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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
steigern die Härtungsfähigkeit, während Silicium keinen Einfluss in
dieser Beziehung erkennen lässt. Ueberhaupt pflegt ein Stahl auch um
so leichter härtbar zu sein, d. h. für die Härtung einer um so weniger
kräftig wirkenden Wärmeentziehung zu bedürfen, und durch die Här-
tung einen um so höheren Härtegrad zu erlangen, je grösser schon
seine Naturhärte ist.

In jedem Falle tritt Härtung überhaupt nur dann ein, wenn der
Stahl auf die Härtungstemperatur, welche bei etwa 500 Grad C. liegt1),
erhitzt worden war, ehe die Abkühlung stattfand. Eine Erhitzung auf
eine niedrigere Temperatur erzeugt nicht etwa eine schwächere Härtung,
sondern bleibt überhaupt wirkungslos; eine stärkere Erhitzung als auf
jene Härtungstemperatur ist nicht allein nutzlos, da sie keineswegs zur
Erreichung höherer Härtegrade beiträgt, sondern bewirkt auch leicht
eine Verschlechterung der Stahlbeschaffenheit. Geschieht das Härten
durch Eintauchen des glühenden Stahles in Wasser, so kann durch die
übermässige Erhitzung sogar der Erfolg des Härtens verringert werden,
indem die überschüssige, von dem Stahle aufgenommene Wärme zu-
nächst, ehe Härtung eintritt, an das Wasser abgegeben und zur Er-
wärmung desselben verbraucht wird; ist alsdann der Stahl auf die
Härtungstemperatur abgekühlt, so geht die fernere Abkühlung desselben
durch das wärmere Wasser weniger rasch vor sich, und die Härtung
fällt schwächer aus.

In der Praxis erkennt man den Zeitpunkt der Erhitzung, bei
welchem die Härtung des Stahles vorgenommen werden muss, an dem
Grade des Erglühens desselben; dunkle Rothgluth zeigt bei härterem,
Kirschrothgluth bei weicherem Stahle die geeignete Temperatur an.

Die durch Härtung erzeugte Härte vermindert sich durch Erwär-
mung des gehärteten Stahles, und der letztere nimmt seine Naturhärte
wieder an, wenn er bis zur Härtungstemperatur erhitzt und dann der
ruhigen Abkühlung überlassen wird. Das Maass, um welches bei der
Erwärmung die künstlich erzeugte Härte sich verringert, ist von dem
Grade der Erwärmung unmittelbar abhängig; eine stärkere Erwärmung
ruft stärkere Abminderung der Härte hervor, d. h. der Stahl wird
weicher, und umgekehrt. Aber auch die Zeitdauer der Erwärmung ist
hierbei von grossem Einflusse. Soll daher eine Abminderung der Härte
nur bis zu einem genau vorgeschriebenen Grade bewirkt werden, so
ist ein Ablöschen des Stahles in Wasser in dem Augenblicke erforder-
lich, wo jener Zeitpunkt erreicht ist; andernfalls würde der Stahl,
auch ohne dass die künstliche Erwärmung fortgesetzt wird, durch die
bereits aufgenommene Wärme eine fernere Einbusse an seiner Härte
erleiden.

Schon eine verhältnissmässig unbedeutende Erwärmung des Stahles
ruft, wenn sie lange fortgesetzt oder öfters wiederholt wird, eine deut-
liche Abminderung der Härte hervor. Eine gute Hausfrau weiss sehr
wohl, auch wenn sie die Ursache nicht kennt, dass Tischmesser, wenn
sie öfters in heissem statt in lauwarmem Wasser gewaschen werden,
leicht sich abstumpfen, d. h. an Härte verlieren.

1) Nach Reiser zwischen 700--800 Grad C.

Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
steigern die Härtungsfähigkeit, während Silicium keinen Einfluss in
dieser Beziehung erkennen lässt. Ueberhaupt pflegt ein Stahl auch um
so leichter härtbar zu sein, d. h. für die Härtung einer um so weniger
kräftig wirkenden Wärmeentziehung zu bedürfen, und durch die Här-
tung einen um so höheren Härtegrad zu erlangen, je grösser schon
seine Naturhärte ist.

In jedem Falle tritt Härtung überhaupt nur dann ein, wenn der
Stahl auf die Härtungstemperatur, welche bei etwa 500 Grad C. liegt1),
erhitzt worden war, ehe die Abkühlung stattfand. Eine Erhitzung auf
eine niedrigere Temperatur erzeugt nicht etwa eine schwächere Härtung,
sondern bleibt überhaupt wirkungslos; eine stärkere Erhitzung als auf
jene Härtungstemperatur ist nicht allein nutzlos, da sie keineswegs zur
Erreichung höherer Härtegrade beiträgt, sondern bewirkt auch leicht
eine Verschlechterung der Stahlbeschaffenheit. Geschieht das Härten
durch Eintauchen des glühenden Stahles in Wasser, so kann durch die
übermässige Erhitzung sogar der Erfolg des Härtens verringert werden,
indem die überschüssige, von dem Stahle aufgenommene Wärme zu-
nächst, ehe Härtung eintritt, an das Wasser abgegeben und zur Er-
wärmung desselben verbraucht wird; ist alsdann der Stahl auf die
Härtungstemperatur abgekühlt, so geht die fernere Abkühlung desselben
durch das wärmere Wasser weniger rasch vor sich, und die Härtung
fällt schwächer aus.

