Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

Bild:
<< vorherige Seite

Erlebens des Weltkrieges, es fortan unmöglich ist,
der Frau die tätige Anteilnahme als Volksgenossin
zu versagen. Ihr bisheriges Ideal der Nur-Hausfrau
kann demnach in einer Zeit nicht aufrecht erhalten
werden, in welcher der Staat "der freien und freu-
digen Mitarbeit aller Glieder des Volkes bedarf"
(Osterbotschaft 1917).

Es ist offenbar, daß sich innerhalb der Par-
teien ein Wandel in der Stellung zur Frauenfrage
im allgemeinen und zum Frauenstimmrecht im be-
sonderen vollzieht.

Dasselbe ist in Regierungskreisen der Fall, wo
man die sachverständige Mitarbeit der Frau auf wich-
tigsten Gebieten der Kriegswirtschaft anerkannt hat,
ohne jedoch daraus die Folgerungen für die Ge-
währung politischer Rechte an die Frauen zu ziehen.
Die Niederschläge solcher Wandlungen werden erst
im Laufe der Zeit vollkommen abzuschätzen sein.

Die programmatische Stellung der gegenwärtig
führenden Parteien ist in kurzen Umrissen wie folgt
darzustellen: Die sozialdemokratischen Parteien bei-
der Richtungen sind die einzigen, welche die Forde-
rung des Frauenstimmrechts vollständig in ihr Pro-
grarnm aufgenommen haben. Bebel hatte es schon
1875 beantragt. Diese Parteien haben im Reichstag
und Abgeordnetenhaus zwar das Frauenstimmrecht
befürwortet, aber obgleich die sozialdemokratische
Partei die größte Zahl der weiblichen Mitglieder
aufweist, kann man aus der Tatsache, daß vor jedem
sozialdemokratischen Parteitag besondere Frauenkon-
ferenzen stattgefunden haben, schließen, daß eine
gleichwertige Beurteilung den Frauenfragen nicht von
seiten aller Parteigenossen zuteil wird. Die demo-
kratische Partei, welche über keinen parlamentari-
schen Vertreter verfügt, bekennt sich ebenfalls rück-
haltslos zum Frauenstimmrecht. Was den Liberalis-

Erlebens des Weltkrieges, es fortan unmöglich ist,
der Frau die tätige Anteilnahme als Volksgenossin
zu versagen. Ihr bisheriges Ideal der Nur-Hausfrau
kann demnach in einer Zeit nicht aufrecht erhalten
werden, in welcher der Staat „der freien und freu-
digen Mitarbeit aller Glieder des Volkes bedarf‟
(Osterbotschaft 1917).

Es ist offenbar, daß sich innerhalb der Par-
teien ein Wandel in der Stellung zur Frauenfrage
im allgemeinen und zum Frauenstimmrecht im be-
sonderen vollzieht.

Dasselbe ist in Regierungskreisen der Fall, wo
man die sachverständige Mitarbeit der Frau auf wich-
tigsten Gebieten der Kriegswirtschaft anerkannt hat,
ohne jedoch daraus die Folgerungen für die Ge-
währung politischer Rechte an die Frauen zu ziehen.
Die Niederschläge solcher Wandlungen werden erst
im Laufe der Zeit vollkommen abzuschätzen sein.

