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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Verlauf des Hochofenprocesses.
Von jenen Tannzapfen aber kamen noch vier Wochen später einzelne
vor den Formen zum Vorschein.


Verfolgt man nun eingehender die chemischen und physikalischen
Umwandlungen, welche die in den Hochofen eingeschütteten Erze und
Zuschläge erleiden, so ergiebt sich Folgendes.

Unmittelbar nach dem Aufschütten beginnt durch die Berührung
mit den aufsteigenden warmen Gasen die Erwärmung der Materialien
sowie die Austreibung des vorhandenen hygroskopischen Wassers. Die
Folge hiervon ist eine Erniedrigung der Temperatur in der Gicht und
es erklären sich hieraus leicht die bedeutenden Schwankungen dieser
Temperatur vor und nach dem Aufgichten, welche sich bei manchen
Hochöfen beobachten lassen und mitunter mehr als 100 Grad betragen.
Auch die durchschnittliche Gichttemperatur wird unter übrigens
gleichen Verhältnissen niedriger sein, wenn wasserreiche als wenn
trockene Erze verhüttet werden. Noch andere Verhältnisse kommen jedoch
hierbei in Betracht. Je grösser die Wärmemenge ist, welche schon
in den tiefer gelegenen Theilen des Ofens für die verschiedenen Vor-
gänge verbraucht wird, und je langsamer die Gase im Hochofen auf-
steigen, je geringer also ihre Menge im Verhältnisse zu dem Quer-
schnitte des Ofens ist, desto abgekühlter werden sie den Ofen ver-
lassen. Während daher jene Durchschnittstemperatur an der Gicht bei
einzelnen Hochöfen nicht erheblich über 50°C. hinausgeht, erreicht sie
bei anderen eine Höhe bis zu 500°C. und mitunter noch darüber.

Dieser verschiedenen Temperatur entsprechend liegt auch die Stelle,
wo nunmehr die Reduction der niederrückenden Erze beginnt, tiefer
oder weniger tief unter der Gicht. Da einzelne Erze schon bei Tempe-
raturen von weniger als 300°C. unter Einwirkung von Kohlenoxyd
Sauerstoff abgeben (S. 225), so wird bei jenen Hochöfen mit warmer
Gicht und trockenen Erzen sehr bald nach dem Aufgichten eine theil-
weise Reduction eintreten; aber das Maass derselben bleibt immerhin
in den oberen Theilen des Hochofens ein beschränktes, und metallisches
Eisen wird hier überhaupt noch nicht gebildet.

Als Reductionsmittel in der oberen Hälfte des Hochofens dient
fast ausschliesslich das Kohlenoxyd der Gase. Unter günstigen Ver-
hältnissen, d. h. bei ausreichend langem Verweilen der Erze in einer
Temperatur von etwa 400°C. tritt jener auf S. 229--231 geschilderte
Vorgang ein: aus dem Kohlenoxyd lagert sich fester Kohlenstoff auf
den Erzstücken und innerhalb derselben ab, welcher mit denselben
wieder abwärts geführt wird und später reducirend wirkt.

Enthielten die Erze gebundenes Wasser (Brauneisenerze), so wird
dasselbe mehr oder minder rasch nach dem Einschütten ausgetrieben.

Einige Brauneisenerze zerfallen schon bei einer Temperatur, welche
wenig über 100°C. hinausgeht, andere werden erst bei 400--500°C. voll-
ständig zersetzt. Bei Versuchen, von Ebelmen mit Bohnerzen angestellt,
welche im Hochofen der Einwirkung der Gase und Wärme ausgesetzt
wurden, ergab sich, dass der Wassergehalt der Erze in einer Tiefe von
2.5 m unterhalb der Gicht und in einer Temperatur unter Rothgluth sich
während zweier Stunden auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Menge

Verlauf des Hochofenprocesses.
Von jenen Tannzapfen aber kamen noch vier Wochen später einzelne
vor den Formen zum Vorschein.


Verfolgt man nun eingehender die chemischen und physikalischen
Umwandlungen, welche die in den Hochofen eingeschütteten Erze und
Zuschläge erleiden, so ergiebt sich Folgendes.

Unmittelbar nach dem Aufschütten beginnt durch die Berührung
mit den aufsteigenden warmen Gasen die Erwärmung der Materialien
sowie die Austreibung des vorhandenen hygroskopischen Wassers. Die
Folge hiervon ist eine Erniedrigung der Temperatur in der Gicht und
es erklären sich hieraus leicht die bedeutenden Schwankungen dieser
Temperatur vor und nach dem Aufgichten, welche sich bei manchen
Hochöfen beobachten lassen und mitunter mehr als 100 Grad betragen.
Auch die durchschnittliche Gichttemperatur wird unter übrigens
gleichen Verhältnissen niedriger sein, wenn wasserreiche als wenn
trockene Erze verhüttet werden. Noch andere Verhältnisse kommen jedoch
hierbei in Betracht. Je grösser die Wärmemenge ist, welche schon
in den tiefer gelegenen Theilen des Ofens für die verschiedenen Vor-
gänge verbraucht wird, und je langsamer die Gase im Hochofen auf-
steigen, je geringer also ihre Menge im Verhältnisse zu dem Quer-
schnitte des Ofens ist, desto abgekühlter werden sie den Ofen ver-
lassen. Während daher jene Durchschnittstemperatur an der Gicht bei
einzelnen Hochöfen nicht erheblich über 50°C. hinausgeht, erreicht sie
bei anderen eine Höhe bis zu 500°C. und mitunter noch darüber.

