Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Von den Kennzeichen der Gesundheit und Krankheit. Nicht eine bloße Semiothik gegenwärtiger, naher oder vergangener Krankheiten; nicht [Spaltenumbruch]
"wegungen der Hand gegen die Stirne, ein vielfälti- "ges Suchen in der Luft, und Rupfen an der Wand, "an den Bettlachen und dem Bette sind von dieser Art. "Die Lage im Bette ist sehr deutliches Merkmal der "innwendigen Beschaffenheit der Kranken, und verdient "darum als ein Zeichen alle Aufmerksamkeit. Wie mehr "in Entzündungskrankheiten die Lage unordentlich ist, "desto gewisser schließt man auf die innwendige Angst, "und endlich auf die Gefahr. Hippokrates hat uns "die Stellungen der Kranken in diesen Fällen mit einer "Wahrheit abgemahlt, die nichts zu wünschen übrig "läßt. -- Die beste Lage in Krankheiten ist die ge- "wohnte Lage in gesunden Tagen." -- Und nun noch einige andere Bemerkungen dieses über allen Neid uri- noser Jgnoranz erhabenen Arztes und Menschenkenners. S. 452. "Swift war mager, so lange ihn die Ehr- "sucht und allerley Gram plagte, nachdem er aber den "Verstand gänzlich verloren hatte, wurde er auch wie- "der fett." Unübertrefflich ist seine Schilderung des Neides, und seiner Wirkungen auf den Körper im XI. Capitel des II. Theils. "Der Neid äußert seine Wirkungen schon "bey Kindern. Sie werden dadurch ganz elend und ma- "ger, und verfallen leicht in eine Dörrsucht. Der Neid "nimmt überhaupt die Eßlust, macht schlaflos, und zu "fiebrischen Bewegungen geneigt. Er giebt ein schwer- "müthiges, schnaubendes, ungeduldiges, banges und "engbrüstiges Wesen -- Der gute Namen anderer, an "denen er sich mit verstellter und in seinem Herzen "nicht liegender Verachtung und Verkleinerung zu rä- "chen sucht, hängt wie ein Schwert an einem Härchen "über seinem Haupte. Er möchte andere jede Stunde "martern, und er selbst ist jede Stunde gemartert. -- "Auch der Lachnarr wird trübe, sobald der Neid, dieser "wahre und eigentliche Teufel, in ihm zu wirken an- "fängt, und er sieht, daß er vergeblich sich ereifert, "die Verdienste zu erniedrigen, die er nicht erreichen [Spaltenumbruch] "kann. Seine Augen rollen herum; er nickt mit der "Stirne; er wird sauer, mürrisch, und hängt das Maul. "Zwar giebt es auch Neider, die zu einem hohen Alter "gelangen. Sie haben in ihrem Gift duftenden Win- "kel, durch zahnlose Furien begeistert, sich aller Gele- "genheiten Böses zu thun bedient; sie haben nach ihrer "besten Möglichkeit auf jede gute That, auf jeden ehr- "lichen Namen ihren höllischen Geifer gespritzt; sie "haben die Sache aller Bösewichter verfochten; sie ha- "ben alle Begriffe des Rechts und Unrechts ihr langes "Leben hindurch verdreht; sie haben die reinste Unschuld "und die bewährteste Tugend in ihren Eingeweiden blu- "ten gemacht -- darum befinden sie sich wohl, wenn "auch ihre Gesichter dem Abgrunde, und ihre Köpfe "umgekehrten Besen gleichen." -- *) Die bekannten und oft von den Aerzten angeführ-
