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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Die Darstellung des Schweisseisens.
klar gelegt hatte, auf denen die Reduction des Eisens aus den Erzen
beruht. Zahlreiche Methoden für Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den
Erzen sind im Laufe des Jahrhunderts vorgeschlagen worden; verhältniss-
mässig wenige derselben gelangten über das Versuchsstadium hinaus;
die meisten scheiterten entweder an der Kostspieligkeit des Verfahrens,
oder an der mangelhaften Beschaffenheit des erzeugten Eisens, oder an
beiden Klippen zugleich. Derjenige dieser neueren Processe, welcher
die meiste Aussicht auf längere Lebensdauer, wenn auch nicht auf
eine sehr ausgebreitete Anwendung besitzt, der Siemensprocess, ist in
Vorstehendem bereits ausführlicher besprochen worden; einige andere,
welche wenigstens nicht ganz bedeutungslos im Strome der Zeit ver-
schwanden, sollen in Folgendem ihrem Wesen nach kurze Erörte-
rung finden.

Chenot's Process. Derselbe, von dem Franzosen Adrien
Chenot
erfunden, besteht in einer Reduction reicher Eisenerze durch
Glühen mit beigemischter Holzkohle in senkrechten gemauerten Retorten
von 8.5 m Höhe, 2 m Länge, 0.5 m Breite, welche, ähnlich wie die
Retorten der Appolt'schen Verkokungsöfen (S. 65) in einem Rauh-
gemäuer eingebaut sind, durch herumlaufende Feuerzüge von aussen
erhitzt und nach unten entleert werden. Das herausstürzende reducirte
Eisen fällt zunächst in einen Abkühlungsraum, in welchem es vor der
Berührung mit der Luft und somit vor Oxydation geschützt ist.

Das zu reducirende Erz wird zu Stücken von etwa 30 ccm zer-
kleint und mit ungefähr soviel Holzkohle gemischt als zur Reduction
theoretisch erforderlich sein würde, wenn man den reinen Kohlenstoff-
gehalt der Holzkohle als Reductionsmittel betrachtet und annimmt, dass
derselbe zu Kohlenoxyd verbrannt werde (bei 55 Proc. Eisengehalt des
Erzes mischte man zu 1000 Gewichtsthl. Erzen ungefähr 200 Gewichtsthl.
Holzkohle). Die Reductionszeit beträgt 2--3 Tage, der Fassungsraum
einer Retorte 4500 kg, so dass also die durchschnittliche tägliche Durch-
satzmenge einer Retorte sich auf etwa 1500--2000 kg Erz beziffert. 1)
Der Brennstoffverbrauch zum Heizen der Retorten betrug bei dem schon
erwähnten Eisenwerke zu d'El Desierto im Jahre 1879 durchschnitt-
lich 630 kg Steinkohlen per 1000 kg erzeugten Eisens, der Verbrauch
an Reductionskohle (Kohlenlösche) 320 kg.

Es entsteht bei diesem Verfahren ein Eisenschwamm, weich, porös
und leicht oxydirbar, dessen specifisches Gewicht nicht erheblich höher
ist als 1.25. Unter einem Drucke von 3000 Atmosphären lässt sich
derselbe alsdann kalt auf 1/5 seines ursprünglichen Rauminhaltes zu-
sammendrücken, wodurch seine für die weitere Verarbeitung ausser-
ordentlich nachtheilige Leichtoxydirbarkeit abgemindert wird.

Der Umstand, dass eine Schmelzung bei diesem Verfahren über-
haupt nicht stattfindet, die sämmtlichen fremden Bestandtheile des Erzes
mithin auch dem entstehenden Eisenschwamm beigemengt bleiben,
knüpft die Möglichkeit der Durchführung des Verfahrens an das Vor-
handensein sehr reiner, insbesondere auch phosphorfreier Erze. Andern-

1) Auf dem Werke d'El Desierto bei Bilbao lieferte ein Ofen im Jahre 1879
wöchentlich 10 t reducirtes Eisen, für dessen Darstellung 17.5 t Erz durchgesetzt
werden mussten.

