Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Fr. C. G. Müller ermittelte durch zahlreiche Untersuchungen 1)
die Menge und Zusammensetzung derjenigen Gase, welche nach dem
Erstarren des Eisens die Poren und Hohlräume desselben anfüllen,
also die eigentliche Veranlassung zu der Entstehung dieser so nach-
theiligen, oben erwähnten Hohlräume bilden. Zur Gewinnung dieser
vom Eisen eingeschlossenen Gase benutzte Müller einen mit der
Spitze nach oben gerichteten Bohrer innerhalb eines mit ausgekochtem
Wasser gefüllten Gefässes. Das zu untersuchende Eisenstück wurde
in der Spindel einer Bohrmaschine befestigt und unter steter Drehung
gegen die Bohrspitze abwärts bewegt, so dass ein durch das Wasser
abgeschlossenes Bohrloch entstand, in welchem die beim Zerspanen
des Metalls frei werdenden Gase sich oberhalb des Wassers sammeln
konnten, um von hier für die Untersuchung entnommen zu werden.

Die solcherart gefundenen Gasmengen betrugen ihrem Raumin-
halte nach:

[Tabelle]

Da der Rauminhalt der Poren und Hohlräume, in welchen die
Gase eingeschlossen waren und welcher sich annähernd aus dem Raum-
inhalte des Bohrloches und dem absoluten Gewichte des zerspanten
Metalls, dividirt durch das specifische Gewicht des dichten Eisens
(7.8), berechnen lässt, in jedem Falle erheblich kleiner war, als die
gefundene Menge der Gase, so ergiebt sich, dass dieselben unter Druck
in dem Eisen eingeschlossen waren. Müller berechnet diesen Druck
im erkalteten Eisenblocke zu 3--8 Atmosphären; da aber die Gase in
der Erstarrungstemperatur der untersuchten Eisensorten (durchschnitt-
lich 1400°C.) einen mindestens fünfmal so grossen Raum als im kalten
Zustande einnehmen, so würde sich unter Berücksichtigung dieses Um-
standes ein von denselben im erhitzten Zustande ausgeübter Druck
gleich 15--40 Atmosphären ergeben. Obgleich nun die meisten der
untersuchten Eisensorten fest in einer starken Gusseisenform einge-
schlossen waren, und hierdurch die Entstehung jenes hohen Druckes
eine ausreichende Begründung finden könnte, so liegt doch andererseits
die Vermuthung nahe, dass ein grosser Theil der gefundenen Gase erst
später aus dem Eisen ausgetreten sei, nachdem infolge der fortschreiten-
den Abkühlung die Gasspannung in den Poren abgenommen und hierbei
die Löslichkeit der Gase im Eisen sich verringert hatte.

Müller's Versuche wurden später von Stead in ganz ähnlicher
Weise, jedoch mit stumpferem Bohrer wiederholt, wobei feinere Späne
gebildet und demnach auch eine noch grössere Zahl von Poren frei

1) Vergl. Literatur.
Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.

Fr. C. G. Müller ermittelte durch zahlreiche Untersuchungen 1)
die Menge und Zusammensetzung derjenigen Gase, welche nach dem
Erstarren des Eisens die Poren und Hohlräume desselben anfüllen,
also die eigentliche Veranlassung zu der Entstehung dieser so nach-
theiligen, oben erwähnten Hohlräume bilden. Zur Gewinnung dieser
vom Eisen eingeschlossenen Gase benutzte Müller einen mit der
Spitze nach oben gerichteten Bohrer innerhalb eines mit ausgekochtem
Wasser gefüllten Gefässes. Das zu untersuchende Eisenstück wurde
in der Spindel einer Bohrmaschine befestigt und unter steter Drehung
gegen die Bohrspitze abwärts bewegt, so dass ein durch das Wasser
abgeschlossenes Bohrloch entstand, in welchem die beim Zerspanen
des Metalls frei werdenden Gase sich oberhalb des Wassers sammeln
konnten, um von hier für die Untersuchung entnommen zu werden.

