Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

Was die großen Akademien zu Berlin, München, Dresden, Düssel-
dorf ihren Schülern an Ausbildungsgelegenheiten durch die Reichhaltig-
keit ihres Lehrplanes gewähren, ist unendlich viel mehr. Der Strom
großen modernen künstlerischen Lebens, der diese Städte durchflutet, ist
unersetzlich für den Werdenden, der schauend lernt, vergleichend den
Geschmack bildet, zeitgenössisches künstlerisches Streben begreift und den
eigenen Platz darin sucht.

Welche Einwendungen werden nun gegen die Öffnung der Aka-
demien für Frauen erhoben? Zunächst kommt man mit allgemeinen
Bedenken gegen die Akademien überhaupt, denn der gleiche Streit wie
um die höhere Schule tobt auch um die Akademie. Jhr Lehrgang wird
als unzeitgemäß und unzweckmäßig angefochten, und gewiß ist manches
der Besserung fähig und bedürftig. Da sagt man uns denn: "Was wollt
ihr die Erschließung dieses unzweckmäßigen Lehrganges!" Und man
zählt alle seine Fehler auf. Darauf muß man die gleiche Antwort geben,
die wir gaben, als es sich darum handelte, die Bildungswege der höheren
Knabenschule zu erschließen: "Zunächst ist es der obligatorische und auch
Berechtigungen gebende Bildungsgang, den der Staat organisiert hat.
(Berechtigungen deshalb, weil für eine ganze Reihe von Stellungen aka-
demisch gebildete Maler und Zeichner verlangt werden.) Solange nichts
Besseres anstelle dieses staatlich organisierten Bildungsganges getreten ist,
wollen wir an ihm Anteil haben, so, wie er nun einmal ist. Der Weg,
den wir jetzt gehen, ist ganz gewiß nicht besser. Wäre er besser, so hätte
man ihn sicherlich nicht uns überlassen, sondern ihn zuerst für die Männer
gewählt." - Jch persönlich glaube aber auch, daß der akademischen Schulung
gewisse Vorzüge eigen sind, die sie wünschenswert macht. Erlernen läßt
sich in der Kunst nur das Handwerkliche. Dies aber gibt systematisch
die Akademie. Sie schafft die Grundlage. - Gerade in die Zeit unserer
höchsten Kunstblüte auf anderm Gebiet, in die zweite Hälfte des 18., den
Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Gründung der großen deutschen
Akademien. Düsseldorf ist 1761, Dresden 1764, München 1808, Berlin

Was die großen Akademien zu Berlin, München, Dresden, Düssel-
dorf ihren Schülern an Ausbildungsgelegenheiten durch die Reichhaltig-
keit ihres Lehrplanes gewähren, ist unendlich viel mehr. Der Strom
großen modernen künstlerischen Lebens, der diese Städte durchflutet, ist
unersetzlich für den Werdenden, der schauend lernt, vergleichend den
Geschmack bildet, zeitgenössisches künstlerisches Streben begreift und den
eigenen Platz darin sucht.

