Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.VI. Abschnitt. VI. Fragment. Körper, die zu dieser oder jener Krankheit vorzügliche Disposition hätten, bezeichnen. Jch bin un-beschreiblich unwissend in Ansehung der Krankheiten und der Kennzeichen der Krankheiten. Jndes- sen darf ich doch meinen wenigen Beobachtungen zufolge mit einiger Zuversicht behaupten: Jch glau- be, durch öftere Beobachtung der festen Theile und Umrisse des Körpers und des Gesichtes vieler Kranken lassen sich nicht schwer die Dispositionscharakter der Gesunden zu den gefährlichsten Krank- heiten auch in dem gesundesten Zustande voraus erkennen. Wie unendlich wichtig wäre eine solche physiognomische Semiothik, oder in der Natur des Körpers und seiner Bauart gegründete Pro- gnostik der möglichen, der wahrscheinlichen Krankheiten! Wie wichtig, wenn der Arzt mit über- wiegender Wahrscheinlichkeit zum Gesunden sagen könnte -- "Natürlicher Weise hast du einst diese "oder jene Krankheit zu erwarten! Nimm dich vor diesem, vor jenem wohl in Acht! Wie das Po- "ckengift in deinem Leibe schlummert, und so und so erweckt wird -- so die Hektik! so das hitzige "Fieber! so das kalte!" -- -- Eine physiognomische Diätetik -- Zimmermann! *) so ein Werk wäre deiner würdig. Nicht *) Man lese nach in seinem vortrefflichen Werke von
der Erfahrung, wie charakteristisch er verschiedene lei- denschaftlich kranke Zustände beschreibt. Einige Stellen hier zu lesen, die meinen Wunsch rechtfertigen, und zu- gleich die merkwürdigsten semiothischen Bemerkungen enthalten, kann niemandem unangenehm seyn. Die erste ist aus dem VIII. Capitel des I. Theils S. 401. f. "Der Beobachtungsgeist sucht die Physiognomie der "Krankheiten. Die Physiognomie ist zwar über den "ganzen Körper verbreitet; allein es giebt auch Zeichen "der Krankheiten, ihrer Abänderungen und ihres Fort- "ganges in den Zügen und dem Wesen des Angesichtes "überhaupt und seiner Theile. Der Kranke hat zuwei- "len die Miene seiner Krankheit. Jn hitzigen Fiebern, "in Gallenfiebern, in abzehrenden Fiebern, in der Bleich- "sucht, in der gemeinen und der schwarzen Gelbsucht, "in Würmern," -- (So ist mir Jgnoranten die Band- wurmphysiognomie schon mehrmals kenntlich gewesen) "in der wütenden Geilheit sieht der schlechteste Beobach- "ter diese Miene -- Wie mehr in hitzigen Fiebern das "Angesicht von seiner natürlichen Miene abweicht, de- "sto gefährlicher ist diese Veränderung. Ein Mensch, "der mich mit einem rothen Angesichte verirrt und wild "anschaut, da seine Blicke sonst sanft und stille waren, "verkündigt mir eine Verwirrung. Jch habe aber auch [Spaltenumbruch] "mit einem blassen Angesichte einen unbeschreiblich wil- "den Blick gesehen, da sich in einer Brustentzündung "die Natur einem Anfall näherte, da der Kranke über "und über kalt, und sogar sinnlos war. -- Ein blöder "Anblick, hangende und blasse Lippen werden in hitzigen "Fiebern für schlimm gehalten, weil sie eine große Ent- "kräftung bedeuten. Ein Angesicht, das in hitzigen Fie- "bern plötzlich zusammenfällt, ist höchst gefährlich. Der "Brand ist da, wenn in einer heftigen Entzündung die "Nase spitzig, das Angesicht bleyfarbig, und die Lip- "pen bläulicht sind. Ueberhaupt kann in dem Angesichte "etwas fürchterliches liegen, das aus andern Zeichen "nicht kennbar ist, und doch sehr viel bedeutet. Jn "den Augen haben wir verschiedenes zu beobachten. "Boerhave sah den Kranken mit einem Vergrößerungs- "glase in die Augen, damit er sehe, ob das Blut in die "kleinern Gefäße trete. Hippokrates hielt für schlimm, "wenn die Augen das Licht flohen; wenn die Thränen "wider des Kranken Willen flossen; wenn die Augen "schielend wurden; wenn eines kleiner ward als das "andere; wenn das Weiße roth ward; wenn ihre Aeder- "chen schwärzlicht wurden, zu sehr hervorbrachen, oder "zu tief sich zurückzogen. S. 432. Die Bewegungen "der Kranken, ihre Lage im Bette -- gehören ebenfalls "unter die besondern Zeichen der Krankheiten. Die Be- wegun- VI. Abſchnitt. VI. Fragment. Koͤrper, die zu dieſer oder jener Krankheit vorzuͤgliche Diſpoſition haͤtten, bezeichnen. Jch bin un-beſchreiblich unwiſſend in Anſehung der Krankheiten und der Kennzeichen der Krankheiten. Jndeſ- ſen darf ich doch meinen wenigen Beobachtungen zufolge mit einiger Zuverſicht behaupten: Jch glau- be, durch oͤftere Beobachtung der feſten Theile und Umriſſe des Koͤrpers und des Geſichtes vieler Kranken laſſen ſich nicht ſchwer die Diſpoſitionscharakter der Geſunden zu den gefaͤhrlichſten Krank- heiten auch in dem geſundeſten Zuſtande voraus erkennen. Wie unendlich wichtig waͤre eine ſolche phyſiognomiſche Semiothik, oder in der Natur des Koͤrpers und ſeiner Bauart gegruͤndete Pro- gnoſtik der moͤglichen, der wahrſcheinlichen Krankheiten! Wie wichtig, wenn der Arzt mit uͤber- wiegender Wahrſcheinlichkeit zum Geſunden ſagen koͤnnte — „Natuͤrlicher Weiſe haſt du einſt dieſe „oder jene Krankheit zu erwarten! Nimm dich vor dieſem, vor jenem wohl in Acht! Wie das Po- „ckengift in deinem Leibe ſchlummert, und ſo und ſo erweckt wird — ſo die Hektik! ſo das hitzige „Fieber! ſo das kalte!“ — — Eine phyſiognomiſche Diaͤtetik — Zimmermann! *) ſo ein Werk waͤre deiner wuͤrdig. Nicht *) Man leſe nach in ſeinem vortrefflichen Werke von
der Erfahrung, wie charakteriſtiſch er verſchiedene lei- denſchaftlich kranke Zuſtaͤnde beſchreibt. Einige Stellen hier zu leſen, die meinen Wunſch rechtfertigen, und zu- gleich die merkwuͤrdigſten ſemiothiſchen Bemerkungen enthalten, kann niemandem unangenehm ſeyn. Die erſte iſt aus dem VIII. Capitel des I. Theils S. 401. f. „Der Beobachtungsgeiſt ſucht die Phyſiognomie der „Krankheiten. Die Phyſiognomie iſt zwar uͤber den „ganzen Koͤrper verbreitet; allein es giebt auch Zeichen „der Krankheiten, ihrer Abaͤnderungen und ihres Fort- „ganges in den Zuͤgen und dem Weſen des Angeſichtes „uͤberhaupt und ſeiner Theile. Der Kranke hat zuwei- „len die Miene ſeiner Krankheit. Jn hitzigen Fiebern, „in Gallenfiebern, in abzehrenden Fiebern, in der Bleich- „ſucht, in der gemeinen und der ſchwarzen Gelbſucht, „in Wuͤrmern,“ — (So iſt mir Jgnoranten die Band- wurmphyſiognomie