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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenprocess.
aus Eisenoxydul besteht. Der Vorgang der Reduction aber setzt sich
regelmässig oder doch in den allermeisten Fällen, auch nachdem bereits
Schmelzung eingetreten ist, unter Einwirkung der weissglühenden
Kohlen auf die Schlacke fort; oder mit anderen Worten: ein, wenn
auch bei regelmässigem Betriebe verhältnissmässig kleiner Theil des
Eisens wird unreducirt verschlackt und aus der Schlacke erst im unteren
Theile des Hochofens durch Kohlenstoff reducirt.

Jenes oben erwähnte Voraneilen der specifisch schwereren Theile
der Beschickung lässt sich bei verschiedenen Vorkommnissen der
Praxis beobachten. Bei dem Füllen des Ofens vor dem Anblasen lässt
sich ermitteln, wie viele Gichten 1) derselbe fasst; aus der Zahl der in
24 Stunden durchgesetzten Gichten lässt sich demnach berechnen, wie
lange durchschnittlich eine Gicht gebraucht, um von der Gichtöffnung
vor die Formen zu gelangen. 2) Aendert man nun die Beschickung in
einer Weise, dass die geänderte Zusammensetzung auch vor den Formen
sich bemerkbar macht -- etwa durch andere Beschaffenheit des ent-
stehenden Roheisens oder der Schlacke --, so lässt sich regelmässig
beobachten, dass diese Erzgichten früher unten anlangen, als der durch-
schnittlichen Durchsetzzeit entspricht. Noch rascher als die Erze pflegen
Roheisenstücke zu eilen, welche aus irgend einem Grunde mit jenen
aufgegeben wurden, zumal wenn sie rundliche, gedrungene Form be-
sitzen und deshalb wenig Widerstände auf ihrem Wege finden. Um-
gekehrt pflegt ein Wechsel in der Art des Brennstoffs später bemerkbar
zu werden, als man nach der Gichtenzahl erwarten sollte; jedenfalls
pflegen Stücke des zuerst benutzten Brennstoffs noch nach sehr langer
Zeit vor den Formen zum Vorscheine zu kommen.

Letzterer Umstand steht jedenfalls in naher Beziehung zu der
schon früher (S. 335) erwähnten Entstehung eines sogenannten todten
oder trägen Mantels rings an den Wänden des Ofens, aus zur Seite
gedrängten Brennstoffen bestehend. Je stärker die Uebergänge in dem
Ofenprofile, je rauher die Wände, je sperriger und specifisch leichter
die Brennstoffe sind, desto langsamer werden sich die letzteren an den
Wänden abwärts bewegen.

Auch hierfür erhält man in der Praxis mitunter deutliche Belege.
Auf dem Eisenwerke zu Rübeland am Harz wurden, ungefähr im
Jahre 1860, Versuche angestellt, bei dem mit Holzkohlen unter Zusatz
von rohem Holze betriebenen Hochofen, letzteres durch Tannzapfen zu
ersetzen. Wie sich wohl erwarten liess, war der Erfolg des Versuchs
unbefriedigend, und nachdem derselbe etwa acht Tage lang durch-
geführt worden war, kehrte man zu der alten Betriebsweise zurück.

1) Gicht ist hier der Inbegriff der in einem Male in den Ofen eingeschütteten
Materialien. Man unterscheidet Brennstoffgichten und Erzgichten; beide zu-
sammen bilden eine volle Gicht.
2) Wenn die Grösse und Anzahl der beim Füllen des Hochofens vor dem An-
blasen gesetzten Erzgichten auch geringer ist als später während des regelrechten
Betriebes, der frisch gefüllte Ofen demnach weniger Erze enthält als der im vollen
Betriebe befindliche, so erwächst doch hieraus keine erhebliche Unrichtigkeit für die
in Rede stehende Ermittelung, da die Erzgichten einen sehr beschränkten Raum ein-
nehmen und zwischen den Brennstoffgichten sich zu vertheilen pflegen.