Die Darstellung des Schweisseisens.
klar gelegt hatte, auf denen die Reduction des Eisens aus den Erzen
beruht. Zahlreiche Methoden für Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den
Erzen sind im Laufe des Jahrhunderts vorgeschlagen worden; verhältniss-
mässig wenige derselben gelangten über das Versuchsstadium hinaus;
die meisten scheiterten entweder an der Kostspieligkeit des Verfahrens,
oder an der mangelhaften Beschaffenheit des erzeugten Eisens, oder an
beiden Klippen zugleich. Derjenige dieser neueren Processe, welcher
die meiste Aussicht auf längere Lebensdauer, wenn auch nicht auf
eine sehr ausgebreitete Anwendung besitzt, der Siemensprocess, ist in
Vorstehendem bereits ausführlicher besprochen worden; einige andere,
welche wenigstens nicht ganz bedeutungslos im Strome der Zeit ver-
schwanden, sollen in Folgendem ihrem Wesen nach kurze Erörte-
rung finden.

Chenot’s Process. Derselbe, von dem Franzosen Adrien
Chenot
erfunden, besteht in einer Reduction reicher Eisenerze durch
Glühen mit beigemischter Holzkohle in senkrechten gemauerten Retorten
von 8.5 m Höhe, 2 m Länge, 0.5 m Breite, welche, ähnlich wie die
Retorten der Appolt’schen Verkokungsöfen (S. 65) in einem Rauh-
gemäuer eingebaut sind, durch herumlaufende Feuerzüge von aussen
erhitzt und nach unten entleert werden. Das herausstürzende reducirte
Eisen fällt zunächst in einen Abkühlungsraum, in welchem es vor der
Berührung mit der Luft und somit vor Oxydation geschützt ist.

Das zu reducirende Erz wird zu Stücken von etwa 30 ccm zer-
kleint und mit ungefähr soviel Holzkohle gemischt als zur Reduction
theoretisch erforderlich sein würde, wenn man den reinen Kohlenstoff-
gehalt der Holzkohle als Reductionsmittel betrachtet und annimmt, dass
derselbe zu Kohlenoxyd verbrannt werde (bei 55 Proc. Eisengehalt des
Erzes mischte man zu 1000 Gewichtsthl. Erzen ungefähr 200 Gewichtsthl.
Holzkohle). Die Reductionszeit beträgt 2—3 Tage, der Fassungsraum
einer Retorte 4500 kg, so dass also die durchschnittliche tägliche Durch-
satzmenge einer Retorte sich auf etwa 1500—2000 kg Erz beziffert. 1)
Der Brennstoffverbrauch zum Heizen der Retorten betrug bei dem schon
erwähnten Eisenwerke zu d’El Desierto im Jahre 1879 durchschnitt-
lich 630 kg Steinkohlen per 1000 kg erzeugten Eisens, der Verbrauch
an Reductionskohle (Kohlenlösche) 320 kg.

Es entsteht bei diesem Verfahren ein Eisenschwamm, weich, porös
und leicht oxydirbar, dessen specifisches Gewicht nicht erheblich höher
ist als 1.25. Unter einem Drucke von 3000 Atmosphären lässt sich
derselbe alsdann kalt auf ⅕ seines ursprünglichen Rauminhaltes zu-
sammendrücken, wodurch seine für die weitere Verarbeitung ausser-
ordentlich nachtheilige Leichtoxydirbarkeit abgemindert wird.

Der Umstand, dass eine Schmelzung bei diesem Verfahren über-
haupt nicht stattfindet, die sämmtlichen fremden Bestandtheile des Erzes
mithin auch dem entstehenden Eisenschwamm beigemengt bleiben,
knüpft die Möglichkeit der Durchführung des Verfahrens an das Vor-
handensein sehr reiner, insbesondere auch phosphorfreier Erze. Andern-