ſchon mehrmals kenntlich geweſen) „in der wuͤtenden Geilheit ſieht der ſchlechteſte Beobach- „ter dieſe Miene — Wie mehr in hitzigen Fiebern das „Angeſicht von ſeiner natuͤrlichen Miene abweicht, de- „ſto gefaͤhrlicher iſt dieſe Veraͤnderung. Ein Menſch, „der mich mit einem rothen Angeſichte verirrt und wild „anſchaut, da ſeine Blicke ſonſt ſanft und ſtille waren, „verkuͤndigt mir eine Verwirrung. Jch habe aber auch [Spaltenumbruch] „mit einem blaſſen Angeſichte einen unbeſchreiblich wil- „den Blick geſehen, da ſich in einer Bruſtentzuͤndung „die Natur einem Anfall naͤherte, da der Kranke uͤber „und uͤber kalt, und ſogar ſinnlos war. — Ein bloͤder „Anblick, hangende und blaſſe Lippen werden in hitzigen „Fiebern fuͤr ſchlimm gehalten, weil ſie eine große Ent- „kraͤftung bedeuten. Ein Angeſicht, das in hitzigen Fie- „bern ploͤtzlich zuſammenfaͤllt, iſt hoͤchſt gefaͤhrlich. Der „Brand iſt da, wenn in einer heftigen Entzuͤndung die „Naſe ſpitzig, das Angeſicht bleyfarbig, und die Lip- „pen blaͤulicht ſind. Ueberhaupt kann in dem Angeſichte „etwas fuͤrchterliches liegen, das aus andern Zeichen „nicht kennbar iſt, und doch ſehr viel bedeutet. Jn „den Augen haben wir verſchiedenes zu beobachten. „Boerhave ſah den Kranken mit einem Vergroͤßerungs- „glaſe in die Augen, damit er ſehe, ob das Blut in die „kleinern Gefaͤße trete. Hippokrates hielt fuͤr ſchlimm, „wenn die Augen das Licht flohen; wenn die Thraͤnen „wider des Kranken Willen floſſen; wenn die Augen „ſchielend wurden; wenn eines kleiner ward als das „andere; wenn das Weiße roth ward; wenn ihre Aeder- „chen ſchwaͤrzlicht wurden, zu ſehr hervorbrachen, oder „zu tief ſich zuruͤckzogen. S. 432. Die Bewegungen „der Kranken, ihre Lage im Bette — gehoͤren ebenfalls „unter die beſondern Zeichen der Krankheiten. 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VI. Abſchnitt. VI. Fragment.
Koͤrper, die zu dieſer oder jener Krankheit vorzuͤgliche Diſpoſition haͤtten, bezeichnen. Jch bin un-
beſchreiblich unwiſſend in Anſehung der Krankheiten und der Kennzeichen der Krankheiten. Jndeſ-
ſen darf ich doch meinen wenigen Beobachtungen zufolge mit einiger Zuverſicht behaupten: Jch glau-
be, durch oͤftere Beobachtung der feſten Theile und Umriſſe des Koͤrpers und des Geſichtes vieler
Kranken laſſen ſich nicht ſchwer die Diſpoſitionscharakter der Geſunden zu den gefaͤhrlichſten Krank-
heiten auch in dem geſundeſten Zuſtande voraus erkennen. Wie unendlich wichtig waͤre eine ſolche
phyſiognomiſche Semiothik, oder in der Natur des Koͤrpers und ſeiner Bauart gegruͤndete Pro-
gnoſtik der moͤglichen, der wahrſcheinlichen Krankheiten! Wie wichtig, wenn der Arzt mit uͤber-
wiegender Wahrſcheinlichkeit zum Geſunden ſagen koͤnnte — „Natuͤrlicher Weiſe haſt du einſt dieſe
„oder jene Krankheit zu erwarten! Nimm dich vor dieſem, vor jenem wohl in Acht! Wie das Po-
„ckengift in deinem Leibe ſchlummert, und ſo und ſo erweckt wird — ſo die Hektik! ſo das hitzige
„Fieber! ſo das kalte!“ — — Eine phyſiognomiſche Diaͤtetik — Zimmermann! *) ſo ein
Werk waͤre deiner wuͤrdig.
