Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Bessemereisen mit 0.23 Proc. Kohlenstoff, 0.30 Proc. Silicium, 0.09 Proc. Phosphor, 0.86 Proc. Mangan, 0.05 Proc. Schwefel.
[Tabelle]
Die grösste Ausdehnungsfähigkeit lag demnach in den Tempera- turen zwischen 400 und 500 Grad. Dass übrigens die Beeinflussung, welche die Zähigkeit und Dehnbarkeit des Eisens durch Temperatur- wechsel erleiden, auch sehr wesentlich von der chemischen Zusammen- setzung desselben abhängt, beweist das Verhalten des rothbrüchigen (schwefel- oder sauerstoffhaltigen) Eisens, bei welchem das Maass dieser Eigenschaften in Rothgluth am geringsten ist und wieder zunimmt, wenn die Temperatur auf Weissgluth gesteigert wird.
Vielfach will man schon seit früherer Zeit die Beobachtung ge- macht haben, dass Eisen, welches anhaltenden Erschütterungen aus- gesetzt ist, z. B. Achsen von Eisenbahnwagen, Krahnketten u. s. w., infolge einer Aenderung seines Gefüges an Festigkeit und Zähigkeit einbüsse; insbesondere auch, dass sehniges zähes Eisen auf diese Weise allmählich in körniges, sprödes Eisen umgewandelt werde und dass in diesem Vorgange mitunter die Ursache vorgekommener Brüche von Gegenständen zu suchen sei, welche Jahrzehnte hindurch, ohne zu brechen, ihrem Zwecke genügt hatten. Die anhaltende Erschütterung würde also in diesem Falle eine ganz ähnliche Einwirkung ausüben wie Erhitzung bis nahe zum Schmelzpunkte und allmähliches Abkühlen (Verbrennen des Eisens; vergl. S. 642).
Da es, wenn ein Bruch erfolgt ist und das Eisen an dieser Stelle körniges Gefüge zeigt, gewöhnlich unmöglich ist, nachzuweisen, ob nicht doch dieses Gefüge schon von Anfang an bestanden habe und der Bruch durch irgend eine Zufälligkeit herbeigeführt worden sei, so ist die Frage noch keineswegs mit Sicherheit beantwortet, ob in Wirk- lichkeit eine derartige Aenderung der Eigenschaften des Eisens mög- lich sei. Versuche, welche durch Bauschinger im Jahre 1878 über die Beschaffenheit von Kettengliedern einer im Jahre 1829 erbauten Bamberger Kettenbrücke angestellt wurden, weisen auf eine Beant- wortung jener Frage im verneinenden Sinne hin. Da hier noch Re- servekettenglieder aus der Zeit der Herstellung der Brücke vorhanden waren, welche aus demselben Materiale als die benutzten gefertigt worden und inzwischen unbenutzt geblieben waren, so lag hier der seltene Fall vor, dass ein zuverlässiger Vergleich des benutzten und unbenutzten Eisens sich ermöglichen liess. Die Versuche ergaben:
Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Bessemereisen mit 0.23 Proc. Kohlenstoff, 0.30 Proc. Silicium, 0.09 Proc. Phosphor, 0.86 Proc. Mangan, 0.05 Proc. Schwefel.
[Tabelle]
Die grösste Ausdehnungsfähigkeit lag demnach in den Tempera- turen zwischen 400 und 500 Grad. Dass übrigens die Beeinflussung, welche die Zähigkeit und Dehnbarkeit des Eisens durch Temperatur- wechsel erleiden, auch sehr wesentlich von der chemischen Zusammen- setzung desselben abhängt, beweist das Verhalten des rothbrüchigen (schwefel- oder sauerstoffhaltigen) Eisens, bei welchem das Maass dieser Eigenschaften in Rothgluth am geringsten ist und wieder zunimmt, wenn die Temperatur auf Weissgluth gesteigert wird.
Vielfach will man schon seit früherer Zeit die Beobachtung ge- macht haben, dass Eisen, welches anhaltenden Erschütterungen aus- gesetzt ist, z. B. Achsen von Eisenbahnwagen, Krahnketten u. s. w., infolge einer Aenderung seines Gefüges an Festigkeit und Zähigkeit einbüsse; insbesondere auch, dass sehniges zähes Eisen auf diese Weise allmählich in körniges, sprödes Eisen umgewandelt werde und dass in diesem Vorgange mitunter die Ursache vorgekommener Brüche von Gegenständen zu suchen sei, welche Jahrzehnte hindurch, ohne zu brechen, ihrem Zwecke genügt hatten. Die anhaltende Erschütterung würde also in diesem Falle eine ganz ähnliche Einwirkung ausüben wie Erhitzung bis nahe zum Schmelzpunkte und allmähliches Abkühlen (Verbrennen des Eisens; vergl. S. 642).
