Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.3. Mein Sohn! wir sind wohl arm; aber wir werden viel Arm oder reich seyn, ist weder wahre Schande Freude
3. Mein Sohn! wir ſind wohl arm; aber wir werden viel Arm oder reich ſeyn, iſt weder wahre Schande Freude
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3.
Mein Sohn! wir ſind wohl arm; aber wir werden viel
Gutes haben, ſo wir Gott fürchten, die Sünde meiden
und Gutes thun. Tob. 4, 22.
Arm oder reich ſeyn, iſt weder wahre Schande
noch wahre Ehre; keines macht das Glück oder
das Unglück des Menſchen aus. Die Weisheit der
Gläubigen, die Gottesfurcht und der Schatz guter
Werke, daß ſind die Reichthümer, welche den Geiſt
befriedigen, nie von uns weichen, und in der Ewig-
keit uns unvergängliche Freuden gewähren. O! ma-
che mich, mein Gott! nur ſo an der Seele reich.
Lehre mich bedenken, daß der Menſch nicht davon
lebt, daß er viele Güter habe. Laß mich des Bey-
ſpiels Jeſu Chriſti und ſeiner Jünger eingedenk ſeyn.
Auch er, mein Erlöſer! hatte nicht, wo er ſein Haupt
hinlegte; ſeine Apoſtel verlieſſen alles, und folgten
ihm nach. Auch ich will dir gerne folgen, mein
Jeſu! Was ſind dieſe vergängliche Güter gegen die
angenehme Zufriedenheit, die ich in dir finde? Was
ſind große Reichthümer als eine Laſt, welche die
Seele zur Erde drückt; eine beſtändige Verſuchung
zu mancherley Sünden; das kräftigſte Mittel den
Geiſt eitel zu machen. Meine Dürftigkeit führt mich
zu Gott; ſie treibt mich an, von ihm, meinem Va-
ter, alles demüthig zu bitten, und in einem heiligen
Wandel mich ſeiner Hülfe ſtets würdig zu machen.
Erhalte du nur, mein Gott! in mir den Schatz
eines reinen Gewiſſens; ſtärke mich, daß ich in
allen guten Werken reich werde. Erfülle mein
Herz mit der ſtillen Zufriedenheit, die mehr als der
Beſitz der ganzen Welt werth iſt. Gerne will ich
hier dürftig leben, wenn ich nur ewig reich werde.
Du, o Gott! biſt mir doch lieber, denn viel tau-
ſend Stücke Goldes und Silbers. Du biſt meine
Freude
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