In der Praxis erkennt man den Zeitpunkt der Erhitzung, bei
welchem die Härtung des Stahles vorgenommen werden muss, an dem
Grade des Erglühens desselben; dunkle Rothgluth zeigt bei härterem,
Kirschrothgluth bei weicherem Stahle die geeignete Temperatur an.

Die durch Härtung erzeugte Härte vermindert sich durch Erwär-
mung des gehärteten Stahles, und der letztere nimmt seine Naturhärte
wieder an, wenn er bis zur Härtungstemperatur erhitzt und dann der
ruhigen Abkühlung überlassen wird. Das Maass, um welches bei der
Erwärmung die künstlich erzeugte Härte sich verringert, ist von dem
Grade der Erwärmung unmittelbar abhängig; eine stärkere Erwärmung
ruft stärkere Abminderung der Härte hervor, d. h. der Stahl wird
weicher, und umgekehrt. Aber auch die Zeitdauer der Erwärmung ist
hierbei von grossem Einflusse. Soll daher eine Abminderung der Härte
nur bis zu einem genau vorgeschriebenen Grade bewirkt werden, so
ist ein Ablöschen des Stahles in Wasser in dem Augenblicke erforder-
lich, wo jener Zeitpunkt erreicht ist; andernfalls würde der Stahl,
auch ohne dass die künstliche Erwärmung fortgesetzt wird, durch die
bereits aufgenommene Wärme eine fernere Einbusse an seiner Härte
erleiden.

Schon eine verhältnissmässig unbedeutende Erwärmung des Stahles
ruft, wenn sie lange fortgesetzt oder öfters wiederholt wird, eine deut-
liche Abminderung der Härte hervor. Eine gute Hausfrau weiss sehr
wohl, auch wenn sie die Ursache nicht kennt, dass Tischmesser, wenn
sie öfters in heissem statt in lauwarmem Wasser gewaschen werden,
leicht sich abstumpfen, d. h. an Härte verlieren.

1) Nach Reiser zwischen 700—800 Grad C.
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[646/0714] Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens. steigern die Härtungsfähigkeit, während Silicium keinen Einfluss in dieser Beziehung erkennen lässt. Ueberhaupt pflegt ein Stahl auch um so leichter härtbar zu sein, d. h. für die Härtung einer um so weniger kräftig wirkenden Wärmeentziehung zu bedürfen, und durch die Här- tung einen um so höheren Härtegrad zu erlangen, je grösser schon seine Naturhärte ist. In jedem Falle tritt Härtung überhaupt nur dann ein, wenn der Stahl auf die Härtungstemperatur, welche bei etwa 500 Grad C. liegt 1), erhitzt worden war, ehe die Abkühlung stattfand. Eine Erhitzung auf eine niedrigere Temperatur erzeugt nicht etwa eine schwächere Härtung, sondern bleibt überhaupt wirkungslos; eine stärkere Erhitzung als auf jene Härtungstemperatur ist nicht allein nutzlos, da sie keineswegs zur Erreichung höherer Härtegrade beiträgt, sondern bewirkt auch leicht eine Verschlechterung der Stahlbeschaffenheit. Geschieht das Härten durch Eintauchen des glühenden Stahles in Wasser, so kann durch die übermässige Erhitzung sogar der Erfolg des Härtens verringert werden, indem die überschüssige, von dem Stahle aufgenommene Wärme zu- nächst, ehe Härtung eintritt, an das Wasser abgegeben und zur Er- wärmung desselben verbraucht wird; ist alsdann der Stahl auf die Härtungstemperatur abgekühlt, so geht die fernere Abkühlung desselben durch das wärmere Wasser weniger rasch vor sich, und die Härtung fällt schwächer aus. In der Praxis erkennt man den Zeitpunkt der Erhitzung, bei welchem die Härtung des Stahles vorgenommen werden muss, an dem Grade des Erglühens desselben; dunkle Rothgluth zeigt bei härterem, Kirschrothgluth bei weicherem Stahle die geeignete Temperatur an. Die durch Härtung erzeugte Härte vermindert sich durch Erwär- mung des gehärteten Stahles, und der letztere nimmt seine Naturhärte wieder an, wenn er bis zur Härtungstemperatur erhitzt und dann der ruhigen Abkühlung überlassen wird. Das Maass, um welches bei der Erwärmung die künstlich erzeugte Härte sich verringert, ist von dem Grade der Erwärmung unmittelbar abhängig; eine stärkere Erwärmung ruft stärkere Abminderung der Härte hervor, d. h. der Stahl wird weicher, und umgekehrt. Aber auch die Zeitdauer der Erwärmung ist hierbei von grossem Einflusse. Soll daher eine Abminderung der Härte nur bis zu einem genau vorgeschriebenen Grade bewirkt werden, so ist ein Ablöschen des Stahles in Wasser in dem Augenblicke erforder- lich, wo jener Zeitpunkt erreicht ist; andernfalls würde der Stahl, auch ohne dass die künstliche Erwärmung fortgesetzt wird, durch die bereits aufgenommene Wärme eine fernere Einbusse an seiner Härte erleiden. Schon eine verhältnissmässig unbedeutende Erwärmung des Stahles ruft, wenn sie lange fortgesetzt oder öfters wiederholt wird, eine deut- liche Abminderung der Härte hervor. Eine gute Hausfrau weiss sehr wohl, auch wenn sie die Ursache nicht kennt, dass Tischmesser, wenn sie öfters in heissem statt in lauwarmem Wasser gewaschen werden, leicht sich abstumpfen, d. h. an Härte verlieren. 1) Nach Reiser zwischen 700—800 Grad C.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/714>, abgerufen am 23.07.2024.