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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
Je grösser der Coefficient ist, je geringer also der Druck, desto zahl-
reichere Kaliber sind erforderlich.

In der Praxis nun pflegt man bei der Construction der Kaliber
nicht einen bestimmten Abnahmecoefficienten als maassgebend für die
Zahl der Kaliber anzunehmen, sondern man schlägt den umgekehrten
Weg ein: nach den bereits vorliegenden Erfahrungen mit ähnlichen
Profilen bestimmt man zunächst die Anzahl der erforderlichen Stiche
oder Kaliber, und aus dieser lässt sich dann leicht, da die Querschnitte
des ersten und letzten Kalibers gegeben sind, der durchschnittliche
Abnahmecoefficient berechnen. Ist der Anfangsquerschnitt = H, der
Endquerschnitt = h und die Anzahl der Stiche = n, so ist der Ab-
nahmecoefficient a = [Formel 1] .

Je weicher, bildsamer das zu walzende Eisen, je grösser die
Arbeitsleistung der Maschine und je grösser die Umfangsgeschwindig-
keit der Walzen ist, je rascher also die letzteren strecken und je
weniger das Eisen während des Streckens abgekühlt wird, desto kleiner
kann der Abnahmecoefficient, desto geringer die Anzahl der Kaliber
sein. Kohlenstoff- und schwefelarmes Schweisseisen erträgt starke Ab-
nahme, rothbrüchiges Eisen oder harter Stahl geringe.

In den meisten Fällen schwankt der Abnahmecoefficient zwischen
0.7 und 0.9 und beträgt durchschnittlich bei der ganzen Reihe der zu
einander gehörigen Kaliber annähernd 0.8. Betrachtet man jedoch die
Abnahmecoefficienten einer solchen Reihe einzeln, so zeigt sich, dass
dieselben keineswegs immer übereinstimmen. Bisweilen, wo die Kalibri-
rung rein empirisch vorgenommen wurde, bewegen sich jene Ab-
weichungen in ganz zufälligen, regellosen Schwankungen; in anderen
Fällen dagegen haben die stattfindenden Abweichungen ihre volle Be-
rechtigung und lassen eine gewisse Gesetzmässigkeit erkennen. In dem
ersten Kaliber ist das Walzstück am heissesten, am weichsten; je mehr
Kaliber es durchläuft, desto mehr wird es abgekühlt und desto härter
wird es, desto grösser ist also auch der erforderliche Arbeitsaufwand,
um den Stab durch das Kaliber hindurchzuführen. Dieser Umstand
könnte es mithin rechtfertigen, wenn der Abnahmecoefficient stetig zu-,
der Druck der Kaliber stetig abnehme.

Andererseits giebt man, um einem Zerbrechen der Walze thun-
lichst vorzubeugen, den in der Mitte gelegenen Kalibern gern einen
etwas weniger starken Druck, also einen grösseren Abnahmecoefficienten,
als denjenigen, welche in der Nähe der Walzenenden angeordnet sind.

Auf graphischem Wege kann man unschwer dahin gelangen, bei
Bemessung der Kaliberquerschnitte diesen Umständen Rechnung zu
tragen. In allen Fällen muss entweder die Anzahl der Stiche oder der
durchschnittliche Abnahmecoefficient als gegeben betrachtet werden;
ferner ist die Grösse des ersten und des letzten Kaliberquerschnittes
gegeben. Unter der vorläufigen Annahme, dass der Abnahmecoefficient
bei allen Kalibern unverändert bleibe, lässt sich alsdann leicht die
Grösse der einzelnen Kaliber berechnen. Trägt man nun die Anzahl der
erforderlichen Stiche als Abscisse, die Grösse der Kaliberquerschnitte
als Ordinaten eines rechtwinkligen Coordinatensystems auf, so erhält

Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen.
Je grösser der Coëfficient ist, je geringer also der Druck, desto zahl-
reichere Kaliber sind erforderlich.

In der Praxis nun pflegt man bei der Construction der Kaliber
nicht einen bestimmten Abnahmecoëfficienten als maassgebend für die
Zahl der Kaliber anzunehmen, sondern man schlägt den umgekehrten
Weg ein: nach den bereits vorliegenden Erfahrungen mit ähnlichen
Profilen bestimmt man zunächst die Anzahl der erforderlichen Stiche
oder Kaliber, und aus dieser lässt sich dann leicht, da die Querschnitte
des ersten und letzten Kalibers gegeben sind, der durchschnittliche
Abnahmecoëfficient berechnen. Ist der Anfangsquerschnitt = H, der
Endquerschnitt = h und die Anzahl der Stiche = n, so ist der Ab-
nahmecoëfficient α = [Formel 1] .

Je weicher, bildsamer das zu walzende Eisen, je grösser die
Arbeitsleistung der Maschine und je grösser die Umfangsgeschwindig-
keit der Walzen ist, je rascher also die letzteren strecken und je
weniger das Eisen während des Streckens abgekühlt wird, desto kleiner
kann der Abnahmecoëfficient, desto geringer die Anzahl der Kaliber
sein. Kohlenstoff- und schwefelarmes Schweisseisen erträgt starke Ab-
nahme, rothbrüchiges Eisen oder harter Stahl geringe.

