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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Von den Temperamenten.

Besonders aber ist der Zug vom Auge herunter bis zum Kinne, und der von der Nase bis
unter den Mund äußerst melancholisch -- so wie's auch Haar und Kleid und Stellung ist.

Es giebt Melancholiker mit sehr sanguinischem Temperamente. Menschen von feiner Reiz-
barkeit, feinem moralischen Gefühle, die zu Lastern hingerissen worden und werden -- die sie tief ver-
abscheuen, und denen zu widerstehen sie doch keine Kraft haben. Der Charakter dieser ihrer tiefen
Traurigkeit und Muthlosigkeit schwebt im immer ausweichenden Blick und wenigen wider einander
stehenden Fältchen der Stirnhaut -- Und wie die eigentlichen Melancholiker größtentheils ihren
Mund verschlossen haben -- so sind dieser ihre Lippen in der Mitte immer etwas offen. Kleine
Nasenlöcher bemerkte ich an sehr vielen Melancholikern. Und selten haben sie ordentlich und nett
gereihete und reinlich weiße Zähne.

Beylage C.
Des IV Ban-
des XXVI.
Taf. Phlegm.
Chol. Sang.
Melanchol.
Umrisse.

Hier eine noch mehr charakteristische Tafel, nach den geprüftesten Beobachtungen an-
gegeben.

Bey dem Phlegmatiker ist der Uebergang von der Nase zur Lippe unphlegmatisch
und heterogen. Die Schweifung des obern Augenliedes ist nicht phlegmatisch genug.

Der Choleriker dürfte noch eine eckigtere Nasenspitze und schärfer gezeichnete Lippen
haben.

Der Sanguiniker ist beynahe unverbesserlich -- nur dürfte die Nase vom Munde noch
etwas weiter abstehen. Ueber der Nase dürfte der Melancholiker eine schärfere Vertiefung haben,
und noch einen Einbug an der Kinnlade, nahe beym Ohre.

Hier
Phys. Fragm. IV Versuch. Y y
Von den Temperamenten.

Beſonders aber iſt der Zug vom Auge herunter bis zum Kinne, und der von der Naſe bis
unter den Mund aͤußerſt melancholiſch — ſo wie’s auch Haar und Kleid und Stellung iſt.

Es giebt Melancholiker mit ſehr ſanguiniſchem Temperamente. Menſchen von feiner Reiz-
barkeit, feinem moraliſchen Gefuͤhle, die zu Laſtern hingeriſſen worden und werden — die ſie tief ver-
abſcheuen, und denen zu widerſtehen ſie doch keine Kraft haben. Der Charakter dieſer ihrer tiefen
Traurigkeit und Muthloſigkeit ſchwebt im immer ausweichenden Blick und wenigen wider einander
ſtehenden Faͤltchen der Stirnhaut — Und wie die eigentlichen Melancholiker groͤßtentheils ihren
Mund verſchloſſen haben — ſo ſind dieſer ihre Lippen in der Mitte immer etwas offen. Kleine
Naſenloͤcher bemerkte ich an ſehr vielen Melancholikern. Und ſelten haben ſie ordentlich und nett
gereihete und reinlich weiße Zaͤhne.

Beylage C.
Des IV Ban-
des XXVI.
Taf. Phlegm.
Chol. Sang.
Melanchol.
Umriſſe.

Hier eine noch mehr charakteriſtiſche Tafel, nach den gepruͤfteſten Beobachtungen an-
gegeben.

Bey dem Phlegmatiker iſt der Uebergang von der Naſe zur Lippe unphlegmatiſch
und heterogen. Die Schweifung des obern Augenliedes iſt nicht phlegmatiſch genug.

Der Choleriker duͤrfte noch eine eckigtere Naſenſpitze und ſchaͤrfer gezeichnete Lippen
haben.

Der Sanguiniker iſt beynahe unverbeſſerlich — nur duͤrfte die Naſe vom Munde noch
etwas weiter abſtehen. Ueber der Naſe duͤrfte der Melancholiker eine ſchaͤrfere Vertiefung haben,
und noch einen Einbug an der Kinnlade, nahe beym Ohre.

Hier
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. Y y
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[353/0419] Von den Temperamenten. Beſonders aber iſt der Zug vom Auge herunter bis zum Kinne, und der von der Naſe bis unter den Mund aͤußerſt melancholiſch — ſo wie’s auch Haar und Kleid und Stellung iſt. Es giebt Melancholiker mit ſehr ſanguiniſchem Temperamente. Menſchen von feiner Reiz- barkeit, feinem moraliſchen Gefuͤhle, die zu Laſtern hingeriſſen worden und werden — die ſie tief ver- abſcheuen, und denen zu widerſtehen ſie doch keine Kraft haben. Der Charakter dieſer ihrer tiefen Traurigkeit und Muthloſigkeit ſchwebt im immer ausweichenden Blick und wenigen wider einander ſtehenden Faͤltchen der Stirnhaut — Und wie die eigentlichen Melancholiker groͤßtentheils ihren Mund verſchloſſen haben — ſo ſind dieſer ihre Lippen in der Mitte immer etwas offen. Kleine Naſenloͤcher bemerkte ich an ſehr vielen Melancholikern. Und ſelten haben ſie ordentlich und nett gereihete und reinlich weiße Zaͤhne. Beylage C. Hier eine noch mehr charakteriſtiſche Tafel, nach den gepruͤfteſten Beobachtungen an- gegeben. Bey dem Phlegmatiker iſt der Uebergang von der Naſe zur Lippe unphlegmatiſch und heterogen. Die Schweifung des obern Augenliedes iſt nicht phlegmatiſch genug. Der Choleriker duͤrfte noch eine eckigtere Naſenſpitze und ſchaͤrfer gezeichnete Lippen haben. Der Sanguiniker iſt beynahe unverbeſſerlich — nur duͤrfte die Naſe vom Munde noch etwas weiter abſtehen. Ueber der Naſe duͤrfte der Melancholiker eine ſchaͤrfere Vertiefung haben, und noch einen Einbug an der Kinnlade, nahe beym Ohre. Hier Phyſ. Fragm. IV Verſuch. Y y

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/419>, abgerufen am 18.12.2024.