Die programmatische Stellung der gegenwärtig
führenden Parteien ist in kurzen Umrissen wie folgt
darzustellen: Die sozialdemokratischen Parteien bei-
der Richtungen sind die einzigen, welche die Forde-
rung des Frauenstimmrechts vollständig in ihr Pro-
grarnm aufgenommen haben. Bebel hatte es schon
1875 beantragt. Diese Parteien haben im Reichstag
und Abgeordnetenhaus zwar das Frauenstimmrecht
befürwortet, aber obgleich die sozialdemokratische
Partei die größte Zahl der weiblichen Mitglieder
aufweist, kann man aus der Tatsache, daß vor jedem
sozialdemokratischen Parteitag besondere Frauenkon-
ferenzen stattgefunden haben, schließen, daß eine
gleichwertige Beurteilung den Frauenfragen nicht von
seiten aller Parteigenossen zuteil wird. Die demo-
kratische Partei, welche über keinen parlamentari-
schen Vertreter verfügt, bekennt sich ebenfalls rück-
haltslos zum Frauenstimmrecht. Was den Liberalis-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0040" n="40"/>
Erlebens des Weltkrieges, es fortan unmöglich ist,<lb/>
der Frau die tätige Anteilnahme als Volksgenossin<lb/>
zu versagen. Ihr bisheriges Ideal der Nur-Hausfrau<lb/>
kann demnach in einer Zeit nicht aufrecht erhalten<lb/>
werden, in welcher der Staat &#x201E;der freien und freu-<lb/>
digen Mitarbeit aller Glieder des Volkes bedarf&#x201F;<lb/>
(Osterbotschaft 1917).</p><lb/>
      <p>Es ist offenbar, daß sich innerhalb der Par-<lb/>
teien ein Wandel in der Stellung zur Frauenfrage<lb/>
im allgemeinen und zum Frauenstimmrecht im be-<lb/>
sonderen vollzieht.</p><lb/>
      <p>Dasselbe ist in Regierungskreisen der Fall, wo<lb/>
man die sachverständige Mitarbeit der Frau auf wich-<lb/>
tigsten Gebieten der Kriegswirtschaft anerkannt hat,<lb/>
ohne jedoch daraus die Folgerungen für die Ge-<lb/>
währung politischer Rechte an die Frauen zu ziehen.<lb/>
Die Niederschläge solcher Wandlungen werden erst<lb/>
im Laufe der Zeit vollkommen abzuschätzen sein.</p><lb/>
      <p>Die programmatische Stellung der gegenwärtig<lb/>
führenden Parteien ist in kurzen Umrissen wie folgt<lb/>
darzustellen: Die sozialdemokratischen Parteien bei-<lb/>
der Richtungen sind die einzigen, welche die Forde-<lb/>
rung des Frauenstimmrechts vollständig in ihr Pro-<lb/>
grarnm aufgenommen haben. <hi rendition="#g">Bebel</hi> hatte es schon<lb/>
1875 beantragt. Diese Parteien haben im Reichstag<lb/>
und Abgeordnetenhaus zwar das Frauenstimmrecht<lb/>
befürwortet, aber obgleich die sozialdemokratische<lb/>
Partei die größte Zahl der weiblichen Mitglieder<lb/>
aufweist, kann man aus der Tatsache, daß vor jedem<lb/>
sozialdemokratischen Parteitag besondere Frauenkon-<lb/>
ferenzen stattgefunden haben, schließen, daß eine<lb/>
gleichwertige Beurteilung den Frauenfragen nicht von<lb/>
seiten aller Parteigenossen zuteil wird. Die demo-<lb/>
kratische Partei, welche über keinen parlamentari-<lb/>
schen Vertreter verfügt, bekennt sich ebenfalls rück-<lb/>
haltslos zum Frauenstimmrecht. Was den Liberalis-<lb/>
&#x2003;
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0040] Erlebens des Weltkrieges, es fortan unmöglich ist, der Frau die tätige Anteilnahme als Volksgenossin zu versagen. Ihr bisheriges Ideal der Nur-Hausfrau kann demnach in einer Zeit nicht aufrecht erhalten werden, in welcher der Staat „der freien und freu- digen Mitarbeit aller Glieder des Volkes bedarf‟ (Osterbotschaft 1917). Es ist offenbar, daß sich innerhalb der Par- teien ein Wandel in der Stellung zur Frauenfrage im allgemeinen und zum Frauenstimmrecht im be- sonderen vollzieht. Dasselbe ist in Regierungskreisen der Fall, wo man die sachverständige Mitarbeit der Frau auf wich- tigsten Gebieten der Kriegswirtschaft anerkannt hat, ohne jedoch daraus die Folgerungen für die Ge- währung politischer Rechte an die Frauen zu ziehen. Die Niederschläge solcher Wandlungen werden erst im Laufe der Zeit vollkommen abzuschätzen sein. Die programmatische Stellung der gegenwärtig führenden Parteien ist in kurzen Umrissen wie folgt darzustellen: Die sozialdemokratischen Parteien bei- der Richtungen sind die einzigen, welche die Forde- rung des Frauenstimmrechts vollständig in ihr Pro- grarnm aufgenommen haben. Bebel hatte es schon 1875 beantragt. Diese Parteien haben im Reichstag und Abgeordnetenhaus zwar das Frauenstimmrecht befürwortet, aber obgleich die sozialdemokratische Partei die größte Zahl der weiblichen Mitglieder aufweist, kann man aus der Tatsache, daß vor jedem sozialdemokratischen Parteitag besondere Frauenkon- ferenzen stattgefunden haben, schließen, daß eine gleichwertige Beurteilung den Frauenfragen nicht von seiten aller Parteigenossen zuteil wird. Die demo- kratische Partei, welche über keinen parlamentari- schen Vertreter verfügt, bekennt sich ebenfalls rück- haltslos zum Frauenstimmrecht. Was den Liberalis-  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-06-26T14:08:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-26T14:08:50Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/40
Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/40>, abgerufen am 25.11.2024.