Da es, wenn ein Bruch erfolgt ist und das Eisen an dieser Stelle körniges Gefüge zeigt, gewöhnlich unmöglich ist, nachzuweisen, ob nicht doch dieses Gefüge schon von Anfang an bestanden habe und der Bruch durch irgend eine Zufälligkeit herbeigeführt worden sei, so ist die Frage noch keineswegs mit Sicherheit beantwortet, ob in Wirk- lichkeit eine derartige Aenderung der Eigenschaften des Eisens mög- lich sei. Versuche, welche durch Bauschinger im Jahre 1878 über die Beschaffenheit von Kettengliedern einer im Jahre 1829 erbauten Bamberger Kettenbrücke angestellt wurden, weisen auf eine Beant- wortung jener Frage im verneinenden Sinne hin. Da hier noch Re- servekettenglieder aus der Zeit der Herstellung der Brücke vorhanden waren, welche aus demselben Materiale als die benutzten gefertigt worden und inzwischen unbenutzt geblieben waren, so lag hier der seltene Fall vor, dass ein zuverlässiger Vergleich des benutzten und unbenutzten Eisens sich ermöglichen liess. Die Versuche ergaben:
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Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Bessemereisen mit 0.23 Proc. Kohlenstoff, 0.30 Proc. Silicium,
0.09 Proc. Phosphor, 0.86 Proc. Mangan, 0.05 Proc. Schwefel.
Die grösste Ausdehnungsfähigkeit lag demnach in den Tempera-
turen zwischen 400 und 500 Grad. Dass übrigens die Beeinflussung,
welche die Zähigkeit und Dehnbarkeit des Eisens durch Temperatur-
wechsel erleiden, auch sehr wesentlich von der chemischen Zusammen-
setzung desselben abhängt, beweist das Verhalten des rothbrüchigen
(schwefel- oder sauerstoffhaltigen) Eisens, bei welchem das Maass dieser
Eigenschaften in Rothgluth am geringsten ist und wieder zunimmt,
wenn die Temperatur auf Weissgluth gesteigert wird.
Vielfach will man schon seit früherer Zeit die Beobachtung ge-
macht haben, dass Eisen, welches anhaltenden Erschütterungen aus-
gesetzt ist, z. B. Achsen von Eisenbahnwagen, Krahnketten u. s. w.,
infolge einer Aenderung seines Gefüges an Festigkeit und Zähigkeit
einbüsse; insbesondere auch, dass sehniges zähes Eisen auf diese Weise
allmählich in körniges, sprödes Eisen umgewandelt werde und dass in
diesem Vorgange mitunter die Ursache vorgekommener Brüche von
Gegenständen zu suchen sei, welche Jahrzehnte hindurch, ohne zu
brechen, ihrem Zwecke genügt hatten. Die anhaltende Erschütterung
würde also in diesem Falle eine ganz ähnliche Einwirkung ausüben
wie Erhitzung bis nahe zum Schmelzpunkte und allmähliches Abkühlen
(Verbrennen des Eisens; vergl. S. 642).
Da es, wenn ein Bruch erfolgt ist und das Eisen an dieser Stelle
körniges Gefüge zeigt, gewöhnlich unmöglich ist, nachzuweisen, ob
nicht doch dieses Gefüge schon von Anfang an bestanden habe und
der Bruch durch irgend eine Zufälligkeit herbeigeführt worden sei, so
ist die Frage noch keineswegs mit Sicherheit beantwortet, ob in Wirk-
lichkeit eine derartige Aenderung der Eigenschaften des Eisens mög-
lich sei. Versuche, welche durch Bauschinger im Jahre 1878 über
die Beschaffenheit von Kettengliedern einer im Jahre 1829 erbauten
Bamberger Kettenbrücke angestellt wurden, weisen auf eine Beant-
wortung jener Frage im verneinenden Sinne hin. Da hier noch Re-
servekettenglieder aus der Zeit der Herstellung der Brücke vorhanden
waren, welche aus demselben Materiale als die benutzten gefertigt
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/728>, abgerufen am 31.01.2025.
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