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Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

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Einkommen zu beschaffen. Die Frage, ob sie Liebe und Fähigkeit für den
Unterricht und geeignete künstlerische Qualitäten besitzen, tritt zurück hinter
der dira necessitas, der harten Notwendigkeit des Lebens. Die Opfer-
lämmer ungeeigneter privater Unterrichtsanstalten sind mehr Frauen als
Männer, da letztere in solche meist nur gehen, um eine Vorbildung für
den späteren Besuch der Akademie zu gewinnen, nicht aber in den Privat-
ateliers ihre ganze künstlerische Ausbildung suchen. Wird in einem Privat-
atelier der Unterricht nur in einem künstlerischen Spezialfach erteilt, etwa
Porträt- oder Landschaftsmalerei, so ist natürlich zur vollen Ausbildung
nötig, für eine Reihe unentbehrlicher anderer Fächer - seien sie praktischer
oder theoretischer Art - andere Lehranstalten aufzusuchen. Dadurch
kommt etwas Zufälliges, eine gewisse Unruhe und ein Mangel an Ein-
heitlichkeit in den Lehrgang, abgesehen davon, daß die Ausbildungskosten
erheblich gesteigert werden. Naturgemäß sind diese überhaupt in den
Privatateliers höher als in den größeren Schulen. Jch glaube kaum, daß
es möglich ist, auf dem Wege privaten Unterrichts die Kosten geringer als
50 bis 100 Mark monatlich zu gestalten. Jn den meisten Fällen werden
sie erheblich höher sein. An den staatlichen Akademien betragen sie, alle
Lehrfächer umfassend, vielfach kaum mehr für das Studienjahr. Auch in
den Privatschulen, die nicht ein Fach vertreten, sondern Schulen sind, die
die wichtigsten Fächer umfassen, stellen sich die Ausbildungskosten wesent-
lich höher als an den Akademien. Das ist durchgängig der Fall und
liegt in der Natur der Sache, da es sich um Erwerbsinstitute, nicht um
gemeinnützige Schulen handelt. Von Einzelziffern möchte ich absehen.
Die Verhältnisse der privaten Schulen sind sehr verschieden, ebenso ver-
schieden wie ihre Qualität. Aber selbst, wenn diese Qualität außer-
ordentlich hochstehend ist, die betreffenden Lehrkräfte ersten Ranges, halte
ich den Besuch einer solchen Schule vom Beginn der Studienzeit an bis
zur vollen Ausbildung nur in seltenen Fällen für vorteilhaft. Ganz
gewiß kann der einzelne Lehrer der Schülerin Vorzügliches geben, aber
er drückt doch auch seiner Schule den Stempel seiner Persönlichkeit auf,

Einkommen zu beschaffen. Die Frage, ob sie Liebe und Fähigkeit für den
Unterricht und geeignete künstlerische Qualitäten besitzen, tritt zurück hinter
der dira necessitas, der harten Notwendigkeit des Lebens. Die Opfer-
lämmer ungeeigneter privater Unterrichtsanstalten sind mehr Frauen als
Männer, da letztere in solche meist nur gehen, um eine Vorbildung für
den späteren Besuch der Akademie zu gewinnen, nicht aber in den Privat-
ateliers ihre ganze künstlerische Ausbildung suchen. Wird in einem Privat-
atelier der Unterricht nur in einem künstlerischen Spezialfach erteilt, etwa
Porträt- oder Landschaftsmalerei, so ist natürlich zur vollen Ausbildung
nötig, für eine Reihe unentbehrlicher anderer Fächer – seien sie praktischer
oder theoretischer Art – andere Lehranstalten aufzusuchen. Dadurch
kommt etwas Zufälliges, eine gewisse Unruhe und ein Mangel an Ein-
heitlichkeit in den Lehrgang, abgesehen davon, daß die Ausbildungskosten
erheblich gesteigert werden. Naturgemäß sind diese überhaupt in den
Privatateliers höher als in den größeren Schulen. Jch glaube kaum, daß
es möglich ist, auf dem Wege privaten Unterrichts die Kosten geringer als
50 bis 100 Mark monatlich zu gestalten. Jn den meisten Fällen werden
sie erheblich höher sein. An den staatlichen Akademien betragen sie, alle
Lehrfächer umfassend, vielfach kaum mehr für das Studienjahr. Auch in
den Privatschulen, die nicht ein Fach vertreten, sondern Schulen sind, die
die wichtigsten Fächer umfassen, stellen sich die Ausbildungskosten wesent-
lich höher als an den Akademien. Das ist durchgängig der Fall und
liegt in der Natur der Sache, da es sich um Erwerbsinstitute, nicht um
gemeinnützige Schulen handelt. Von Einzelziffern möchte ich absehen.
Die Verhältnisse der privaten Schulen sind sehr verschieden, ebenso ver-
schieden wie ihre Qualität. Aber selbst, wenn diese Qualität außer-
ordentlich hochstehend ist, die betreffenden Lehrkräfte ersten Ranges, halte
ich den Besuch einer solchen Schule vom Beginn der Studienzeit an bis
zur vollen Ausbildung nur in seltenen Fällen für vorteilhaft. Ganz
gewiß kann der einzelne Lehrer der Schülerin Vorzügliches geben, aber
er drückt doch auch seiner Schule den Stempel seiner Persönlichkeit auf,

