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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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hast du mich bewahret! Du hast mir viel Unter-
richt, Stärke und Trost aus deinem Wort schöpfen
lassen! Du hast mir viele gute Gedanken und Em-
pfindungen eingeflößt. Du hast meine Arbeit und
meine Verrichtungen gesegnet, und mich deine Güte
auf mannigfaltige Weise empfinden lassen. Das
alles soll mich billig zur herzlichsten Dankbarkeit er-
wecken, und mich beschämt machen, wenn ich mir
des geringsten vorsetzlichen Undanks bewußt bin?

Aber nun soll mir billig auch die Frage sehr am
Herzen liegen, wie ich diese Woche zugebracht habe,
ob ich nun am Ende derselben viel besser, frömmer
und in dem Christenthume thätiger, in meinem Gott
seliger sey, als im Anfang derselben? Ob ich der
christlichen Vollkommenheit auch um eben so viel
näher sey, als ich nun in derselben dem Ende mei-
nes Lebens auf Erden näher gekommen bin? Ob
ich in dieser nun zum Ende eilenden Woche, weni-
ger Böses und mehr Gutes gethan habe, als in der
vorigen? Ob ich die Fehler, die ich am Ende der
vorigen Woche bereuet habe, oder doch hätte bereuen
sollen, in dieser Woche nicht wieder begangen habe?

Herr, mein Gott, ich bitte dich um den Geist
des rechten Ernstes, der mich diese Woche nicht be-
schliessen lasse, ohne daß ich besser und dir gefälliger
sey! Möchten mir doch alle Sünden, die ich diese
sieben Tage über begangen habe, wieder zu Sinn
kommen, ehe ich einschlafe; diese Sünden und alle
Wohlthaten, die ich dir als Mensch und Christ zu
danken habe, damit ich noch recht demüthig, schaam-
voll und zerknirscht mich deiner Erbarmung und Gna-
de wieder versichern könne.

Gieb auch, o barmherziger Gott, den Meini-
gen und vielen andern Menschen eben diese Gesin-

nungen

haſt du mich bewahret! Du haſt mir viel Unter-
richt, Stärke und Troſt aus deinem Wort ſchöpfen
laſſen! Du haſt mir viele gute Gedanken und Em-
pfindungen eingeflößt. Du haſt meine Arbeit und
meine Verrichtungen geſegnet, und mich deine Güte
auf mannigfaltige Weiſe empfinden laſſen. Das
alles ſoll mich billig zur herzlichſten Dankbarkeit er-
wecken, und mich beſchämt machen, wenn ich mir
des geringſten vorſetzlichen Undanks bewußt bin?

Aber nun ſoll mir billig auch die Frage ſehr am
Herzen liegen, wie ich dieſe Woche zugebracht habe,
ob ich nun am Ende derſelben viel beſſer, frömmer
und in dem Chriſtenthume thätiger, in meinem Gott
ſeliger ſey, als im Anfang derſelben? Ob ich der
chriſtlichen Vollkommenheit auch um eben ſo viel
näher ſey, als ich nun in derſelben dem Ende mei-
nes Lebens auf Erden näher gekommen bin? Ob
ich in dieſer nun zum Ende eilenden Woche, weni-
ger Böſes und mehr Gutes gethan habe, als in der
vorigen? Ob ich die Fehler, die ich am Ende der
vorigen Woche bereuet habe, oder doch hätte bereuen
ſollen, in dieſer Woche nicht wieder begangen habe?

Herr, mein Gott, ich bitte dich um den Geiſt
des rechten Ernſtes, der mich dieſe Woche nicht be-
ſchlieſſen laſſe, ohne daß ich beſſer und dir gefälliger
ſey! Möchten mir doch alle Sünden, die ich dieſe
ſieben Tage über begangen habe, wieder zu Sinn
kommen, ehe ich einſchlafe; dieſe Sünden und alle
Wohlthaten, die ich dir als Menſch und Chriſt zu
danken habe, damit ich noch recht demüthig, ſchaam-
voll und zerknirſcht mich deiner Erbarmung und Gna-
de wieder verſichern könne.

Gieb auch, o barmherziger Gott, den Meini-
gen und vielen andern Menſchen eben dieſe Geſin-

nungen
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[42/0044] haſt du mich bewahret! Du haſt mir viel Unter- richt, Stärke und Troſt aus deinem Wort ſchöpfen laſſen! Du haſt mir viele gute Gedanken und Em- pfindungen eingeflößt. Du haſt meine Arbeit und meine Verrichtungen geſegnet, und mich deine Güte auf mannigfaltige Weiſe empfinden laſſen. Das alles ſoll mich billig zur herzlichſten Dankbarkeit er- wecken, und mich beſchämt machen, wenn ich mir des geringſten vorſetzlichen Undanks bewußt bin? Aber nun ſoll mir billig auch die Frage ſehr am Herzen liegen, wie ich dieſe Woche zugebracht habe, ob ich nun am Ende derſelben viel beſſer, frömmer und in dem Chriſtenthume thätiger, in meinem Gott ſeliger ſey, als im Anfang derſelben? Ob ich der chriſtlichen Vollkommenheit auch um eben ſo viel näher ſey, als ich nun in derſelben dem Ende mei- nes Lebens auf Erden näher gekommen bin? Ob ich in dieſer nun zum Ende eilenden Woche, weni- ger Böſes und mehr Gutes gethan habe, als in der vorigen? Ob ich die Fehler, die ich am Ende der vorigen Woche bereuet habe, oder doch hätte bereuen ſollen, in dieſer Woche nicht wieder begangen habe? Herr, mein Gott, ich bitte dich um den Geiſt des rechten Ernſtes, der mich dieſe Woche nicht be- ſchlieſſen laſſe, ohne daß ich beſſer und dir gefälliger ſey! Möchten mir doch alle Sünden, die ich dieſe ſieben Tage über begangen habe, wieder zu Sinn kommen, ehe ich einſchlafe; dieſe Sünden und alle Wohlthaten, die ich dir als Menſch und Chriſt zu danken habe, damit ich noch recht demüthig, ſchaam- voll und zerknirſcht mich deiner Erbarmung und Gna- de wieder verſichern könne. Gieb auch, o barmherziger Gott, den Meini- gen und vielen andern Menſchen eben dieſe Geſin- nungen

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/44>, abgerufen am 25.11.2024.