Bei der Erweiterung der Erwerbs- und Bildungsmöglichkeiten, die die deutsche Frauenbewegung und insbesondere der Verein Frauen- bildung-Frauenstudium angestrebt hat, stand wesentlich im Vordergrunde der Zugang zu den geistigen Berufen, für die das Universitätsstudium die Grundlage bildet. Hier galt es, ganz neue Gebiete zu erobern, und an diesen Kampf setzten wir alle Kraft. Dahinter traten die Berufe zurück, zu denen den Frauen ein Weg schon offen stand, in denen es für sie Ausbildungsmöglichkeiten gab, und wir legten zunächst weniger Wert darauf, daß auch in diesen Berufen die Ausbildungsmöglichkeiten zumeist beschränkt, unzureichend und unverhältnismäßig kostspielig waren. So haben wir vielleicht die künstlerischen Berufe zu sehr außer acht gelassen, und die Künstlerinnen sind im großen und ganzen abseits von der Frauenbewegung geblieben. Dies gilt ebenso für die Schriftstellerin, vielleicht mit Ausnahme der Journalistin, wie für die Musikerin, die Bühnenkünstlerin, die Malerin und Bildhauerin. Das ist bedauerlich für die Frauenbewegung, denn durch die künstlerische Arbeit flutet der höchste Strom kulturellen und persönlichen Lebens, den wir ungern missen, - aber es ist auch schade für die Künstlerinnen, denn auch sie würden bereichert werden durch den großen Pulsschlag der Zeit, wie er in unserer Bewegung lebt, und die größere Organisation des Ganzen würde ihren Sonderorganisationen Kraft und Nachdruck verleihen. Darum freut es mich ganz besonders, daß unserer diesjährigen Tagung die erste General- versammlung des neuen "Frauenkunstverbandes" folgen wird, dessen Vorsitzende eine unserer größten Künstlerinnen ist, und ich hoffe, daß dieser äußere Zusammenhang auch ein Zeichen der inneren Zusammen- gehörigkeit ist.
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Das Kunststudium der Frauen
Verehrte Anwesende!
Bei der Erweiterung der Erwerbs- und Bildungsmöglichkeiten, die die deutsche Frauenbewegung und insbesondere der Verein Frauen- bildung-Frauenstudium angestrebt hat, stand wesentlich im Vordergrunde der Zugang zu den geistigen Berufen, für die das Universitätsstudium die Grundlage bildet. Hier galt es, ganz neue Gebiete zu erobern, und an diesen Kampf setzten wir alle Kraft. Dahinter traten die Berufe zurück, zu denen den Frauen ein Weg schon offen stand, in denen es für sie Ausbildungsmöglichkeiten gab, und wir legten zunächst weniger Wert darauf, daß auch in diesen Berufen die Ausbildungsmöglichkeiten zumeist beschränkt, unzureichend und unverhältnismäßig kostspielig waren. So haben wir vielleicht die künstlerischen Berufe zu sehr außer acht gelassen, und die Künstlerinnen sind im großen und ganzen abseits von der Frauenbewegung geblieben. Dies gilt ebenso für die Schriftstellerin, vielleicht mit Ausnahme der Journalistin, wie für die Musikerin, die Bühnenkünstlerin, die Malerin und Bildhauerin. Das ist bedauerlich für die Frauenbewegung, denn durch die künstlerische Arbeit flutet der höchste Strom kulturellen und persönlichen Lebens, den wir ungern missen, – aber es ist auch schade für die Künstlerinnen, denn auch sie würden bereichert werden durch den großen Pulsschlag der Zeit, wie er in unserer Bewegung lebt, und die größere Organisation des Ganzen würde ihren Sonderorganisationen Kraft und Nachdruck verleihen. Darum freut es mich ganz besonders, daß unserer diesjährigen Tagung die erste General- versammlung des neuen „Frauenkunstverbandes“ folgen wird, dessen Vorsitzende eine unserer größten Künstlerinnen ist, und ich hoffe, daß dieser äußere Zusammenhang auch ein Zeichen der inneren Zusammen- gehörigkeit ist.
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[1/0007]
Das Kunststudium der Frauen
Verehrte Anwesende!
Bei der Erweiterung der Erwerbs- und Bildungsmöglichkeiten, die
die deutsche Frauenbewegung und insbesondere der Verein Frauen-
bildung-Frauenstudium angestrebt hat, stand wesentlich im Vordergrunde
der Zugang zu den geistigen Berufen, für die das Universitätsstudium
die Grundlage bildet. Hier galt es, ganz neue Gebiete zu erobern, und an
diesen Kampf setzten wir alle Kraft. Dahinter traten die Berufe zurück,
zu denen den Frauen ein Weg schon offen stand, in denen es für sie
Ausbildungsmöglichkeiten gab, und wir legten zunächst weniger Wert
darauf, daß auch in diesen Berufen die Ausbildungsmöglichkeiten zumeist
beschränkt, unzureichend und unverhältnismäßig kostspielig waren. So
haben wir vielleicht die künstlerischen Berufe zu sehr außer acht
gelassen, und die Künstlerinnen sind im großen und ganzen abseits von
der Frauenbewegung geblieben. Dies gilt ebenso für die Schriftstellerin,
vielleicht mit Ausnahme der Journalistin, wie für die Musikerin, die
Bühnenkünstlerin, die Malerin und Bildhauerin. Das ist bedauerlich
für die Frauenbewegung, denn durch die künstlerische Arbeit flutet der
höchste Strom kulturellen und persönlichen Lebens, den wir ungern missen,
– aber es ist auch schade für die Künstlerinnen, denn auch sie würden
bereichert werden durch den großen Pulsschlag der Zeit, wie er in unserer
Bewegung lebt, und die größere Organisation des Ganzen würde ihren
Sonderorganisationen Kraft und Nachdruck verleihen. Darum freut es
mich ganz besonders, daß unserer diesjährigen Tagung die erste General-
versammlung des neuen „Frauenkunstverbandes“ folgen wird, dessen
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Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/7>, abgerufen am 22.02.2025.
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