ten semiothischen Schriftsteller sind Aretäus, Lomnius, Aemilius Campolongus, Wolf, Hoffmann, Wedel, Schrader, Vater. Baco in seiner Historia vitae et mortis in oper. p. m. 518. und Boerhave in seinen institutionibus medicis § 885. n. 5. haben auch etwas weniges. Die Zeichen, so sich bey den alten griechischen Schriftstellern, dem Hippokrates, Galenus u. s. f. be- finden, hat, wie mir Herr Canonikus Geßner sagt, Ludov. Duretus in Coacis Hippocratis. Lutet. Paris. 1621. Prosper Alpinus in libro de praesagienda vita et morte aegrotantium in Edit. Lugd. Bat. 1710. p. 293. gesammelt. Zwo Dissertationen hierüber sind mir auch durch eben diesen Gönner bekannt worden -- De prosoposcopia medica von Samuel Quelmalz, Leipzig, 1748. und de facie morborum indice, seu mor- borum aestimatione ex facie, von dem berühmten Stahl, Halle, 1700. Aber Thomae Fieni philosophi ac medici praestan- tissimi Semiotice sive de signis medicis. Lugduni 1664. ist wohl das vollständigste, ausführlichste, lesenswür- digste; Von den Kennzeichen der Geſundheit und Krankheit. Nicht eine bloße Semiothik gegenwaͤrtiger, naher oder vergangener Krankheiten; nicht [Spaltenumbruch]
„wegungen der Hand gegen die Stirne, ein vielfaͤlti- „ges Suchen in der Luft, und Rupfen an der Wand, „an den Bettlachen und dem Bette ſind von dieſer Art. „Die Lage im Bette iſt ſehr deutliches Merkmal der „innwendigen Beſchaffenheit der Kranken, und verdient „darum als ein Zeichen alle Aufmerkſamkeit. Wie mehr „in Entzuͤndungskrankheiten die Lage unordentlich iſt, „deſto gewiſſer ſchließt man auf die innwendige Angſt, „und endlich auf die Gefahr. Hippokrates hat uns „die Stellungen der Kranken in dieſen Faͤllen mit einer „Wahrheit abgemahlt, die nichts zu wuͤnſchen uͤbrig „laͤßt. — Die beſte Lage in Krankheiten iſt die ge- „wohnte Lage in geſunden Tagen.“ — Und nun noch einige andere Bemerkungen dieſes uͤber allen Neid uri- noſer Jgnoranz erhabenen Arztes und Menſchenkenners. S. 452. „Swift war mager, ſo lange ihn die Ehr- „ſucht und allerley Gram plagte, nachdem er aber den „Verſtand gaͤnzlich verloren hatte, wurde er auch wie- „der fett.“ Unuͤbertrefflich iſt ſeine Schilderung des Neides, und ſeiner Wirkungen auf den Koͤrper im XI. Capitel des II. Theils. „Der Neid aͤußert ſeine Wirkungen ſchon „bey Kindern. Sie werden dadurch ganz elend und ma- „ger, und verfallen leicht in eine Doͤrrſucht. Der Neid „nimmt uͤberhaupt die Eßluſt, macht ſchlaflos, und zu „fiebriſchen Bewegungen geneigt. Er giebt ein ſchwer- „muͤthiges, ſchnaubendes, ungeduldiges, banges und „engbruͤſtiges Weſen — Der gute Namen anderer, an „denen er ſich mit verſtellter und in ſeinem Herzen „nicht liegender Verachtung und Verkleinerung zu raͤ- „chen ſucht, haͤngt wie ein Schwert an einem Haͤrchen „uͤber ſeinem Haupte. Er moͤchte andere jede Stunde „martern, und er ſelbſt iſt jede Stunde gemartert. — „Auch der Lachnarr wird truͤbe, ſobald der Neid, dieſer „wahre und eigentliche Teufel, in ihm zu wirken an- „faͤngt, und er ſieht, daß er vergeblich ſich ereifert, „die Verdienſte zu erniedrigen, die er nicht erreichen [Spaltenumbruch] „kann. Seine Augen rollen herum; er nickt mit der „Stirne; er wird ſauer, muͤrriſch, und haͤngt