In den meisten Fällen schwankt der Abnahmecoëfficient zwischen
0.7 und 0.9 und beträgt durchschnittlich bei der ganzen Reihe der zu
einander gehörigen Kaliber annähernd 0.8. Betrachtet man jedoch die
Abnahmecoëfficienten einer solchen Reihe einzeln, so zeigt sich, dass
dieselben keineswegs immer übereinstimmen. Bisweilen, wo die Kalibri-
rung rein empirisch vorgenommen wurde, bewegen sich jene Ab-
weichungen in ganz zufälligen, regellosen Schwankungen; in anderen
Fällen dagegen haben die stattfindenden Abweichungen ihre volle Be-
rechtigung und lassen eine gewisse Gesetzmässigkeit erkennen. In dem
ersten Kaliber ist das Walzstück am heissesten, am weichsten; je mehr
Kaliber es durchläuft, desto mehr wird es abgekühlt und desto härter
wird es, desto grösser ist also auch der erforderliche Arbeitsaufwand,
um den Stab durch das Kaliber hindurchzuführen. Dieser Umstand
könnte es mithin rechtfertigen, wenn der Abnahmecoëfficient stetig zu-,
der Druck der Kaliber stetig abnehme.

Andererseits giebt man, um einem Zerbrechen der Walze thun-
lichst vorzubeugen, den in der Mitte gelegenen Kalibern gern einen
etwas weniger starken Druck, also einen grösseren Abnahmecoëfficienten,
als denjenigen, welche in der Nähe der Walzenenden angeordnet sind.

Auf graphischem Wege kann man unschwer dahin gelangen, bei
Bemessung der Kaliberquerschnitte diesen Umständen Rechnung zu
tragen. In allen Fällen muss entweder die Anzahl der Stiche oder der
durchschnittliche Abnahmecoëfficient als gegeben betrachtet werden;
ferner ist die Grösse des ersten und des letzten Kaliberquerschnittes
gegeben. Unter der vorläufigen Annahme, dass der Abnahmecoëfficient
bei allen Kalibern unverändert bleibe, lässt sich alsdann leicht die
Grösse der einzelnen Kaliber berechnen. Trägt man nun die Anzahl der
erforderlichen Stiche als Abscisse, die Grösse der Kaliberquerschnitte
als Ordinaten eines rechtwinkligen Coordinatensystems auf, so erhält

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[725/0795] Walzwerke. Die Kalibrirung der Walzen. Je grösser der Coëfficient ist, je geringer also der Druck, desto zahl- reichere Kaliber sind erforderlich. In der Praxis nun pflegt man bei der Construction der Kaliber nicht einen bestimmten Abnahmecoëfficienten als maassgebend für die Zahl der Kaliber anzunehmen, sondern man schlägt den umgekehrten Weg ein: nach den bereits vorliegenden Erfahrungen mit ähnlichen Profilen bestimmt man zunächst die Anzahl der erforderlichen Stiche oder Kaliber, und aus dieser lässt sich dann leicht, da die Querschnitte des ersten und letzten Kalibers gegeben sind, der durchschnittliche Abnahmecoëfficient berechnen. Ist der Anfangsquerschnitt = H, der Endquerschnitt = h und die Anzahl der Stiche = n, so ist der Ab- nahmecoëfficient α = [FORMEL]. Je weicher, bildsamer das zu walzende Eisen, je grösser die Arbeitsleistung der Maschine und je grösser die Umfangsgeschwindig- keit der Walzen ist, je rascher also die letzteren strecken und je weniger das Eisen während des Streckens abgekühlt wird, desto kleiner kann der Abnahmecoëfficient, desto geringer die Anzahl der Kaliber sein. Kohlenstoff- und schwefelarmes Schweisseisen erträgt starke Ab- nahme, rothbrüchiges Eisen oder harter Stahl geringe. In den meisten Fällen schwankt der Abnahmecoëfficient zwischen 0.7 und 0.9 und beträgt durchschnittlich bei der ganzen Reihe der zu einander gehörigen Kaliber annähernd 0.8. Betrachtet man jedoch die Abnahmecoëfficienten einer solchen Reihe einzeln, so zeigt sich, dass dieselben keineswegs immer übereinstimmen. Bisweilen, wo die Kalibri- rung rein empirisch vorgenommen wurde, bewegen sich jene Ab- weichungen in ganz zufälligen, regellosen Schwankungen; in anderen Fällen dagegen haben die stattfindenden Abweichungen ihre volle Be- rechtigung und lassen eine gewisse Gesetzmässigkeit erkennen. In dem ersten Kaliber ist das Walzstück am heissesten, am weichsten; je mehr Kaliber es durchläuft, desto mehr wird es abgekühlt und desto härter wird es, desto grösser ist also auch der erforderliche Arbeitsaufwand, um den Stab durch das Kaliber hindurchzuführen. Dieser Umstand könnte es mithin rechtfertigen, wenn der Abnahmecoëfficient stetig zu-, der Druck der Kaliber stetig abnehme. Andererseits giebt man, um einem Zerbrechen der Walze thun- lichst vorzubeugen, den in der Mitte gelegenen Kalibern gern einen etwas weniger starken Druck, also einen grösseren Abnahmecoëfficienten, als denjenigen, welche in der Nähe der Walzenenden angeordnet sind. Auf graphischem Wege kann man unschwer dahin gelangen, bei Bemessung der Kaliberquerschnitte diesen Umständen Rechnung zu tragen. In allen Fällen muss entweder die Anzahl der Stiche oder der durchschnittliche Abnahmecoëfficient als gegeben betrachtet werden; ferner ist die Grösse des ersten und des letzten Kaliberquerschnittes gegeben. Unter der vorläufigen Annahme, dass der Abnahmecoëfficient bei allen Kalibern unverändert bleibe, lässt sich alsdann leicht die Grösse der einzelnen Kaliber berechnen. Trägt man nun die Anzahl der erforderlichen Stiche als Abscisse, die Grösse der Kaliberquerschnitte als Ordinaten eines rechtwinkligen Coordinatensystems auf, so erhält

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/795>, abgerufen am 25.11.2024.