Der Hochofenprocess.
aus Eisenoxydul besteht. Der Vorgang der Reduction aber setzt sich
regelmässig oder doch in den allermeisten Fällen, auch nachdem bereits
Schmelzung eingetreten ist, unter Einwirkung der weissglühenden
Kohlen auf die Schlacke fort; oder mit anderen Worten: ein, wenn
auch bei regelmässigem Betriebe verhältnissmässig kleiner Theil des
Eisens wird unreducirt verschlackt und aus der Schlacke erst im unteren
Theile des Hochofens durch Kohlenstoff reducirt.

Jenes oben erwähnte Voraneilen der specifisch schwereren Theile
der Beschickung lässt sich bei verschiedenen Vorkommnissen der
Praxis beobachten. Bei dem Füllen des Ofens vor dem Anblasen lässt
sich ermitteln, wie viele Gichten 1) derselbe fasst; aus der Zahl der in
24 Stunden durchgesetzten Gichten lässt sich demnach berechnen, wie
lange durchschnittlich eine Gicht gebraucht, um von der Gichtöffnung
vor die Formen zu gelangen. 2) Aendert man nun die Beschickung in
einer Weise, dass die geänderte Zusammensetzung auch vor den Formen
sich bemerkbar macht — etwa durch andere Beschaffenheit des ent-
stehenden Roheisens oder der Schlacke —, so lässt sich regelmässig
beobachten, dass diese Erzgichten früher unten anlangen, als der durch-
schnittlichen Durchsetzzeit entspricht. Noch rascher als die Erze pflegen
Roheisenstücke zu eilen, welche aus irgend einem Grunde mit jenen
aufgegeben wurden, zumal wenn sie rundliche, gedrungene Form be-
sitzen und deshalb wenig Widerstände auf ihrem Wege finden. Um-
gekehrt pflegt ein Wechsel in der Art des Brennstoffs später bemerkbar
zu werden, als man nach der Gichtenzahl erwarten sollte; jedenfalls
pflegen Stücke des zuerst benutzten Brennstoffs noch nach sehr langer
Zeit vor den Formen zum Vorscheine zu kommen.

Letzterer Umstand steht jedenfalls in naher Beziehung zu der
schon früher (S. 335) erwähnten Entstehung eines sogenannten todten
oder trägen Mantels rings an den Wänden des Ofens, aus zur Seite
gedrängten Brennstoffen bestehend. Je stärker die Uebergänge in dem
Ofenprofile, je rauher die Wände, je sperriger und specifisch leichter
die Brennstoffe sind, desto langsamer werden sich die letzteren an den
Wänden abwärts bewegen.

Auch hierfür erhält man in der Praxis mitunter deutliche Belege.
Auf dem Eisenwerke zu Rübeland am Harz wurden, ungefähr im
Jahre 1860, Versuche angestellt, bei dem mit Holzkohlen unter Zusatz
von rohem Holze betriebenen Hochofen, letzteres durch Tannzapfen zu
ersetzen. Wie sich wohl erwarten liess, war der Erfolg des Versuchs
unbefriedigend, und nachdem derselbe etwa acht Tage lang durch-
geführt worden war, kehrte man zu der alten Betriebsweise zurück.

