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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenprocess.
raschende Thatsache, dass durch die Vorwärmung des Windes nicht
unerheblich mehr Brennstoff erspart werde, als zur Erzeugung der vom
Winde mitgebrachten Wärme erforderlich gewesen sein würde; ausser-
dem liess sich ziemlich regelmässig die Beobachtung machen, dass die
Gicht des Hochofens um so kühler wurde, je stärker man den Wind
erhitzte.

Beide Wahrnehmungen stehen in naher Beziehung zu einander
und finden unschwer ihre Erklärung. Der Hochofen bedarf für jedes
Kilogramm darzustellenden Roheisens einer gewissen Wärmemenge; und
die Erzeugung dieser Wärmemenge ist, wie schon erwähnt wurde, der
erste Zweck der Verbrennung von Kohle durch eingeblasene Luft.
Jedes Kilogramm der zu diesem Zwecke verbrannten Kohle liefert eine
bestimmte Gasmenge, welche im Ofen emporsteigt. Wenn nun aber ein
Theil jener erforderlichen Wärme, statt durch Verbrennung von Kohle
erzeugt zu werden, durch den erwärmten Gebläsewind von aussen
zugeführt wird, so wird offenbar die entstehende Gasmenge um ebenso
viel geringer ausfallen müssen, als jener Ersparung an Brennstoff ent-
spricht; die geringere Menge Gase aber giebt ihre Wärme rascher und
vollständiger an die entgegen rückenden festen Körper ab als die
grössere Menge Gase bei kaltem Winde; die Wärme wird also günstiger
ausgenutzt als in letzterem Falle und hierdurch wird eine zweite Menge
Brennstoff gespart; die Folge davon ist aber, dass die Gase in abge-
kühlterem Zustande den Ofen verlassen, die Gichttemperatur sinkt.

Nun würde aber in den meisten Fällen eine allzu langsame Be-
wegung des Gasstromes im Ofen jenen oben erwähnten Nachtheil, eine
vermehrte Vergasung von Kohle durch gebildete Kohlensäure, zur Folge
haben, obgleich die raschere Abkühlung der aufsteigenden Gase ohnehin
diese Gefahr vermindert. Hieraus ergiebt sich dann von selbst die Ver-
anlassung zu einer Beschleunigung des Betriebes; und die Production
des Hochofens in den gleichen Zeiträumen wird grösser.

Durch die Zuführung der Wärme von aussen, welche beim Ver-
brennungsprocesse nutzbar gemacht wird, steigt, wie sich in der Praxis
leicht beobachten lässt, bei Anwendung erhitzten Windes die Verbren-
nungstemperatur vor den Formen (vergl. S. 24); durch die höhere
Temperatur wird die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum Sauerstoff
gesteigert, und rascher als bei dem Betriebe mit kaltem Winde geht
der Verbrennungsprocess vor sich, d. h. verschwinden der freie Sauer-
stoff wie die vielleicht augenblicklich gebildete Kohlensäure. Die Wärme-
entwickelung wird, wie man in der Praxis sich auszudrücken pflegt,
bei Anwendung heissen Windes auf einen kleineren Raum im Ofen
concentrirt.

Jene höhere Temperatur vor den Formen aber sinkt theils aus den
schon erörterten Gründen, theils wegen eben dieser Einengung der
Verbrennung auf einen kleineren Raum rascher als bei dem Betriebe
mit kaltem Winde. Die für den Verlauf des Processes und die Aus-
nutzung des Brennstoffs so nachtheilige Erscheinung, die Entstehung
von Oberfeuer (Aufsteigen der Schmelztemperatur nach oben) wird also
durch Anwendung heissen Windes vermieden oder doch auf seltenere
Fälle beschränkt. Anderntheils aber muss durch die Erniedrigung der
Gichttemperatur auch die Vorbereitung der Erze in dem oberen Theile

Der Hochofenprocess.
raschende Thatsache, dass durch die Vorwärmung des Windes nicht
unerheblich mehr Brennstoff erspart werde, als zur Erzeugung der vom
Winde mitgebrachten Wärme erforderlich gewesen sein würde; ausser-
dem liess sich ziemlich regelmässig die Beobachtung machen, dass die
Gicht des Hochofens um so kühler wurde, je stärker man den Wind
erhitzte.

Beide Wahrnehmungen stehen in naher Beziehung zu einander
und finden unschwer ihre Erklärung. Der Hochofen bedarf für jedes
Kilogramm darzustellenden Roheisens einer gewissen Wärmemenge; und
die Erzeugung dieser Wärmemenge ist, wie schon erwähnt wurde, der
erste Zweck der Verbrennung von Kohle durch eingeblasene Luft.
Jedes Kilogramm der zu diesem Zwecke verbrannten Kohle liefert eine
bestimmte Gasmenge, welche im Ofen emporsteigt. Wenn nun aber ein
Theil jener erforderlichen Wärme, statt durch Verbrennung von Kohle
erzeugt zu werden, durch den erwärmten Gebläsewind von aussen
zugeführt wird, so wird offenbar die entstehende Gasmenge um ebenso
viel geringer ausfallen müssen, als jener Ersparung an Brennstoff ent-
spricht; die geringere Menge Gase aber giebt ihre Wärme rascher und
vollständiger an die entgegen rückenden festen Körper ab als die
grössere Menge Gase bei kaltem Winde; die Wärme wird also günstiger
ausgenutzt als in letzterem Falle und hierdurch wird eine zweite Menge
Brennstoff gespart; die Folge davon ist aber, dass die Gase in abge-
kühlterem Zustande den Ofen verlassen, die Gichttemperatur sinkt.

