Ganz trocken will ich nun mit zwey Worten gewissenhaft den Hauptcharakter von jeder, wie er mir bekannt ist, hersetzen.
1. Hat viel Talente, die nah an Genie gränzen; tiefen musikalischen Sinn -- und ist kurz, trocken und fest in seinen Worten und Thaten -- die Statur lang, wankend, fleischig -- unscharf; der Charakter etwas rauh, aber treu und wohlbeholfen.
2. Hat viel Talente zur Musik. Die Statur ist etwas kürzer als 1, stiller, weniger beweg- lich. Die Umrisse des Gesichtes flach, einfach, rundlich.
3. Von einem Jünglinge von vielen Talenten und feinem Geschmack; mittelmäßiger Sta- tur und runder beynah etwas aufgeblasener Gesichtsform.
4. Eines jungen Künstlers von der größten Hoffnung. Die schönste unter allen, wie mir däucht. Länglichter runder Statur, runder Gesichtsform.
5. Eines jungen Künstlers von vielem Fleiße, vieler Bestimmtheit und scharfer Aufmerk- samkeit. Die Statur ist mittlerer Art. Alles vollrund, wie gedrechselt. Man sehe die dritte Zugabe A. den Umriß 1. und 2. und in B. 4. und 5.
6. Eines sehr talentreichen -- schlauen, aber -- nicht delikaten, nicht feinfühlenden Jüng- lings -- kurzer Statur, eckigter Gesichtsform. Sein Profil ist ziemlich kenntlich auf der S. 14. dieses Bandes abgedruckt.
[Abbildung]
Diese
I. Abſchnitt. III. Fragment.
Ganz trocken will ich nun mit zwey Worten gewiſſenhaft den Hauptcharakter von jeder, wie er mir bekannt iſt, herſetzen.
1. Hat viel Talente, die nah an Genie graͤnzen; tiefen muſikaliſchen Sinn — und iſt kurz, trocken und feſt in ſeinen Worten und Thaten — die Statur lang, wankend, fleiſchig — unſcharf; der Charakter etwas rauh, aber treu und wohlbeholfen.
2. Hat viel Talente zur Muſik. Die Statur iſt etwas kuͤrzer als 1, ſtiller, weniger beweg- lich. Die Umriſſe des Geſichtes flach, einfach, rundlich.
3. Von einem Juͤnglinge von vielen Talenten und feinem Geſchmack; mittelmaͤßiger Sta- tur und runder beynah etwas aufgeblaſener Geſichtsform.
4. Eines jungen Kuͤnſtlers von der groͤßten Hoffnung. Die ſchoͤnſte unter allen, wie mir daͤucht. Laͤnglichter runder Statur, runder Geſichtsform.
5. Eines jungen Kuͤnſtlers von vielem Fleiße, vieler Beſtimmtheit und ſcharfer Aufmerk- ſamkeit. Die Statur iſt mittlerer Art. Alles vollrund, wie gedrechſelt. Man ſehe die dritte Zugabe A. den Umriß 1. und 2. und in B. 4. und 5.
6. Eines ſehr talentreichen — ſchlauen, aber — nicht delikaten, nicht feinfuͤhlenden Juͤng- lings — kurzer Statur, eckigter Geſichtsform. Sein Profil iſt ziemlich kenntlich auf der S. 14. dieſes Bandes abgedruckt.
[Abbildung]
Dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0072"n="48"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Abſchnitt. <hirendition="#aq">III.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/><p>Ganz trocken will ich nun mit zwey Worten gewiſſenhaft den Hauptcharakter von jeder,<lb/>
wie er mir bekannt iſt, herſetzen.</p><lb/><p>1. Hat viel Talente, die nah an Genie graͤnzen; tiefen muſikaliſchen Sinn — und iſt kurz,<lb/>
trocken und feſt in ſeinen Worten und Thaten — die Statur lang, wankend, fleiſchig — unſcharf;<lb/>
der Charakter etwas rauh, aber treu und wohlbeholfen.</p><lb/><p>2. Hat viel Talente zur Muſik. Die Statur iſt etwas kuͤrzer als 1, ſtiller, weniger beweg-<lb/>
lich. Die Umriſſe des Geſichtes flach, einfach, rundlich.</p><lb/><p>3. Von einem Juͤnglinge von vielen Talenten und feinem Geſchmack; mittelmaͤßiger Sta-<lb/>
tur und runder beynah etwas aufgeblaſener Geſichtsform.</p><lb/><p>4. Eines jungen Kuͤnſtlers von der groͤßten Hoffnung. Die ſchoͤnſte unter allen, wie mir<lb/>
daͤucht. Laͤnglichter runder Statur, runder Geſichtsform.</p><lb/><p>5. Eines jungen Kuͤnſtlers von vielem Fleiße, vieler Beſtimmtheit und ſcharfer Aufmerk-<lb/>ſamkeit. Die Statur iſt mittlerer Art. Alles vollrund, wie gedrechſelt. Man ſehe die dritte Zugabe<lb/><hirendition="#aq">A.</hi> den Umriß 1. und 2. und in <hirendition="#aq">B.</hi> 4. und 5.</p><lb/><p>6. Eines ſehr talentreichen —ſchlauen, aber — nicht delikaten, nicht feinfuͤhlenden Juͤng-<lb/>
lings — kurzer Statur, eckigter Geſichtsform. Sein Profil iſt ziemlich kenntlich auf der S. 14.<lb/>
dieſes Bandes abgedruckt.</p><lb/><figure/><fwplace="bottom"type="catch">Dieſe</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[48/0072]
I. Abſchnitt. III. Fragment.
Ganz trocken will ich nun mit zwey Worten gewiſſenhaft den Hauptcharakter von jeder,
wie er mir bekannt iſt, herſetzen.
1. Hat viel Talente, die nah an Genie graͤnzen; tiefen muſikaliſchen Sinn — und iſt kurz,
trocken und feſt in ſeinen Worten und Thaten — die Statur lang, wankend, fleiſchig — unſcharf;
der Charakter etwas rauh, aber treu und wohlbeholfen.
2. Hat viel Talente zur Muſik. Die Statur iſt etwas kuͤrzer als 1, ſtiller, weniger beweg-
lich. Die Umriſſe des Geſichtes flach, einfach, rundlich.
3. Von einem Juͤnglinge von vielen Talenten und feinem Geſchmack; mittelmaͤßiger Sta-
tur und runder beynah etwas aufgeblaſener Geſichtsform.
4. Eines jungen Kuͤnſtlers von der groͤßten Hoffnung. Die ſchoͤnſte unter allen, wie mir
daͤucht. Laͤnglichter runder Statur, runder Geſichtsform.
5. Eines jungen Kuͤnſtlers von vielem Fleiße, vieler Beſtimmtheit und ſcharfer Aufmerk-
ſamkeit. Die Statur iſt mittlerer Art. Alles vollrund, wie gedrechſelt. Man ſehe die dritte Zugabe
A. den Umriß 1. und 2. und in B. 4. und 5.
6. Eines ſehr talentreichen — ſchlauen, aber — nicht delikaten, nicht feinfuͤhlenden Juͤng-
lings — kurzer Statur, eckigter Geſichtsform. Sein Profil iſt ziemlich kenntlich auf der S. 14.
dieſes Bandes abgedruckt.
[Abbildung]
Dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/72>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.