ben -- die ruhige, kräftige göttliche Anbetung -- nicht die Anbetung eines Sünders, der Barm- herzigkeit erflehen will, oder erfleht hat -- nicht die Anbetung des Engels, dem Seligkeit werden soll und worden ist -- sondern des verherrlichten Sohnes und Herrn; Anbetung hebt und trägt diesen edlen Körper in froher Freyheit -- Doch ist mir die Form und Miene des Kopfes nicht sanft, nicht menschenfreundlich, nicht kindlich genug, wie ich mir auch in seiner Herrlichkeit so gern den denke, der immer in Kindeseinfalt sprach und handelte. Es ist mehr des Herrn Gesicht, als des Heylandes.
Die nöthige Verkürzung abgerechnet, sind die Hände durch ihre Kürze unedel und gemein. Die schöne lange Gestalt duldet diese Breite der Hand und Kürze der Finger nicht.
Nah an Raphaels Christus stellte ich so gern einen von dem mißkannten -- aber beynahe raphaelischen Holzer, dem ich zu lieb so gern eine Wallfahrt nach Augspurg machte -- auch aus den schlechtesten Copien nach ihm zu schließen, hatte dieser Künstler -- seines gleichen nicht unter den Sterblichen. Wenn die nachstehende siebente, gewiß elende, Copie von ihm -- noch so beschaf- fen ist -- welch ein göttlicher Genius muß über dir geschwebt haben -- unersetzlicher Mann?
[Abbildung]
K. Das
IX. Abſchnitt. III. Fragment.
ben — die ruhige, kraͤftige goͤttliche Anbetung — nicht die Anbetung eines Suͤnders, der Barm- herzigkeit erflehen will, oder erfleht hat — nicht die Anbetung des Engels, dem Seligkeit werden ſoll und worden iſt — ſondern des verherrlichten Sohnes und Herrn; Anbetung hebt und traͤgt dieſen edlen Koͤrper in froher Freyheit — Doch iſt mir die Form und Miene des Kopfes nicht ſanft, nicht menſchenfreundlich, nicht kindlich genug, wie ich mir auch in ſeiner Herrlichkeit ſo gern den denke, der immer in Kindeseinfalt ſprach und handelte. Es iſt mehr des Herrn Geſicht, als des Heylandes.
Die noͤthige Verkuͤrzung abgerechnet, ſind die Haͤnde durch ihre Kuͤrze unedel und gemein. Die ſchoͤne lange Geſtalt duldet dieſe Breite der Hand und Kuͤrze der Finger nicht.
Nah an Raphaels Chriſtus ſtellte ich ſo gern einen von dem mißkannten — aber beynahe raphaeliſchen Holzer, dem ich zu lieb ſo gern eine Wallfahrt nach Augſpurg machte — auch aus den ſchlechteſten Copien nach ihm zu ſchließen, hatte dieſer Kuͤnſtler — ſeines gleichen nicht unter den Sterblichen. Wenn die nachſtehende ſiebente, gewiß elende, Copie von ihm — noch ſo beſchaf- fen iſt — welch ein goͤttlicher Genius muß uͤber dir geſchwebt haben — unerſetzlicher Mann?
[Abbildung]
K. Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0584"n="448"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IX.</hi> Abſchnitt. <hirendition="#aq">III.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/>
ben — die ruhige, kraͤftige goͤttliche Anbetung — nicht die Anbetung eines <hirendition="#fr">Suͤnders,</hi> der <hirendition="#fr">Barm-<lb/>
herzigkeit erflehen will, oder erfleht hat</hi>— nicht die Anbetung des <hirendition="#fr">Engels,</hi> dem Seligkeit<lb/>
werden ſoll und worden iſt —ſondern des verherrlichten Sohnes und Herrn; Anbetung hebt und<lb/>
traͤgt dieſen edlen Koͤrper in froher Freyheit — Doch iſt mir die Form und Miene des Kopfes nicht<lb/>ſanft, nicht menſchenfreundlich, nicht kindlich genug, wie ich mir auch in ſeiner Herrlichkeit ſo gern<lb/>
den denke, der immer in Kindeseinfalt ſprach und handelte. Es iſt mehr des <hirendition="#fr">Herrn</hi> Geſicht, als<lb/>
des <hirendition="#fr">Heylandes.</hi></p><lb/><p>Die noͤthige Verkuͤrzung abgerechnet, ſind die Haͤnde durch ihre Kuͤrze unedel und gemein.<lb/>
Die ſchoͤne lange Geſtalt duldet dieſe Breite der Hand und Kuͤrze der Finger nicht.</p><lb/><p>Nah an Raphaels Chriſtus ſtellte ich ſo gern einen von dem mißkannten — aber beynahe<lb/>
raphaeliſchen <hirendition="#fr">Holzer,</hi> dem ich zu lieb ſo gern eine Wallfahrt nach <hirendition="#fr">Augſpurg</hi> machte — auch aus<lb/>
den ſchlechteſten Copien nach ihm zu ſchließen, hatte dieſer Kuͤnſtler —ſeines gleichen nicht unter<lb/>
den Sterblichen. Wenn die nachſtehende ſiebente, gewiß elende, Copie von ihm — noch ſo beſchaf-<lb/>
fen iſt — welch ein goͤttlicher Genius muß uͤber dir geſchwebt haben — unerſetzlicher Mann?</p><lb/><figure/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">K.</hi> Das</hi></fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[448/0584]
IX. Abſchnitt. III. Fragment.
ben — die ruhige, kraͤftige goͤttliche Anbetung — nicht die Anbetung eines Suͤnders, der Barm-
herzigkeit erflehen will, oder erfleht hat — nicht die Anbetung des Engels, dem Seligkeit
werden ſoll und worden iſt — ſondern des verherrlichten Sohnes und Herrn; Anbetung hebt und
traͤgt dieſen edlen Koͤrper in froher Freyheit — Doch iſt mir die Form und Miene des Kopfes nicht
ſanft, nicht menſchenfreundlich, nicht kindlich genug, wie ich mir auch in ſeiner Herrlichkeit ſo gern
den denke, der immer in Kindeseinfalt ſprach und handelte. Es iſt mehr des Herrn Geſicht, als
des Heylandes.
Die noͤthige Verkuͤrzung abgerechnet, ſind die Haͤnde durch ihre Kuͤrze unedel und gemein.
Die ſchoͤne lange Geſtalt duldet dieſe Breite der Hand und Kuͤrze der Finger nicht.
Nah an Raphaels Chriſtus ſtellte ich ſo gern einen von dem mißkannten — aber beynahe
raphaeliſchen Holzer, dem ich zu lieb ſo gern eine Wallfahrt nach Augſpurg machte — auch aus
den ſchlechteſten Copien nach ihm zu ſchließen, hatte dieſer Kuͤnſtler — ſeines gleichen nicht unter
den Sterblichen. Wenn die nachſtehende ſiebente, gewiß elende, Copie von ihm — noch ſo beſchaf-
fen iſt — welch ein goͤttlicher Genius muß uͤber dir geſchwebt haben — unerſetzlicher Mann?
[Abbildung]
K. Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/584>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.