Nun würde aber in den meisten Fällen eine allzu langsame Be-
wegung des Gasstromes im Ofen jenen oben erwähnten Nachtheil, eine
vermehrte Vergasung von Kohle durch gebildete Kohlensäure, zur Folge
haben, obgleich die raschere Abkühlung der aufsteigenden Gase ohnehin
diese Gefahr vermindert. Hieraus ergiebt sich dann von selbst die Ver-
anlassung zu einer Beschleunigung des Betriebes; und die Production
des Hochofens in den gleichen Zeiträumen wird grösser.

Durch die Zuführung der Wärme von aussen, welche beim Ver-
brennungsprocesse nutzbar gemacht wird, steigt, wie sich in der Praxis
leicht beobachten lässt, bei Anwendung erhitzten Windes die Verbren-
nungstemperatur vor den Formen (vergl. S. 24); durch die höhere
Temperatur wird die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum Sauerstoff
gesteigert, und rascher als bei dem Betriebe mit kaltem Winde geht
der Verbrennungsprocess vor sich, d. h. verschwinden der freie Sauer-
stoff wie die vielleicht augenblicklich gebildete Kohlensäure. Die Wärme-
entwickelung wird, wie man in der Praxis sich auszudrücken pflegt,
bei Anwendung heissen Windes auf einen kleineren Raum im Ofen
concentrirt.

Jene höhere Temperatur vor den Formen aber sinkt theils aus den
schon erörterten Gründen, theils wegen eben dieser Einengung der
Verbrennung auf einen kleineren Raum rascher als bei dem Betriebe
mit kaltem Winde. Die für den Verlauf des Processes und die Aus-
nutzung des Brennstoffs so nachtheilige Erscheinung, die Entstehung
von Oberfeuer (Aufsteigen der Schmelztemperatur nach oben) wird also
durch Anwendung heissen Windes vermieden oder doch auf seltenere
Fälle beschränkt. Anderntheils aber muss durch die Erniedrigung der
Gichttemperatur auch die Vorbereitung der Erze in dem oberen Theile

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[472/0532] Der Hochofenprocess. raschende Thatsache, dass durch die Vorwärmung des Windes nicht unerheblich mehr Brennstoff erspart werde, als zur Erzeugung der vom Winde mitgebrachten Wärme erforderlich gewesen sein würde; ausser- dem liess sich ziemlich regelmässig die Beobachtung machen, dass die Gicht des Hochofens um so kühler wurde, je stärker man den Wind erhitzte. Beide Wahrnehmungen stehen in naher Beziehung zu einander und finden unschwer ihre Erklärung. Der Hochofen bedarf für jedes Kilogramm darzustellenden Roheisens einer gewissen Wärmemenge; und die Erzeugung dieser Wärmemenge ist, wie schon erwähnt wurde, der erste Zweck der Verbrennung von Kohle durch eingeblasene Luft. Jedes Kilogramm der zu diesem Zwecke verbrannten Kohle liefert eine bestimmte Gasmenge, welche im Ofen emporsteigt. Wenn nun aber ein Theil jener erforderlichen Wärme, statt durch Verbrennung von Kohle erzeugt zu werden, durch den erwärmten Gebläsewind von aussen zugeführt wird, so wird offenbar die entstehende Gasmenge um ebenso viel geringer ausfallen müssen, als jener Ersparung an Brennstoff ent- spricht; die geringere Menge Gase aber giebt ihre Wärme rascher und vollständiger an die entgegen rückenden festen Körper ab als die grössere Menge Gase bei kaltem Winde; die Wärme wird also günstiger ausgenutzt als in letzterem Falle und hierdurch wird eine zweite Menge Brennstoff gespart; die Folge davon ist aber, dass die Gase in abge- kühlterem Zustande den Ofen verlassen, die Gichttemperatur sinkt. Nun würde aber in den meisten Fällen eine allzu langsame Be- wegung des Gasstromes im Ofen jenen oben erwähnten Nachtheil, eine vermehrte Vergasung von Kohle durch gebildete Kohlensäure, zur Folge haben, obgleich die raschere Abkühlung der aufsteigenden Gase ohnehin diese Gefahr vermindert. Hieraus ergiebt sich dann von selbst die Ver- anlassung zu einer Beschleunigung des Betriebes; und die Production des Hochofens in den gleichen Zeiträumen wird grösser. Durch die Zuführung der Wärme von aussen, welche beim Ver- brennungsprocesse nutzbar gemacht wird, steigt, wie sich in der Praxis leicht beobachten lässt, bei Anwendung erhitzten Windes die Verbren- nungstemperatur vor den Formen (vergl. S. 24); durch die höhere Temperatur wird die Verwandtschaft des Kohlenstoffs zum Sauerstoff gesteigert, und rascher als bei dem Betriebe mit kaltem Winde geht der Verbrennungsprocess vor sich, d. h. verschwinden der freie Sauer- stoff wie die vielleicht augenblicklich gebildete Kohlensäure. Die Wärme- entwickelung wird, wie man in der Praxis sich auszudrücken pflegt, bei Anwendung heissen Windes auf einen kleineren Raum im Ofen concentrirt. Jene höhere Temperatur vor den Formen aber sinkt theils aus den schon erörterten Gründen, theils wegen eben dieser Einengung der Verbrennung auf einen kleineren Raum rascher als bei dem Betriebe mit kaltem Winde. Die für den Verlauf des Processes und die Aus- nutzung des Brennstoffs so nachtheilige Erscheinung, die Entstehung von Oberfeuer (Aufsteigen der Schmelztemperatur nach oben) wird also durch Anwendung heissen Windes vermieden oder doch auf seltenere Fälle beschränkt. Anderntheils aber muss durch die Erniedrigung der Gichttemperatur auch die Vorbereitung der Erze in dem oberen Theile

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/532>, abgerufen am 23.07.2024.