1) Gicht ist hier der Inbegriff der in einem Male in den Ofen eingeschütteten
Materialien. Man unterscheidet Brennstoffgichten und Erzgichten; beide zu-
sammen bilden eine volle Gicht.
2) Wenn die Grösse und Anzahl der beim Füllen des Hochofens vor dem An-
blasen gesetzten Erzgichten auch geringer ist als später während des regelrechten
Betriebes, der frisch gefüllte Ofen demnach weniger Erze enthält als der im vollen
Betriebe befindliche, so erwächst doch hieraus keine erhebliche Unrichtigkeit für die
in Rede stehende Ermittelung, da die Erzgichten einen sehr beschränkten Raum ein-
nehmen und zwischen den Brennstoffgichten sich zu vertheilen pflegen.
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[460/0520] Der Hochofenprocess. aus Eisenoxydul besteht. Der Vorgang der Reduction aber setzt sich regelmässig oder doch in den allermeisten Fällen, auch nachdem bereits Schmelzung eingetreten ist, unter Einwirkung der weissglühenden Kohlen auf die Schlacke fort; oder mit anderen Worten: ein, wenn auch bei regelmässigem Betriebe verhältnissmässig kleiner Theil des Eisens wird unreducirt verschlackt und aus der Schlacke erst im unteren Theile des Hochofens durch Kohlenstoff reducirt. Jenes oben erwähnte Voraneilen der specifisch schwereren Theile der Beschickung lässt sich bei verschiedenen Vorkommnissen der Praxis beobachten. Bei dem Füllen des Ofens vor dem Anblasen lässt sich ermitteln, wie viele Gichten 1) derselbe fasst; aus der Zahl der in 24 Stunden durchgesetzten Gichten lässt sich demnach berechnen, wie lange durchschnittlich eine Gicht gebraucht, um von der Gichtöffnung vor die Formen zu gelangen. 2) Aendert man nun die Beschickung in einer Weise, dass die geänderte Zusammensetzung auch vor den Formen sich bemerkbar macht — etwa durch andere Beschaffenheit des ent- stehenden Roheisens oder der Schlacke —, so lässt sich regelmässig beobachten, dass diese Erzgichten früher unten anlangen, als der durch- schnittlichen Durchsetzzeit entspricht. Noch rascher als die Erze pflegen Roheisenstücke zu eilen, welche aus irgend einem Grunde mit jenen aufgegeben wurden, zumal wenn sie rundliche, gedrungene Form be- sitzen und deshalb wenig Widerstände auf ihrem Wege finden. Um- gekehrt pflegt ein Wechsel in der Art des Brennstoffs später bemerkbar zu werden, als man nach der Gichtenzahl erwarten sollte; jedenfalls pflegen Stücke des zuerst benutzten Brennstoffs noch nach sehr langer Zeit vor den Formen zum Vorscheine zu kommen. Letzterer Umstand steht jedenfalls in naher Beziehung zu der schon früher (S. 335) erwähnten Entstehung eines sogenannten todten oder trägen Mantels rings an den Wänden des Ofens, aus zur Seite gedrängten Brennstoffen bestehend. Je stärker die Uebergänge in dem Ofenprofile, je rauher die Wände, je sperriger und specifisch leichter die Brennstoffe sind, desto langsamer werden sich die letzteren an den Wänden abwärts bewegen. Auch hierfür erhält man in der Praxis mitunter deutliche Belege. Auf dem Eisenwerke zu Rübeland am Harz wurden, ungefähr im Jahre 1860, Versuche angestellt, bei dem mit Holzkohlen unter Zusatz von rohem Holze betriebenen Hochofen, letzteres durch Tannzapfen zu ersetzen. Wie sich wohl erwarten liess, war der Erfolg des Versuchs unbefriedigend, und nachdem derselbe etwa acht Tage lang durch- geführt worden war, kehrte man zu der alten Betriebsweise zurück. 1) Gicht ist hier der Inbegriff der in einem Male in den Ofen eingeschütteten Materialien. Man unterscheidet Brennstoffgichten und Erzgichten; beide zu- sammen bilden eine volle Gicht. 2) Wenn die Grösse und Anzahl der beim Füllen des Hochofens vor dem An- blasen gesetzten Erzgichten auch geringer ist als später während des regelrechten Betriebes, der frisch gefüllte Ofen demnach weniger Erze enthält als der im vollen Betriebe befindliche, so erwächst doch hieraus keine erhebliche Unrichtigkeit für die in Rede stehende Ermittelung, da die Erzgichten einen sehr beschränkten Raum ein- nehmen und zwischen den Brennstoffgichten sich zu vertheilen pflegen.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/520>, abgerufen am 22.12.2024.