Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Christusbilder. H. Ein Christus nach Mengs. Des IV Ban-des LIX. Taf. Nach Mengs. Copie eines Mengs-Seidelmannischen Christus -- So viel schönes er haben mag -- I. Ein schwebender Christus nach Raphael. Des IV Ban-des LX. Tafel. Christus nach Raphael. Aus der berühmten Verklärung -- auch so noch ein großes, und wenn's etwas weni- ben, *) Es ist auch ein Fehler des Copisten, daß die beyden Augensterne nicht gleich groß sind.
Chriſtusbilder. H. Ein Chriſtus nach Mengs. Des IV Ban-des LIX. Taf. Nach Mengs. Copie eines Mengs-Seidelmanniſchen Chriſtus — So viel ſchoͤnes er haben mag — I. Ein ſchwebender Chriſtus nach Raphael. Des IV Ban-des LX. Tafel. Chriſtus nach Raphael. Aus der beruͤhmten Verklaͤrung — auch ſo noch ein großes, und wenn’s etwas weni- ben, *) Es iſt auch ein Fehler des Copiſten, daß die beyden Augenſterne nicht gleich groß ſind.
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Chriſtusbilder.
H. Ein Chriſtus nach Mengs.
Copie eines Mengs-Seidelmanniſchen Chriſtus — So viel ſchoͤnes er haben mag —
meinem Geſchmacke iſt er zu — galant! zu ſehr im Geſchmacke des achtzehnten Jahr-
hunderts. So einer gefiel aller Welt und wuͤrde nimmermehr gekreuzigt! — Zwar ſo viel Unſchuld
und Guͤte in dieſem Geſichte — nichts verſchobenes drinn! nichts gefurchtes! ſo eine runzelloſe, run-
zelunfaͤhige Stirn! ſo ſchoͤn gebogene Augenbraunen! ſo freundliche Augen! ſo eine zierliche Naſe —
ſo viel ſtille ungeſchwaͤtzige Holdſeligkeit im Munde — Der ganze Kopf, welche Wohlgeſtalt — ſo
wuͤrdig ſich tragend! Das Haar ſo wohl gelockt, ſo freyfliegend! — Jn Hals und Arm und Bruſt,
welche Harmonie! welches ſanfte unuͤbertriebene ſtille Leben! — Jch fuͤhle dieß alles, bewundre al-
les; ſehe das Studium des Meiſters und Meiſterhand — und waͤre blind, wenn ichs nicht ſaͤhe —
aber wuͤrde denn der edle, große Meiſter zuͤrnen, wenn ich fragte: — Sind dieſe Augen nicht nur
gut, ſondern auch groß? nicht nur — unſchuldig — ſondern auch Heldenaugen? *) Dieſer Zwi-
ſchenraum zwiſchen den Augenbraunen — iſt er gedacht oder denkend, ſich vollendend — oder vol-
lendet genug? Die Augenbraunen ſelbſt — nicht zu jungfraͤulich? Jſt wahre Erhabenheit — iſt
Groͤße — iſt mehr als gerechte Guͤte und edler Muth im Munde? Jſt er nicht offenbar in einem
Mißverhaͤltniſſe mit der Naſe? — Jſt nichts ſchiefes in der Mitte ſeiner Mittellinie? und ein einfaͤl-
tiges niederfließendes Haar — waͤr’s nicht fuͤr die Einfalt des Lammes Gottes anſtaͤndiger — und
wie viel fehlt noch dem Barte an Adel, Wahrheit und Kraft? — Und dann noch ein Paar Fra-
gen: Jſt der Jude, der Nazarener ſichtbar genug? Dieß Geſicht, leidet’s? hat’s gelitten? wird’s
leiden? oder iſt’s vollendet durch Leiden? wenn’s, wie ich vermuthe, den Auferſtandenen dar-
ſtellen ſoll — iſt das Geſicht durch Leiden verherrlichet — und welcher Moment iſt ergriffen?
Spricht’s? hat’s geſprochen? will’s ſprechen? und was? und wo? und wenn? und mit wem?
Erſcheint er? ſchaut er? oder ſtaunt er bloß unſchuldig — hin? — — Und doch muß ich wieder
ſagen: Wenn uns ein ſolcher Menſch begegnete — wuͤrde er uns nicht gefallen? wuͤrde uns nicht
wohl bey ihm ſeyn? wuͤrden wir nicht ſagen: Seht! welch ein Menſch!
I. Ein ſchwebender Chriſtus nach Raphael.
Aus der beruͤhmten Verklaͤrung — auch ſo noch ein großes, und wenn’s etwas weni-
ger geviert, etwas mehr oval waͤre, ein erhabenes Geſicht. Groß durch Einfachheit
und Unverworrenheit aller Theile; beſonders auch durch die Augenbogen, und den brei-
ten parallelen Ruͤcken der Naſe. Groß und kraftvoll das Ganze in ſeinem ſanften frohen Schwe-
ben,
*) Es iſt auch ein Fehler des Copiſten, daß die beyden Augenſterne nicht gleich groß ſind.
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