das Maul. „Zwar giebt es auch Neider, die zu einem hohen Alter „gelangen. Sie haben in ihrem Gift duftenden Win- „kel, durch zahnloſe Furien begeiſtert, ſich aller Gele- „genheiten Boͤſes zu thun bedient; ſie haben nach ihrer „beſten Moͤglichkeit auf jede gute That, auf jeden ehr- „lichen Namen ihren hoͤlliſchen Geifer geſpritzt; ſie „haben die Sache aller Boͤſewichter verfochten; ſie ha- „ben alle Begriffe des Rechts und Unrechts ihr langes „Leben hindurch verdreht; ſie haben die reinſte Unſchuld „und die bewaͤhrteſte Tugend in ihren Eingeweiden blu- „ten gemacht — darum befinden ſie ſich wohl, wenn „auch ihre Geſichter dem Abgrunde, und ihre Koͤpfe „umgekehrten Beſen gleichen.“ — *) Die bekannten und oft von den Aerzten angefuͤhr-
ten ſemiothiſchen Schriftſteller ſind Aretaͤus, Lomnius, Aemilius Campolongus, Wolf, Hoffmann, Wedel, Schrader, Vater. Baco in ſeiner Hiſtoria vitae et mortis in oper. p. m. 518. und Boerhave in ſeinen inſtitutionibus medicis § 885. n. 5. haben auch etwas weniges. Die Zeichen, ſo ſich bey den alten griechiſchen Schriftſtellern, dem Hippokrates, Galenus u. ſ. f. be- finden, hat, wie mir Herr Canonikus Geßner ſagt, Ludov. Duretus in Coacis Hippocratis. Lutet. Paris. 1621. Proſper Alpinus in libro de praeſagienda vita et morte aegrotantium in Edit. Lugd. Bat. 1710. p. 293. geſammelt. Zwo Diſſertationen hieruͤber ſind mir auch durch eben dieſen Goͤnner bekannt worden — De proſopoſcopia medica von Samuel Quelmalz, Leipzig, 1748. und de facie morborum indice, ſeu mor- borum aeſtimatione ex facie, von dem beruͤhmten Stahl, Halle, 1700. Aber Thomae Fieni philoſophi ac medici praeſtan- tiſſimi Semiotice ſive de ſignis medicis. 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Von den Kennzeichen der Geſundheit und Krankheit.
Nicht eine bloße Semiothik gegenwaͤrtiger, naher oder vergangener Krankheiten; nicht
bloß eine Prognoſtik des Ausganges vorhandener Krankheiten. Wir ſehen unten das Beſte und
Kernhafteſte aus den ſemiothiſchen Schriften, ſofern es zu unſerm Zwecke dienen mag. Mehr wird
man von uns nicht erwarten. *) Genug, wenn ein weiſer Arzt dieſen einzigen Wink aufnimmt —
und daruͤber Verſuche anſtellet.
*)
*) Die bekannten und oft von den Aerzten angefuͤhr-
ten ſemiothiſchen Schriftſteller ſind Aretaͤus, Lomnius,
Aemilius Campolongus, Wolf, Hoffmann, Wedel,
Schrader, Vater. Baco in ſeiner Hiſtoria vitae et
mortis in oper. p. m. 518. und Boerhave in ſeinen
inſtitutionibus medicis § 885. n. 5. haben auch etwas
weniges. Die Zeichen, ſo ſich bey den alten griechiſchen
Schriftſtellern, dem Hippokrates, Galenus u. ſ. f. be-
finden, hat, wie mir Herr Canonikus Geßner ſagt,
Ludov. Duretus in Coacis Hippocratis. Lutet. Paris.
1621. Proſper Alpinus in libro de praeſagienda vita
et morte aegrotantium in Edit. Lugd. Bat. 1710. p.
293. geſammelt. Zwo Diſſertationen hieruͤber ſind mir
auch durch eben dieſen Goͤnner bekannt worden —
De proſopoſcopia medica von Samuel Quelmalz,
Leipzig, 1748. und de facie morborum indice, ſeu mor-
borum aeſtimatione ex facie, von dem beruͤhmten
Stahl, Halle, 1700.