Die solcherart gefundenen Gasmengen betrugen ihrem Raumin-
halte nach:

[Tabelle]

Da der Rauminhalt der Poren und Hohlräume, in welchen die
Gase eingeschlossen waren und welcher sich annähernd aus dem Raum-
inhalte des Bohrloches und dem absoluten Gewichte des zerspanten
Metalls, dividirt durch das specifische Gewicht des dichten Eisens
(7.8), berechnen lässt, in jedem Falle erheblich kleiner war, als die
gefundene Menge der Gase, so ergiebt sich, dass dieselben unter Druck
in dem Eisen eingeschlossen waren. Müller berechnet diesen Druck
im erkalteten Eisenblocke zu 3—8 Atmosphären; da aber die Gase in
der Erstarrungstemperatur der untersuchten Eisensorten (durchschnitt-
lich 1400°C.) einen mindestens fünfmal so grossen Raum als im kalten
Zustande einnehmen, so würde sich unter Berücksichtigung dieses Um-
standes ein von denselben im erhitzten Zustande ausgeübter Druck
gleich 15—40 Atmosphären ergeben. Obgleich nun die meisten der
untersuchten Eisensorten fest in einer starken Gusseisenform einge-
schlossen waren, und hierdurch die Entstehung jenes hohen Druckes
eine ausreichende Begründung finden könnte, so liegt doch andererseits
die Vermuthung nahe, dass ein grosser Theil der gefundenen Gase erst
später aus dem Eisen ausgetreten sei, nachdem infolge der fortschreiten-
den Abkühlung die Gasspannung in den Poren abgenommen und hierbei
die Löslichkeit der Gase im Eisen sich verringert hatte.

Müller’s Versuche wurden später von Stead in ganz ähnlicher
Weise, jedoch mit stumpferem Bohrer wiederholt, wobei feinere Späne
gebildet und demnach auch eine noch grössere Zahl von Poren frei

