonich hat wie Athen, Korinth und das weit jüngere Byzanz
eine Geschichte höheren Styles, die weit in die vorchristliche Zeit
hineinreicht.
Wegen der zahlreichen warmen Quellen in ihrer Umgebung hiess die erste
dortige griechische Ansiedlung Therme, und der an der thessalischen Küste mächtig
aufragende Felsengrat des heiligen Olymps wies den Weg nach dem thermischen
Meerbusen, an dessen nördlichem Ende die berühmte Badestadt lag. Xerxes lagerte
in ihr und von hier aus zog er südwärts nach Griechenland. Dann erschienen zu
Beginn des peloponnesischen Krieges die Athener und bemächtigten sich der Stadt.
Perdikkes II. von Makedonien entriss sie ihnen wieder, worauf Pausanias die
Stadt eroberte.
Nun kam 315 v. Chr. Kassandros, der Schwager Alexanders des Grossen,
nachdem er Makedonien unterworfen, als Befreier vor die Thore von Therme. Er
baute die halbzerstörte Stadt wieder auf, erweiterte sie und gab ihr den Namen
seiner schönen Frau Thessalonika. Dieser sollte als kostbarer Talisman sich be-
währen. Gewiss hat die geographische Lage und der Handelsgeist der Bewohner
der Stadt viel zu ihrer Blüthe beigetragen, aber gleichwohl darf angenommen
werden, dass die Gunst der hohen Frau, deren Namen die neue Schöpfung führte,
und gewiss auch das Interesse ihres allmächtigen Bruders Alexander nicht ohne
Einfluss auf die Entwicklung der Stadt geblieben waren, die alsbald zur wichtigsten
an der makedonischen Küste emporstiegen. Auf dieser Höhe fiel Tessalonike
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [93]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/113>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.