Dieser verschiedenen Temperatur entsprechend liegt auch die Stelle,
wo nunmehr die Reduction der niederrückenden Erze beginnt, tiefer
oder weniger tief unter der Gicht. Da einzelne Erze schon bei Tempe-
raturen von weniger als 300°C. unter Einwirkung von Kohlenoxyd
Sauerstoff abgeben (S. 225), so wird bei jenen Hochöfen mit warmer
Gicht und trockenen Erzen sehr bald nach dem Aufgichten eine theil-
weise Reduction eintreten; aber das Maass derselben bleibt immerhin
in den oberen Theilen des Hochofens ein beschränktes, und metallisches
Eisen wird hier überhaupt noch nicht gebildet.

Als Reductionsmittel in der oberen Hälfte des Hochofens dient
fast ausschliesslich das Kohlenoxyd der Gase. Unter günstigen Ver-
hältnissen, d. h. bei ausreichend langem Verweilen der Erze in einer
Temperatur von etwa 400°C. tritt jener auf S. 229—231 geschilderte
Vorgang ein: aus dem Kohlenoxyd lagert sich fester Kohlenstoff auf
den Erzstücken und innerhalb derselben ab, welcher mit denselben
wieder abwärts geführt wird und später reducirend wirkt.

Enthielten die Erze gebundenes Wasser (Brauneisenerze), so wird
dasselbe mehr oder minder rasch nach dem Einschütten ausgetrieben.

Einige Brauneisenerze zerfallen schon bei einer Temperatur, welche
wenig über 100°C. hinausgeht, andere werden erst bei 400—500°C. voll-
ständig zersetzt. Bei Versuchen, von Ebelmen mit Bohnerzen angestellt,
welche im Hochofen der Einwirkung der Gase und Wärme ausgesetzt
wurden, ergab sich, dass der Wassergehalt der Erze in einer Tiefe von
2.5 m unterhalb der Gicht und in einer Temperatur unter Rothgluth sich
während zweier Stunden auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Menge

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[461/0521] Verlauf des Hochofenprocesses. Von jenen Tannzapfen aber kamen noch vier Wochen später einzelne vor den Formen zum Vorschein. Verfolgt man nun eingehender die chemischen und physikalischen Umwandlungen, welche die in den Hochofen eingeschütteten Erze und Zuschläge erleiden, so ergiebt sich Folgendes. Unmittelbar nach dem Aufschütten beginnt durch die Berührung mit den aufsteigenden warmen Gasen die Erwärmung der Materialien sowie die Austreibung des vorhandenen hygroskopischen Wassers. Die Folge hiervon ist eine Erniedrigung der Temperatur in der Gicht und es erklären sich hieraus leicht die bedeutenden Schwankungen dieser Temperatur vor und nach dem Aufgichten, welche sich bei manchen Hochöfen beobachten lassen und mitunter mehr als 100 Grad betragen. Auch die durchschnittliche Gichttemperatur wird unter übrigens gleichen Verhältnissen niedriger sein, wenn wasserreiche als wenn trockene Erze verhüttet werden. Noch andere Verhältnisse kommen jedoch hierbei in Betracht. Je grösser die Wärmemenge ist, welche schon in den tiefer gelegenen Theilen des Ofens für die verschiedenen Vor- gänge verbraucht wird, und je langsamer die Gase im Hochofen auf- steigen, je geringer also ihre Menge im Verhältnisse zu dem Quer- schnitte des Ofens ist, desto abgekühlter werden sie den Ofen ver- lassen. Während daher jene Durchschnittstemperatur an der Gicht bei einzelnen Hochöfen nicht erheblich über 50°C. hinausgeht, erreicht sie bei anderen eine Höhe bis zu 500°C. und mitunter noch darüber. Dieser verschiedenen Temperatur entsprechend liegt auch die Stelle, wo nunmehr die Reduction der niederrückenden Erze beginnt, tiefer oder weniger tief unter der Gicht. Da einzelne Erze schon bei Tempe- raturen von weniger als 300°C. unter Einwirkung von Kohlenoxyd Sauerstoff abgeben (S. 225), so wird bei jenen Hochöfen mit warmer Gicht und trockenen Erzen sehr bald nach dem Aufgichten eine theil- weise Reduction eintreten; aber das Maass derselben bleibt immerhin in den oberen Theilen des Hochofens ein beschränktes, und metallisches Eisen wird hier überhaupt noch nicht gebildet. Als Reductionsmittel in der oberen Hälfte des Hochofens dient fast ausschliesslich das Kohlenoxyd der Gase. Unter günstigen Ver- hältnissen, d. h. bei ausreichend langem Verweilen der Erze in einer Temperatur von etwa 400°C. tritt jener auf S. 229—231 geschilderte Vorgang ein: aus dem Kohlenoxyd lagert sich fester Kohlenstoff auf den Erzstücken und innerhalb derselben ab, welcher mit denselben wieder abwärts geführt wird und später reducirend wirkt. Enthielten die Erze gebundenes Wasser (Brauneisenerze), so wird dasselbe mehr oder minder rasch nach dem Einschütten ausgetrieben. Einige Brauneisenerze zerfallen schon bei einer Temperatur, welche wenig über 100°C. hinausgeht, andere werden erst bei 400—500°C. voll- ständig zersetzt. Bei Versuchen, von Ebelmen mit Bohnerzen angestellt, welche im Hochofen der Einwirkung der Gase und Wärme ausgesetzt wurden, ergab sich, dass der Wassergehalt der Erze in einer Tiefe von 2.5 m unterhalb der Gicht und in einer Temperatur unter Rothgluth sich während zweier Stunden auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Menge

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/521>, abgerufen am 23.07.2024.