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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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pfangen! An dir und deiner Fürsorge fehlet es nie;
wenn ich nur auch an Dankbarkeit, und an freu-
diger Ausübung meiner Pflichten und an der Treue
in meinem Beruf niemals nichts fehlen liesse! wenn
ich nur auch an meinem Orte thäte, was ich thun
könnte und sollte.

Wenn ich nur einen einzigen Tag vor mich neh-
me und durchgehe, wie vieles finde ich an meiner
Tugend und an meinem Fleiß und Eifer im Guten
auszusetzen! Auch der beste Tag geht nicht ganz ohne
Fehler hin.

Ich will nur den heutigen Tag, vor deinem An-
gesicht, o mein Gott, prüfen und nach der Vorschrift
meines Gewissens und deines Evangeliums abwä-
gen! Ich will nur bey meinen besondern Berufspflich-
ten bleiben, die ich heute morgen mit neuem Fleiß
und Eifer zu vollbringen, vor deinem Angesicht ver-
sprochen habe.

Ich will mich fragen; aber ich will mir auch
redlich und gewissenhaft antworten: -- Hab ich ge-
arbeitet? -- Bin ich nicht nachläßig, müßig und
träg in meinen Verrichtungen gewesen? Habe ich
mit Lust und Freude gearbeitet? Habe ich mir meine
Arbeit nach ihrer Beschaffenheit recht lassen angele-
gen seyn? Habe ich sie treulich und sorgfältig ver-
richtet? Habe ich niemand dabey auf einige Weise
vervortheilt? Habe ich das Gesetz der Ehrlichkeit:
Wie ihr wollet, daß euch die Leute thun, also thut
auch ihr ihnen, habe ich dies göttliche Gesetze heute
niemals übertreten? Habe ich niemanden etwas ab-
gefordert, oder abgenommen, das mir nicht ge-
bührte? Habe ich in meinem Beruf nichts unterlas-
sen, was ich hätte thun, und nichts gethan, was
ich hätte unterlassen sollen? Ist dieser Tag nicht um-
sonst vorbey gegangen? Habe ich so viel gethan, als
ich thun konnte?

Nun

pfangen! An dir und deiner Fürſorge fehlet es nie;
wenn ich nur auch an Dankbarkeit, und an freu-
diger Ausübung meiner Pflichten und an der Treue
in meinem Beruf niemals nichts fehlen lieſſe! wenn
ich nur auch an meinem Orte thäte, was ich thun
könnte und ſollte.

Wenn ich nur einen einzigen Tag vor mich neh-
me und durchgehe, wie vieles finde ich an meiner
Tugend und an meinem Fleiß und Eifer im Guten
auszuſetzen! Auch der beſte Tag geht nicht ganz ohne
Fehler hin.

Ich will nur den heutigen Tag, vor deinem An-
geſicht, o mein Gott, prüfen und nach der Vorſchrift
meines Gewiſſens und deines Evangeliums abwä-
gen! Ich will nur bey meinen beſondern Berufspflich-
ten bleiben, die ich heute morgen mit neuem Fleiß
und Eifer zu vollbringen, vor deinem Angeſicht ver-
ſprochen habe.

Ich will mich fragen; aber ich will mir auch
redlich und gewiſſenhaft antworten: — Hab ich ge-
arbeitet? — Bin ich nicht nachläßig, müßig und
träg in meinen Verrichtungen geweſen? Habe ich
mit Luſt und Freude gearbeitet? Habe ich mir meine
Arbeit nach ihrer Beſchaffenheit recht laſſen angele-
gen ſeyn? Habe ich ſie treulich und ſorgfältig ver-
richtet? Habe ich niemand dabey auf einige Weiſe
vervortheilt? Habe ich das Geſetz der Ehrlichkeit:
Wie ihr wollet, daß euch die Leute thun, alſo thut
auch ihr ihnen, habe ich dies göttliche Geſetze heute
niemals übertreten? Habe ich niemanden etwas ab-
gefordert, oder abgenommen, das mir nicht ge-
bührte? Habe ich in meinem Beruf nichts unterlaſ-
ſen, was ich hätte thun, und nichts gethan, was
ich hätte unterlaſſen ſollen? Iſt dieſer Tag nicht um-
ſonſt vorbey gegangen? Habe ich ſo viel gethan, als
ich thun konnte?

Nun
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[24/0026] pfangen! An dir und deiner Fürſorge fehlet es nie; wenn ich nur auch an Dankbarkeit, und an freu- diger Ausübung meiner Pflichten und an der Treue in meinem Beruf niemals nichts fehlen lieſſe! wenn ich nur auch an meinem Orte thäte, was ich thun könnte und ſollte. Wenn ich nur einen einzigen Tag vor mich neh- me und durchgehe, wie vieles finde ich an meiner Tugend und an meinem Fleiß und Eifer im Guten auszuſetzen! Auch der beſte Tag geht nicht ganz ohne Fehler hin. Ich will nur den heutigen Tag, vor deinem An- geſicht, o mein Gott, prüfen und nach der Vorſchrift meines Gewiſſens und deines Evangeliums abwä- gen! Ich will nur bey meinen beſondern Berufspflich- ten bleiben, die ich heute morgen mit neuem Fleiß und Eifer zu vollbringen, vor deinem Angeſicht ver- ſprochen habe. Ich will mich fragen; aber ich will mir auch redlich und gewiſſenhaft antworten: — Hab ich ge- arbeitet? — Bin ich nicht nachläßig, müßig und träg in meinen Verrichtungen geweſen? Habe ich mit Luſt und Freude gearbeitet? Habe ich mir meine Arbeit nach ihrer Beſchaffenheit recht laſſen angele- gen ſeyn? Habe ich ſie treulich und ſorgfältig ver- richtet? Habe ich niemand dabey auf einige Weiſe vervortheilt? Habe ich das Geſetz der Ehrlichkeit: Wie ihr wollet, daß euch die Leute thun, alſo thut auch ihr ihnen, habe ich dies göttliche Geſetze heute niemals übertreten? Habe ich niemanden etwas ab- gefordert, oder abgenommen, das mir nicht ge- bührte? Habe ich in meinem Beruf nichts unterlaſ- ſen, was ich hätte thun, und nichts gethan, was ich hätte unterlaſſen ſollen? Iſt dieſer Tag nicht um- ſonſt vorbey gegangen? Habe ich ſo viel gethan, als ich thun konnte? Nun

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/26>, abgerufen am 16.07.2024.