Aber Thomae Fieni philoſophi ac medici praeſtan-
tiſſimi Semiotice ſive de ſignis medicis. Lugduni 1664.
iſt wohl das vollſtaͤndigſte, ausfuͤhrlichſte, leſenswuͤr-
digſte;
*)
„wegungen der Hand gegen die Stirne, ein vielfaͤlti-
„ges Suchen in der Luft, und Rupfen an der Wand,
„an den Bettlachen und dem Bette ſind von dieſer Art.
„Die Lage im Bette iſt ſehr deutliches Merkmal der
„innwendigen Beſchaffenheit der Kranken, und verdient
„darum als ein Zeichen alle Aufmerkſamkeit. Wie mehr
„in Entzuͤndungskrankheiten die Lage unordentlich iſt,
„deſto gewiſſer ſchließt man auf die innwendige Angſt,
„und endlich auf die Gefahr. Hippokrates hat uns
„die Stellungen der Kranken in dieſen Faͤllen mit einer
„Wahrheit abgemahlt, die nichts zu wuͤnſchen uͤbrig
„laͤßt. — Die beſte Lage in Krankheiten iſt die ge-
„wohnte Lage in geſunden Tagen.“ — Und nun noch
einige andere Bemerkungen dieſes uͤber allen Neid uri-
noſer Jgnoranz erhabenen Arztes und Menſchenkenners.
S. 452. „Swift war mager, ſo lange ihn die Ehr-
„ſucht und allerley Gram plagte, nachdem er aber den
„Verſtand gaͤnzlich verloren hatte, wurde er auch wie-
„der fett.“
Unuͤbertrefflich iſt ſeine Schilderung des Neides, und
ſeiner Wirkungen auf den Koͤrper im XI. Capitel des
II. Theils. „Der Neid aͤußert ſeine Wirkungen ſchon
„bey Kindern. Sie werden dadurch ganz elend und ma-
„ger, und verfallen leicht in eine Doͤrrſucht. Der Neid
„nimmt uͤberhaupt die Eßluſt, macht ſchlaflos, und zu
„fiebriſchen Bewegungen geneigt. Er giebt ein ſchwer-
„muͤthiges, ſchnaubendes, ungeduldiges, banges und
„engbruͤſtiges Weſen — Der gute Namen anderer, an
„denen er ſich mit verſtellter und in ſeinem Herzen
„nicht liegender Verachtung und Verkleinerung zu raͤ-
„chen ſucht, haͤngt wie ein Schwert an einem Haͤrchen
„uͤber ſeinem Haupte. Er moͤchte andere jede Stunde
„martern, und er ſelbſt iſt jede Stunde gemartert. —
„Auch der Lachnarr wird truͤbe, ſobald der Neid, dieſer
„wahre und eigentliche Teufel, in ihm zu wirken an-
„faͤngt, und er ſieht, daß er vergeblich ſich ereifert,
„die Verdienſte zu erniedrigen, die er nicht erreichen
„kann. Seine Augen rollen herum; er nickt mit der
„Stirne; er wird ſauer, muͤrriſch, und haͤngt das Maul.
„Zwar giebt es auch Neider, die zu einem hohen Alter
„gelangen. Sie haben in ihrem Gift duftenden Win-
„kel, durch zahnloſe Furien begeiſtert, ſich aller Gele-
„genheiten Boͤſes zu thun bedient; ſie haben nach ihrer
„beſten Moͤglichkeit auf jede gute That, auf jeden ehr-
„lichen Namen ihren hoͤlliſchen Geifer geſpritzt; ſie
„haben die Sache aller Boͤſewichter verfochten; ſie ha-
„ben alle Begriffe des Rechts und Unrechts ihr langes
„Leben hindurch verdreht; ſie haben die reinſte Unſchuld
„und die bewaͤhrteſte Tugend in ihren Eingeweiden blu-
„ten gemacht — darum befinden ſie ſich wohl, wenn
„auch ihre Geſichter dem Abgrunde, und ihre Koͤpfe
„umgekehrten Beſen gleichen.“ —
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