Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Nach den Erörterungen auf S. 4 und 5 soll die Härtbarkeit das Unterscheidungsmerkmal des ersteren vom letzteren bilden. Schwierig oder unmöglich ist es aber, die Grenze genau zu ermitteln, wo die Härtbarkeit anfängt oder aufhört. In neuerer Zeit kommt, die Unter- scheidung erschwerend, der andere, ebenfalls schon erwähnte Umstand hinzu, dass zahlreiche, besonders britische Eisenhüttenleute gewöhnt sind, alles Flusseisen als Stahl zu bezeichnen, gleichviel, ob es härtbar ist oder nicht. Dass alles, auch das weichste und am wenigsten härt- bare Flusseisen in seinen Eigenschaften dem Stahle näher steht als weiches Schweisseisen, ist nicht in Abrede zu stellen.
Wie es in Deutschland üblich ist, soll in Folgendem unter der Bezeichnung Stahl, wo dieselbe überhaupt zur Anwendung kommt, nur ein kohlenstoffreicheres, deutlich härtbares Eisen verstanden werden, dessen Gegensatz das nicht härtbare Schmiedeeisen bildet; die Aus- drücke Schweisseisen und Flusseisen dagegen sind allgemeine Bezeichnungen, welche ebensowohl auf kohlenstoffreicheres, härtbares als kohlenstoffärmeres, nicht deutlich härtbares schmiedbares Eisen be- zogen werden können.
2. Die Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit.
Ein Körper heisst schmiedbar im eigentlichen Sinne, wenn er befähigt ist, im erhitzten, aber ungeschmolzenen Zustande unter Ein- wirkung von Hammerschlägen bleibende Formveränderungen zu er- tragen, ohne zertrümmert zu werden. Der Zweck der Erhitzung hierbei ist eine Verringerung seines Widerstandes gegen jene Formveränderung, d. i. seiner Härte.
Nicht selten jedoch dehnt man den Begriff der Schmiedbarkeit weiter aus und versteht darunter die Fähigkeit der Körper, in irgend einer beliebigen Temperatur Formveränderungen durch Hammerschläge zu ertragen.
In jedem Falle bildet die Schmiedbarkeit eine besondere Art der allgemeineren Eigenschaft, welche man als Dehnbarkeit bezeichnet, d. h. die Fähigkeit, unter Einwirkung irgend einer äusseren Kraft (Druck, Zug u. s. w.) Formveränderungen im ungeschmolzenen Zustande zu ertragen.
Sowohl die Schmiedbarkeit im engeren als die Dehnbarkeit im weiteren Sinne können, da sie nur auf bleibende Formveränderungen bezogen werden, erst zur Geltung gelangen, nachdem unter der Wirkung des ausgeübten Schlages, Druckes, Zuges u. s. w. die Elasticitätsgrenze des betreffenden Körpers in der jedesmal angewendeten Temperatur überschritten ist; sie verlieren ihre Geltung, wenn das Maass der angewendeten äusseren Kraft grösser ist als die Festigkeit des beein- flussten Körpers. Demnach wird eine beabsichtigte Formveränderung im Allgemeinen um so leichter durchführbar sein, je weiter die Elasti- citätsgrenze und Festigkeit aus einander liegen.
Für die Elasticitätsgrenze und Festigkeit eines und desselben Körpers entfallen nun aber gewöhnlich ganz verschiedene Werthe, je nachdem die eine oder andere Art der äusseren Einwirkung (Druck, Zug) stattfindet, und je nachdem die Temperatur hierbei höher oder
Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Nach den Erörterungen auf S. 4 und 5 soll die Härtbarkeit das Unterscheidungsmerkmal des ersteren vom letzteren bilden. Schwierig oder unmöglich ist es aber, die Grenze genau zu ermitteln, wo die Härtbarkeit anfängt oder aufhört. In neuerer Zeit kommt, die Unter- scheidung erschwerend, der andere, ebenfalls schon erwähnte Umstand hinzu, dass zahlreiche, besonders britische Eisenhüttenleute gewöhnt sind, alles Flusseisen als Stahl zu bezeichnen, gleichviel, ob es härtbar ist oder nicht. Dass alles, auch das weichste und am wenigsten härt- bare Flusseisen in seinen Eigenschaften dem Stahle näher steht als weiches Schweisseisen, ist nicht in Abrede zu stellen.
Wie es in Deutschland üblich ist, soll in Folgendem unter der Bezeichnung Stahl, wo dieselbe überhaupt zur Anwendung kommt, nur ein kohlenstoffreicheres, deutlich härtbares Eisen verstanden werden, dessen Gegensatz das nicht härtbare Schmiedeeisen bildet; die Aus- drücke Schweisseisen und Flusseisen dagegen sind allgemeine Bezeichnungen, welche ebensowohl auf kohlenstoffreicheres, härtbares als kohlenstoffärmeres, nicht deutlich härtbares schmiedbares Eisen be- zogen werden können.
2. Die Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit.
Ein Körper heisst schmiedbar im eigentlichen Sinne, wenn er befähigt ist, im erhitzten, aber ungeschmolzenen Zustande unter Ein- wirkung von Hammerschlägen bleibende Formveränderungen zu er- tragen, ohne zertrümmert zu werden. Der Zweck der Erhitzung hierbei ist eine Verringerung seines Widerstandes gegen jene Formveränderung, d. i. seiner Härte.
