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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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setzgeberische Maßnahmen im Familienrecht und im
öffentlichen Recht so geändert werden, wie sie der
Anerkennung der Frau als freie Persönlichkeit ent-
spricht. Wer je in der sozialen Arbeit gestanden,
in der Armenpflege, Jugendfürsorge, Frauenrechts-
schutz- und anderen Beratungsstellen gewirkt hat,
der kennt den Leidensweg zahlloser unglücklicher
Frauen, die oft unwissend und schuldlos den der
Individualität der Frau nicht gerecht werdenden Ge-
setzesparagraphen des Familien- und Strafrechts un-
terliegen. Das Gesetz stellt alle Frauen unter Be-
stimmungen, die nur Männer geschaffen haben, Män-
ner auslegen und vollziehen. Abgesehen von einer
Reform der Gesetzgebung kann nur die Zulassung
der Frauen zu juristischen Aemtern als Richter, Ver-
teidiger und Schöffen Abhilfe und ausgleichende Ge-
rechtigkeit schaffen.

Alle Strafbestimmungen, die sich auf Delikte im
geschlechtlichen Leben beziehen, sind daher nur dem
Triebleben des Mannes angepaßt, ohne genügende
Berücksichtigung der physischen und psychischen Ver-
anlagung der Frau (Schutzalter, Unbescholtenheit,
Prostitution). Die wenigsten Frauen sind sich vor
Eingehung einer Ehe bewußt, in welchem Grade
die Bestimmungen des Eherechtes sie von der Gnade
und Ungnade des Ehemannes abhängig machen, und
daß die Gesetzesparagraphen davon ausgehen, daß
der Mann, solange die Ehe besteht, ihre Auslegung
nicht mißbrauchen wird. So steht dem Mann be-
kanntlich allein das Entscheidungsrecht in allen das
gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten
zu, und die Frau kann nur im Falle der Schei-
dung ihre Sache vor den Richter bringen. Das
schließt in sich die Bestimmung des Wohnortes,
die Erlaubnis zur Berufsarbeit der Frau. Das Ver-
mögen der Frau wird, wenn nicht ein besonderer

setzgeberische Maßnahmen im Familienrecht und im
öffentlichen Recht so geändert werden, wie sie der
Anerkennung der Frau als freie Persönlichkeit ent-
spricht. Wer je in der sozialen Arbeit gestanden,
in der Armenpflege, Jugendfürsorge, Frauenrechts-
schutz- und anderen Beratungsstellen gewirkt hat,
der kennt den Leidensweg zahlloser unglücklicher
Frauen, die oft unwissend und schuldlos den der
Individualität der Frau nicht gerecht werdenden Ge-
setzesparagraphen des Familien- und Strafrechts un-
terliegen. Das Gesetz stellt alle Frauen unter Be-
stimmungen, die nur Männer geschaffen haben, Män-
ner auslegen und vollziehen. Abgesehen von einer
Reform der Gesetzgebung kann nur die Zulassung
der Frauen zu juristischen Aemtern als Richter, Ver-
teidiger und Schöffen Abhilfe und ausgleichende Ge-
rechtigkeit schaffen.

Alle Strafbestimmungen, die sich auf Delikte im
geschlechtlichen Leben beziehen, sind daher nur dem
Triebleben des Mannes angepaßt, ohne genügende
Berücksichtigung der physischen und psychischen Ver-
anlagung der Frau (Schutzalter, Unbescholtenheit,
Prostitution). Die wenigsten Frauen sind sich vor
Eingehung einer Ehe bewußt, in welchem Grade
die Bestimmungen des Eherechtes sie von der Gnade
und Ungnade des Ehemannes abhängig machen, und
daß die Gesetzesparagraphen davon ausgehen, daß
der Mann, solange die Ehe besteht, ihre Auslegung
nicht mißbrauchen wird. So steht dem Mann be-
kanntlich allein das Entscheidungsrecht in allen das
gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten
zu, und die Frau kann nur im Falle der Schei-
dung ihre Sache vor den Richter bringen. Das
schließt in sich die Bestimmung des Wohnortes,
die Erlaubnis zur Berufsarbeit der Frau. Das Ver-
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[9/0009] setzgeberische Maßnahmen im Familienrecht und im öffentlichen Recht so geändert werden, wie sie der Anerkennung der Frau als freie Persönlichkeit ent- spricht. Wer je in der sozialen Arbeit gestanden, in der Armenpflege, Jugendfürsorge, Frauenrechts- schutz- und anderen Beratungsstellen gewirkt hat, der kennt den Leidensweg zahlloser unglücklicher Frauen, die oft unwissend und schuldlos den der Individualität der Frau nicht gerecht werdenden Ge- setzesparagraphen des Familien- und Strafrechts un- terliegen. Das Gesetz stellt alle Frauen unter Be- stimmungen, die nur Männer geschaffen haben, Män- ner auslegen und vollziehen. Abgesehen von einer Reform der Gesetzgebung kann nur die Zulassung der Frauen zu juristischen Aemtern als Richter, Ver- teidiger und Schöffen Abhilfe und ausgleichende Ge- rechtigkeit schaffen. Alle Strafbestimmungen, die sich auf Delikte im geschlechtlichen Leben beziehen, sind daher nur dem Triebleben des Mannes angepaßt, ohne genügende Berücksichtigung der physischen und psychischen Ver- anlagung der Frau (Schutzalter, Unbescholtenheit, Prostitution). Die wenigsten Frauen sind sich vor Eingehung einer Ehe bewußt, in welchem Grade die Bestimmungen des Eherechtes sie von der Gnade und Ungnade des Ehemannes abhängig machen, und daß die Gesetzesparagraphen davon ausgehen, daß der Mann, solange die Ehe besteht, ihre Auslegung nicht mißbrauchen wird. So steht dem Mann be- kanntlich allein das Entscheidungsrecht in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu, und die Frau kann nur im Falle der Schei- dung ihre Sache vor den Richter bringen. Das schließt in sich die Bestimmung des Wohnortes, die Erlaubnis zur Berufsarbeit der Frau. Das Ver- mögen der Frau wird, wenn nicht ein besonderer

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/9>, abgerufen am 25.11.2024.