Nicht
*) Man leſe nach in ſeinem vortrefflichen Werke von
der Erfahrung, wie charakteriſtiſch er verſchiedene lei-
denſchaftlich kranke Zuſtaͤnde beſchreibt. Einige Stellen
hier zu leſen, die meinen Wunſch rechtfertigen, und zu-
gleich die merkwuͤrdigſten ſemiothiſchen Bemerkungen
enthalten, kann niemandem unangenehm ſeyn. Die
erſte iſt aus dem VIII. Capitel des I. Theils S. 401. f.
„Der Beobachtungsgeiſt ſucht die Phyſiognomie der
„Krankheiten. Die Phyſiognomie iſt zwar uͤber den
„ganzen Koͤrper verbreitet; allein es giebt auch Zeichen
„der Krankheiten, ihrer Abaͤnderungen und ihres Fort-
„ganges in den Zuͤgen und dem Weſen des Angeſichtes
„uͤberhaupt und ſeiner Theile. Der Kranke hat zuwei-
„len die Miene ſeiner Krankheit. Jn hitzigen Fiebern,
„in Gallenfiebern, in abzehrenden Fiebern, in der Bleich-
„ſucht, in der gemeinen und der ſchwarzen Gelbſucht,
„in Wuͤrmern,“ — (So iſt mir Jgnoranten die Band-
wurmphyſiognomie ſchon mehrmals kenntlich geweſen)
„in der wuͤtenden Geilheit ſieht der ſchlechteſte Beobach-
„ter dieſe Miene — Wie mehr in hitzigen Fiebern das
„Angeſicht von ſeiner natuͤrlichen Miene abweicht, de-
„ſto gefaͤhrlicher iſt dieſe Veraͤnderung. Ein Menſch,
„der mich mit einem rothen Angeſichte verirrt und wild
„anſchaut, da ſeine Blicke ſonſt ſanft und ſtille waren,
„verkuͤndigt mir eine Verwirrung. Jch habe aber auch
„mit einem blaſſen Angeſichte einen unbeſchreiblich wil-
„den Blick geſehen, da ſich in einer Bruſtentzuͤndung
„die Natur einem Anfall naͤherte, da der Kranke uͤber
„und uͤber kalt, und ſogar ſinnlos war. — Ein bloͤder
„Anblick, hangende und blaſſe Lippen werden in hitzigen
„Fiebern fuͤr ſchlimm gehalten, weil ſie eine große Ent-
„kraͤftung bedeuten. Ein Angeſicht, das in hitzigen Fie-
„bern ploͤtzlich zuſammenfaͤllt, iſt hoͤchſt gefaͤhrlich. Der
„Brand iſt da, wenn in einer heftigen Entzuͤndung die
„Naſe ſpitzig, das Angeſicht bleyfarbig, und die Lip-
„pen blaͤulicht ſind. Ueberhaupt kann in dem Angeſichte
„etwas fuͤrchterliches liegen, das aus andern Zeichen
„nicht kennbar iſt, und doch ſehr viel bedeutet. Jn
„den Augen haben wir verſchiedenes zu beobachten.
„Boerhave ſah den Kranken mit einem Vergroͤßerungs-
„glaſe in die Augen, damit er ſehe, ob das Blut in die
„kleinern Gefaͤße trete. Hippokrates hielt fuͤr ſchlimm,
„wenn die Augen das Licht flohen; wenn die Thraͤnen
„wider des Kranken Willen floſſen; wenn die Augen
„ſchielend wurden; wenn eines kleiner ward als das
„andere; wenn das Weiße roth ward; wenn ihre Aeder-
„chen ſchwaͤrzlicht wurden, zu ſehr hervorbrachen, oder
„zu tief ſich zuruͤckzogen. S. 432. Die Bewegungen
„der Kranken, ihre Lage im Bette — gehoͤren ebenfalls
„unter die beſondern Zeichen der Krankheiten. Die Be-
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