Nicht selten jedoch dehnt man den Begriff der Schmiedbarkeit weiter aus und versteht darunter die Fähigkeit der Körper, in irgend einer beliebigen Temperatur Formveränderungen durch Hammerschläge zu ertragen.
In jedem Falle bildet die Schmiedbarkeit eine besondere Art der allgemeineren Eigenschaft, welche man als Dehnbarkeit bezeichnet, d. h. die Fähigkeit, unter Einwirkung irgend einer äusseren Kraft (Druck, Zug u. s. w.) Formveränderungen im ungeschmolzenen Zustande zu ertragen.
Sowohl die Schmiedbarkeit im engeren als die Dehnbarkeit im weiteren Sinne können, da sie nur auf bleibende Formveränderungen bezogen werden, erst zur Geltung gelangen, nachdem unter der Wirkung des ausgeübten Schlages, Druckes, Zuges u. s. w. die Elasticitätsgrenze des betreffenden Körpers in der jedesmal angewendeten Temperatur überschritten ist; sie verlieren ihre Geltung, wenn das Maass der angewendeten äusseren Kraft grösser ist als die Festigkeit des beein- flussten Körpers. Demnach wird eine beabsichtigte Formveränderung im Allgemeinen um so leichter durchführbar sein, je weiter die Elasti- citätsgrenze und Festigkeit aus einander liegen.
Für die Elasticitätsgrenze und Festigkeit eines und desselben Körpers entfallen nun aber gewöhnlich ganz verschiedene Werthe, je nachdem die eine oder andere Art der äusseren Einwirkung (Druck, Zug) stattfindet, und je nachdem die Temperatur hierbei höher oder
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[634/0702]
Eintheilung, Eigenschaften und Prüfung des schmiedbaren Eisens.
Nach den Erörterungen auf S. 4 und 5 soll die Härtbarkeit das
Unterscheidungsmerkmal des ersteren vom letzteren bilden. Schwierig
oder unmöglich ist es aber, die Grenze genau zu ermitteln, wo die
Härtbarkeit anfängt oder aufhört. In neuerer Zeit kommt, die Unter-
scheidung erschwerend, der andere, ebenfalls schon erwähnte Umstand
hinzu, dass zahlreiche, besonders britische Eisenhüttenleute gewöhnt
sind, alles Flusseisen als Stahl zu bezeichnen, gleichviel, ob es härtbar
ist oder nicht. Dass alles, auch das weichste und am wenigsten härt-
bare Flusseisen in seinen Eigenschaften dem Stahle näher steht als
weiches Schweisseisen, ist nicht in Abrede zu stellen.
Wie es in Deutschland üblich ist, soll in Folgendem unter der
Bezeichnung Stahl, wo dieselbe überhaupt zur Anwendung kommt,
nur ein kohlenstoffreicheres, deutlich härtbares Eisen verstanden werden,
dessen Gegensatz das nicht härtbare Schmiedeeisen bildet; die Aus-
drücke Schweisseisen und Flusseisen dagegen sind allgemeine
Bezeichnungen, welche ebensowohl auf kohlenstoffreicheres, härtbares
als kohlenstoffärmeres, nicht deutlich härtbares schmiedbares Eisen be-
zogen werden können.
2. Die Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit.
Ein Körper heisst schmiedbar im eigentlichen Sinne, wenn er
befähigt ist, im erhitzten, aber ungeschmolzenen Zustande unter Ein-
wirkung von Hammerschlägen bleibende Formveränderungen zu er-
tragen, ohne zertrümmert zu werden. Der Zweck der Erhitzung hierbei
ist eine Verringerung seines Widerstandes gegen jene Formveränderung,
d. i. seiner Härte.
Nicht selten jedoch dehnt man den Begriff der Schmiedbarkeit
weiter aus und versteht darunter die Fähigkeit der Körper, in irgend
einer beliebigen Temperatur Formveränderungen durch Hammerschläge
zu ertragen.
In jedem Falle bildet die Schmiedbarkeit eine besondere Art der
allgemeineren Eigenschaft, welche man als Dehnbarkeit bezeichnet,
d. h. die Fähigkeit, unter Einwirkung irgend einer äusseren Kraft (Druck,
Zug u. s. w.) Formveränderungen im ungeschmolzenen Zustande zu
ertragen.
Sowohl die Schmiedbarkeit im engeren als die Dehnbarkeit im
weiteren Sinne können, da sie nur auf bleibende Formveränderungen
bezogen werden, erst zur Geltung gelangen, nachdem unter der Wirkung
des ausgeübten Schlages, Druckes, Zuges u. s. w. die Elasticitätsgrenze
des betreffenden Körpers in der jedesmal angewendeten Temperatur
überschritten ist; sie verlieren ihre Geltung, wenn das Maass der
angewendeten äusseren Kraft grösser ist als die Festigkeit des beein-
flussten Körpers. Demnach wird eine beabsichtigte Formveränderung
im Allgemeinen um so leichter durchführbar sein, je weiter die Elasti-
citätsgrenze und Festigkeit aus einander liegen.
Für die Elasticitätsgrenze und Festigkeit eines und desselben
Körpers entfallen nun aber gewöhnlich ganz verschiedene Werthe, je
nachdem die eine oder andere Art der äusseren Einwirkung (Druck,
Zug) stattfindet, und je nachdem die Temperatur hierbei höher oder
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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/702>, abgerufen am 03.01.2025.
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