Welche Einwendungen werden nun gegen die Öffnung der Aka-
demien für Frauen erhoben? Zunächst kommt man mit allgemeinen
Bedenken gegen die Akademien überhaupt, denn der gleiche Streit wie
um die höhere Schule tobt auch um die Akademie. Jhr Lehrgang wird
als unzeitgemäß und unzweckmäßig angefochten, und gewiß ist manches
der Besserung fähig und bedürftig. Da sagt man uns denn: „Was wollt
ihr die Erschließung dieses unzweckmäßigen Lehrganges!“ Und man
zählt alle seine Fehler auf. Darauf muß man die gleiche Antwort geben,
die wir gaben, als es sich darum handelte, die Bildungswege der höheren
Knabenschule zu erschließen: „Zunächst ist es der obligatorische und auch
Berechtigungen gebende Bildungsgang, den der Staat organisiert hat.
(Berechtigungen deshalb, weil für eine ganze Reihe von Stellungen aka-
demisch gebildete Maler und Zeichner verlangt werden.) Solange nichts
Besseres anstelle dieses staatlich organisierten Bildungsganges getreten ist,
wollen wir an ihm Anteil haben, so, wie er nun einmal ist. Der Weg,
den wir jetzt gehen, ist ganz gewiß nicht besser. Wäre er besser, so hätte
man ihn sicherlich nicht uns überlassen, sondern ihn zuerst für die Männer
gewählt.“ – Jch persönlich glaube aber auch, daß der akademischen Schulung
gewisse Vorzüge eigen sind, die sie wünschenswert macht. Erlernen läßt
sich in der Kunst nur das Handwerkliche. Dies aber gibt systematisch
die Akademie. Sie schafft die Grundlage. – Gerade in die Zeit unserer
höchsten Kunstblüte auf anderm Gebiet, in die zweite Hälfte des 18., den
Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Gründung der großen deutschen
Akademien. Düsseldorf ist 1761, Dresden 1764, München 1808, Berlin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0020" n="14"/>
        <p>Was die großen Akademien zu Berlin, München, Dresden, Düssel-<lb/>
dorf ihren Schülern an Ausbildungsgelegenheiten durch die Reichhaltig-<lb/>
keit ihres Lehrplanes gewähren, ist unendlich viel mehr. Der Strom<lb/>
großen modernen künstlerischen Lebens, der diese Städte durchflutet, ist<lb/>
unersetzlich für den Werdenden, der schauend lernt, vergleichend den<lb/>
Geschmack bildet, zeitgenössisches künstlerisches Streben begreift und den<lb/>
eigenen Platz darin sucht.</p><lb/>
        <p>Welche Einwendungen werden nun gegen die Öffnung der Aka-<lb/>
demien für Frauen erhoben? Zunächst kommt man mit allgemeinen<lb/>
Bedenken gegen die Akademien überhaupt, denn der gleiche Streit wie<lb/>
um die höhere Schule tobt auch um die Akademie. Jhr Lehrgang wird<lb/>
als unzeitgemäß und unzweckmäßig angefochten, und gewiß ist manches<lb/>
der Besserung fähig und bedürftig. Da sagt man uns denn: &#x201E;Was wollt<lb/>
ihr die Erschließung dieses unzweckmäßigen Lehrganges!&#x201C; Und man<lb/>
zählt alle seine Fehler auf. Darauf muß man die gleiche Antwort geben,<lb/>
die wir gaben, als es sich darum handelte, die Bildungswege der höheren<lb/>
Knabenschule zu erschließen: &#x201E;Zunächst ist es der obligatorische und auch<lb/>
Berechtigungen gebende Bildungsgang, den der Staat organisiert hat.<lb/>
(Berechtigungen deshalb, weil für eine ganze Reihe von Stellungen aka-<lb/>
demisch gebildete Maler und Zeichner verlangt werden.) Solange nichts<lb/>
Besseres anstelle dieses staatlich organisierten Bildungsganges getreten ist,<lb/>
wollen wir an ihm Anteil haben, so, wie er nun einmal ist. Der Weg,<lb/>
den wir jetzt gehen, ist ganz gewiß nicht besser. Wäre er besser, so hätte<lb/>
man ihn sicherlich nicht uns überlassen, sondern ihn zuerst für die Männer<lb/>
gewählt.&#x201C; &#x2013;  Jch persönlich glaube aber auch, daß der akademischen Schulung<lb/>
gewisse Vorzüge eigen sind, die sie wünschenswert macht. Erlernen läßt<lb/>
sich in der Kunst nur das Handwerkliche. Dies aber gibt <hi rendition="#g">systematisch</hi><lb/>
die Akademie. Sie schafft die Grundlage. &#x2013; Gerade in die Zeit unserer<lb/>
höchsten Kunstblüte auf anderm Gebiet, in die zweite Hälfte des 18., den<lb/>
Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Gründung der großen deutschen<lb/>
Akademien. Düsseldorf ist 1761, Dresden 1764, München 1808, Berlin<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0020] Was die großen Akademien zu Berlin, München, Dresden, Düssel- dorf ihren Schülern an Ausbildungsgelegenheiten durch die Reichhaltig- keit ihres Lehrplanes gewähren, ist unendlich viel mehr. Der Strom großen modernen künstlerischen Lebens, der diese Städte durchflutet, ist unersetzlich für den Werdenden, der schauend lernt, vergleichend den Geschmack bildet, zeitgenössisches künstlerisches Streben begreift und den eigenen Platz darin sucht. Welche Einwendungen werden nun gegen die Öffnung der Aka- demien für Frauen erhoben? Zunächst kommt man mit allgemeinen Bedenken gegen die Akademien überhaupt, denn der gleiche Streit wie um die höhere Schule tobt auch um die Akademie. Jhr Lehrgang wird als unzeitgemäß und unzweckmäßig angefochten, und gewiß ist manches der Besserung fähig und bedürftig. Da sagt man uns denn: „Was wollt ihr die Erschließung dieses unzweckmäßigen Lehrganges!“ Und man zählt alle seine Fehler auf. Darauf muß man die gleiche Antwort geben, die wir gaben, als es sich darum handelte, die Bildungswege der höheren Knabenschule zu erschließen: „Zunächst ist es der obligatorische und auch Berechtigungen gebende Bildungsgang, den der Staat organisiert hat. (Berechtigungen deshalb, weil für eine ganze Reihe von Stellungen aka- demisch gebildete Maler und Zeichner verlangt werden.) Solange nichts Besseres anstelle dieses staatlich organisierten Bildungsganges getreten ist, wollen wir an ihm Anteil haben, so, wie er nun einmal ist. Der Weg, den wir jetzt gehen, ist ganz gewiß nicht besser. Wäre er besser, so hätte man ihn sicherlich nicht uns überlassen, sondern ihn zuerst für die Männer gewählt.“ – Jch persönlich glaube aber auch, daß der akademischen Schulung gewisse Vorzüge eigen sind, die sie wünschenswert macht. Erlernen läßt sich in der Kunst nur das Handwerkliche. Dies aber gibt systematisch die Akademie. Sie schafft die Grundlage. – Gerade in die Zeit unserer höchsten Kunstblüte auf anderm Gebiet, in die zweite Hälfte des 18., den Beginn des 19. Jahrhunderts fällt die Gründung der großen deutschen Akademien. Düsseldorf ist 1761, Dresden 1764, München 1808, Berlin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-07-11T15:25:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/20
Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/20>, abgerufen am 23.11.2024.