1) Vergl. Literatur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0318" n="272"/>
            <fw place="top" type="header">Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Fr. C. G. Müller</hi> ermittelte durch zahlreiche Untersuchungen <note place="foot" n="1)">Vergl. Literatur.</note><lb/>
die Menge und Zusammensetzung derjenigen Gase, welche nach dem<lb/>
Erstarren des Eisens die Poren und Hohlräume desselben anfüllen,<lb/>
also die eigentliche Veranlassung zu der Entstehung dieser so nach-<lb/>
theiligen, oben erwähnten Hohlräume bilden. Zur Gewinnung dieser<lb/>
vom Eisen eingeschlossenen Gase benutzte <hi rendition="#g">Müller</hi> einen mit der<lb/>
Spitze nach oben gerichteten Bohrer innerhalb eines mit ausgekochtem<lb/>
Wasser gefüllten Gefässes. Das zu untersuchende Eisenstück wurde<lb/>
in der Spindel einer Bohrmaschine befestigt und unter steter Drehung<lb/>
gegen die Bohrspitze abwärts bewegt, so dass ein durch das Wasser<lb/>
abgeschlossenes Bohrloch entstand, in welchem die beim Zerspanen<lb/>
des Metalls frei werdenden Gase sich oberhalb des Wassers sammeln<lb/>
konnten, um von hier für die Untersuchung entnommen zu werden.</p><lb/>
            <p>Die solcherart gefundenen Gasmengen betrugen ihrem Raumin-<lb/>
halte nach:<lb/><table><row><cell/></row></table></p>
            <p>Da der Rauminhalt der Poren und Hohlräume, in welchen die<lb/>
Gase eingeschlossen waren und welcher sich annähernd aus dem Raum-<lb/>
inhalte des Bohrloches und dem absoluten Gewichte des zerspanten<lb/>
Metalls, dividirt durch das specifische Gewicht des <hi rendition="#g">dichten</hi> Eisens<lb/>
(7.<hi rendition="#sub">8</hi>), berechnen lässt, in jedem Falle erheblich kleiner war, als die<lb/>
gefundene Menge der Gase, so ergiebt sich, dass dieselben unter Druck<lb/>
in dem Eisen eingeschlossen waren. <hi rendition="#g">Müller</hi> berechnet diesen Druck<lb/>
im erkalteten Eisenblocke zu 3&#x2014;8 Atmosphären; da aber die Gase in<lb/>
der Erstarrungstemperatur der untersuchten Eisensorten (durchschnitt-<lb/>
lich 1400°C.) einen mindestens fünfmal so grossen Raum als im kalten<lb/>
Zustande einnehmen, so würde sich unter Berücksichtigung dieses Um-<lb/>
standes ein von denselben im erhitzten Zustande ausgeübter Druck<lb/>
gleich 15&#x2014;40 Atmosphären ergeben. Obgleich nun die meisten der<lb/>
untersuchten Eisensorten fest in einer starken Gusseisenform einge-<lb/>
schlossen waren, und hierdurch die Entstehung jenes hohen Druckes<lb/>
eine ausreichende Begründung finden könnte, so liegt doch andererseits<lb/>
die Vermuthung nahe, dass ein grosser Theil der gefundenen Gase erst<lb/>
später aus dem Eisen ausgetreten sei, nachdem infolge der fortschreiten-<lb/>
den Abkühlung die Gasspannung in den Poren abgenommen und hierbei<lb/>
die Löslichkeit der Gase im Eisen sich verringert hatte.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Müller&#x2019;s</hi> Versuche wurden später von <hi rendition="#g">Stead</hi> in ganz ähnlicher<lb/>
Weise, jedoch mit stumpferem Bohrer wiederholt, wobei feinere Späne<lb/>
gebildet und demnach auch eine noch grössere Zahl von Poren frei<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0318] Das metallurgisch-chemische Verhalten des Eisens und seiner Begleiter. Fr. C. G. Müller ermittelte durch zahlreiche Untersuchungen 1) die Menge und Zusammensetzung derjenigen Gase, welche nach dem Erstarren des Eisens die Poren und Hohlräume desselben anfüllen, also die eigentliche Veranlassung zu der Entstehung dieser so nach- theiligen, oben erwähnten Hohlräume bilden. Zur Gewinnung dieser vom Eisen eingeschlossenen Gase benutzte Müller einen mit der Spitze nach oben gerichteten Bohrer innerhalb eines mit ausgekochtem Wasser gefüllten Gefässes. Das zu untersuchende Eisenstück wurde in der Spindel einer Bohrmaschine befestigt und unter steter Drehung gegen die Bohrspitze abwärts bewegt, so dass ein durch das Wasser abgeschlossenes Bohrloch entstand, in welchem die beim Zerspanen des Metalls frei werdenden Gase sich oberhalb des Wassers sammeln konnten, um von hier für die Untersuchung entnommen zu werden. Die solcherart gefundenen Gasmengen betrugen ihrem Raumin- halte nach: Da der Rauminhalt der Poren und Hohlräume, in welchen die Gase eingeschlossen waren und welcher sich annähernd aus dem Raum- inhalte des Bohrloches und dem absoluten Gewichte des zerspanten Metalls, dividirt durch das specifische Gewicht des dichten Eisens (7.8), berechnen lässt, in jedem Falle erheblich kleiner war, als die gefundene Menge der Gase, so ergiebt sich, dass dieselben unter Druck in dem Eisen eingeschlossen waren. Müller berechnet diesen Druck im erkalteten Eisenblocke zu 3—8 Atmosphären; da aber die Gase in der Erstarrungstemperatur der untersuchten Eisensorten (durchschnitt- lich 1400°C.) einen mindestens fünfmal so grossen Raum als im kalten Zustande einnehmen, so würde sich unter Berücksichtigung dieses Um- standes ein von denselben im erhitzten Zustande ausgeübter Druck gleich 15—40 Atmosphären ergeben. Obgleich nun die meisten der untersuchten Eisensorten fest in einer starken Gusseisenform einge- schlossen waren, und hierdurch die Entstehung jenes hohen Druckes eine ausreichende Begründung finden könnte, so liegt doch andererseits die Vermuthung nahe, dass ein grosser Theil der gefundenen Gase erst später aus dem Eisen ausgetreten sei, nachdem infolge der fortschreiten- den Abkühlung die Gasspannung in den Poren abgenommen und hierbei die Löslichkeit der Gase im Eisen sich verringert hatte. Müller’s Versuche wurden später von Stead in ganz ähnlicher Weise, jedoch mit stumpferem Bohrer wiederholt, wobei feinere Späne gebildet und demnach auch eine noch grössere Zahl von Poren frei 1) Vergl. Literatur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/318
Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/318>, abgerufen am 25.11.2024.