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[6/0012] Einkommen zu beschaffen. Die Frage, ob sie Liebe und Fähigkeit für den Unterricht und geeignete künstlerische Qualitäten besitzen, tritt zurück hinter der dira necessitas, der harten Notwendigkeit des Lebens. Die Opfer- lämmer ungeeigneter privater Unterrichtsanstalten sind mehr Frauen als Männer, da letztere in solche meist nur gehen, um eine Vorbildung für den späteren Besuch der Akademie zu gewinnen, nicht aber in den Privat- ateliers ihre ganze künstlerische Ausbildung suchen. Wird in einem Privat- atelier der Unterricht nur in einem künstlerischen Spezialfach erteilt, etwa Porträt- oder Landschaftsmalerei, so ist natürlich zur vollen Ausbildung nötig, für eine Reihe unentbehrlicher anderer Fächer – seien sie praktischer oder theoretischer Art – andere Lehranstalten aufzusuchen. Dadurch kommt etwas Zufälliges, eine gewisse Unruhe und ein Mangel an Ein- heitlichkeit in den Lehrgang, abgesehen davon, daß die Ausbildungskosten erheblich gesteigert werden. Naturgemäß sind diese überhaupt in den Privatateliers höher als in den größeren Schulen. Jch glaube kaum, daß es möglich ist, auf dem Wege privaten Unterrichts die Kosten geringer als 50 bis 100 Mark monatlich zu gestalten. Jn den meisten Fällen werden sie erheblich höher sein. An den staatlichen Akademien betragen sie, alle Lehrfächer umfassend, vielfach kaum mehr für das Studienjahr. Auch in den Privatschulen, die nicht ein Fach vertreten, sondern Schulen sind, die die wichtigsten Fächer umfassen, stellen sich die Ausbildungskosten wesent- lich höher als an den Akademien. Das ist durchgängig der Fall und liegt in der Natur der Sache, da es sich um Erwerbsinstitute, nicht um gemeinnützige Schulen handelt. Von Einzelziffern möchte ich absehen. Die Verhältnisse der privaten Schulen sind sehr verschieden, ebenso ver- schieden wie ihre Qualität. Aber selbst, wenn diese Qualität außer- ordentlich hochstehend ist, die betreffenden Lehrkräfte ersten Ranges, halte ich den Besuch einer solchen Schule vom Beginn der Studienzeit an bis zur vollen Ausbildung nur in seltenen Fällen für vorteilhaft. Ganz gewiß kann der einzelne Lehrer der Schülerin Vorzügliches geben, aber er drückt doch auch seiner Schule den Stempel seiner Persönlichkeit auf,

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Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-07-11T15:25:44Z)

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Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/12>, abgerufen am 21.11.2024.