1) Auf dem Werke d’El Desierto bei Bilbao lieferte ein Ofen im Jahre 1879
wöchentlich 10 t reducirtes Eisen, für dessen Darstellung 17.5 t Erz durchgesetzt
werden mussten.
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[754/0826] Die Darstellung des Schweisseisens. klar gelegt hatte, auf denen die Reduction des Eisens aus den Erzen beruht. Zahlreiche Methoden für Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den Erzen sind im Laufe des Jahrhunderts vorgeschlagen worden; verhältniss- mässig wenige derselben gelangten über das Versuchsstadium hinaus; die meisten scheiterten entweder an der Kostspieligkeit des Verfahrens, oder an der mangelhaften Beschaffenheit des erzeugten Eisens, oder an beiden Klippen zugleich. Derjenige dieser neueren Processe, welcher die meiste Aussicht auf längere Lebensdauer, wenn auch nicht auf eine sehr ausgebreitete Anwendung besitzt, der Siemensprocess, ist in Vorstehendem bereits ausführlicher besprochen worden; einige andere, welche wenigstens nicht ganz bedeutungslos im Strome der Zeit ver- schwanden, sollen in Folgendem ihrem Wesen nach kurze Erörte- rung finden. Chenot’s Process. Derselbe, von dem Franzosen Adrien Chenot erfunden, besteht in einer Reduction reicher Eisenerze durch Glühen mit beigemischter Holzkohle in senkrechten gemauerten Retorten von 8.5 m Höhe, 2 m Länge, 0.5 m Breite, welche, ähnlich wie die Retorten der Appolt’schen Verkokungsöfen (S. 65) in einem Rauh- gemäuer eingebaut sind, durch herumlaufende Feuerzüge von aussen erhitzt und nach unten entleert werden. Das herausstürzende reducirte Eisen fällt zunächst in einen Abkühlungsraum, in welchem es vor der Berührung mit der Luft und somit vor Oxydation geschützt ist. Das zu reducirende Erz wird zu Stücken von etwa 30 ccm zer- kleint und mit ungefähr soviel Holzkohle gemischt als zur Reduction theoretisch erforderlich sein würde, wenn man den reinen Kohlenstoff- gehalt der Holzkohle als Reductionsmittel betrachtet und annimmt, dass derselbe zu Kohlenoxyd verbrannt werde (bei 55 Proc. Eisengehalt des Erzes mischte man zu 1000 Gewichtsthl. Erzen ungefähr 200 Gewichtsthl. Holzkohle). Die Reductionszeit beträgt 2—3 Tage, der Fassungsraum einer Retorte 4500 kg, so dass also die durchschnittliche tägliche Durch- satzmenge einer Retorte sich auf etwa 1500—2000 kg Erz beziffert. 1) Der Brennstoffverbrauch zum Heizen der Retorten betrug bei dem schon erwähnten Eisenwerke zu d’El Desierto im Jahre 1879 durchschnitt- lich 630 kg Steinkohlen per 1000 kg erzeugten Eisens, der Verbrauch an Reductionskohle (Kohlenlösche) 320 kg. Es entsteht bei diesem Verfahren ein Eisenschwamm, weich, porös und leicht oxydirbar, dessen specifisches Gewicht nicht erheblich höher ist als 1.25. Unter einem Drucke von 3000 Atmosphären lässt sich derselbe alsdann kalt auf ⅕ seines ursprünglichen Rauminhaltes zu- sammendrücken, wodurch seine für die weitere Verarbeitung ausser- ordentlich nachtheilige Leichtoxydirbarkeit abgemindert wird. Der Umstand, dass eine Schmelzung bei diesem Verfahren über- haupt nicht stattfindet, die sämmtlichen fremden Bestandtheile des Erzes mithin auch dem entstehenden Eisenschwamm beigemengt bleiben, knüpft die Möglichkeit der Durchführung des Verfahrens an das Vor- handensein sehr reiner, insbesondere auch phosphorfreier Erze. Andern- 1) Auf dem Werke d’El Desierto bei Bilbao lieferte ein Ofen im Jahre 1879 wöchentlich 10 t reducirtes Eisen, für dessen Darstellung 17.5 t Erz durchgesetzt werden mussten.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/826>, abgerufen am 23.07.2024.