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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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V. Abschnitt. II. Fragment.
"Genauigkeit zu bezeichnen, mitzutheilen; besonders, wenn ich alles das beyfügen wollte, was ich
"in Ansehung der Schönheit der Antiken bemerket habe. Jch fand diese Regeln durch fortgesetzte
"Beobachtung der Schädel von verschiedenen Nationen, wovon ich schon eine zahlreiche Sammlung
"besitze, und durch ein langes Studium der Antiken.

"Es kostete mich viele Zeit, um das Profil von den Köpfen genau zu zeichnen. Jch zer-
"sägte Schädel von kurz verstorbenen, um die Gesichtslinie bestimmen zu können, und ihren Win-
"kel mit dem Horizont. Dieß führte mich zur Entdeckung des Maximum und Minimum die-
"ses Winkels; da ich beym Affen anfieng, und durch den Neger, den Europäer u. s. f. bis zu
"den Gesichtern der antiken Kunstwerke, einer Medusa, eines Apolls, der medicäischen Venus
"emporstieg. Aber dieß betrifft bloß das Profil. Es ist noch eine andere Verschiedenheit in der
"Breite der Backen, die ich bey den Calmucken am größten, und viel geringer bey den asiatischen
"Negern gefunden habe. Die Chineser und die Einwohner der moluckischen und anderer Jn-
"seln von Asien scheinen mir breite Backen, einen etwas hervorstehenden Kinnbacken, besonders aber
[Spaltenumbruch]

die
"denhaft und großmüthig. Vor alten Zeiten war dieß
"ein Nationalkennzeichen der Römer; nun haben sie
"keine andere Ansprache dran, als andre Europäer. Die
"Jndianer haben natürlich hohe Stirnen, und abge-
"stümpfte Nasen, diejenigen ausgenommen, die mit
"Portugiesen vermischt sind, und andre, die nicht so
"weit gegen Süden wohnen. -- Jn ausnehmend heis-
"sen Ländern sind die Einwohner gemeiniglich närrisch,
"oder von sehr geringer Fähigkeit. Die Anwohner der
"Seeküsten sind gewöhnlicher Weise verschmitzter, als
"die andern, die um sie herum wohnen; daher das
"Sprüchwort: Insulanos esse malos, Sicilianos autem
"pessimos.
" (Wir wissen, was Paulus als ein wahr-
haftes Zeugniß
dem Epimenides nachsagt:
Kretes aei pseusai, kaka theria, gaseres argai.
Creter sind allezeit Lügner und Wildthiere und müs-
sige Bäuche.
[Spaltenumbruch] 7) Nachlesenswürdig ist auch über diese Materie,
was Claramontius von dem Einflusse des Clima auf
die Bildung der Menschengestalten sagt. Man sehe
nach Lib. II. Cap. III. §. 3, 4, 5, 6, 7, 8. Cap. VI. §.
2. de variis gentibus quid varii scriptores dixerint.
§. 3. satius esse mores nationum ex observatione de-
prehendere, quam ex caussarum combinatione.
Er
charakterisirt hernach die Spanier, Franzosen, Deut-
schen, Engländer,
aber nicht immer wahr und auszeich-
nend genug. Man kann auch nachschlagen Guilielmi
Grataroli
Buch de praedictione morum naturarumque
hominum facili
-- das XIX. Capitel: Gentium aliqua-
rum universalis cognitio. p.
258-262. Unbekannt ist
mir Sandeartus de affectibus et perturbatione animi,
woraus ein physiognomischer Schriftsteller das V. Ca-
pitel quomodo homines et nationes ab invicem discer-
ni possint,
ohne weiteres anführt.

V. Abſchnitt. II. Fragment.
„Genauigkeit zu bezeichnen, mitzutheilen; beſonders, wenn ich alles das beyfuͤgen wollte, was ich
„in Anſehung der Schoͤnheit der Antiken bemerket habe. Jch fand dieſe Regeln durch fortgeſetzte
„Beobachtung der Schaͤdel von verſchiedenen Nationen, wovon ich ſchon eine zahlreiche Sammlung
„beſitze, und durch ein langes Studium der Antiken.

„Es koſtete mich viele Zeit, um das Profil von den Koͤpfen genau zu zeichnen. Jch zer-
„ſaͤgte Schaͤdel von kurz verſtorbenen, um die Geſichtslinie beſtimmen zu koͤnnen, und ihren Win-
„kel mit dem Horizont. Dieß fuͤhrte mich zur Entdeckung des Maximum und Minimum die-
„ſes Winkels; da ich beym Affen anfieng, und durch den Neger, den Europaͤer u. ſ. f. bis zu
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„emporſtieg. Aber dieß betrifft bloß das Profil. Es iſt noch eine andere Verſchiedenheit in der
„Breite der Backen, die ich bey den Calmucken am groͤßten, und viel geringer bey den aſiatiſchen
Negern gefunden habe. Die Chineſer und die Einwohner der moluckiſchen und anderer Jn-
„ſeln von Aſien ſcheinen mir breite Backen, einen etwas hervorſtehenden Kinnbacken, beſonders aber
[Spaltenumbruch]

die
„denhaft und großmuͤthig. Vor alten Zeiten war dieß
„ein Nationalkennzeichen der Roͤmer; nun haben ſie
„keine andere Anſprache dran, als andre Europaͤer. Die
Jndianer haben natuͤrlich hohe Stirnen, und abge-
„ſtuͤmpfte Naſen, diejenigen ausgenommen, die mit
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„weit gegen Suͤden wohnen. — Jn ausnehmend heiſ-
„ſen Laͤndern ſind die Einwohner gemeiniglich naͤrriſch,
„oder von ſehr geringer Faͤhigkeit. Die Anwohner der
„Seekuͤſten ſind gewoͤhnlicher Weiſe verſchmitzter, als
„die andern, die um ſie herum wohnen; daher das
„Spruͤchwort: Inſulanos eſſe malos, Sicilianos autem
„peſſimos.
“ (Wir wiſſen, was Paulus als ein wahr-
haftes Zeugniß
dem Epimenides nachſagt:
Κρῆτες ἀεὶ ψεῦςαι, κακα ϑηρὶα, γαςέρες ἀργαι.
Creter ſind allezeit Luͤgner und Wildthiere und muͤſ-
ſige Baͤuche.
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was Claramontius von dem Einfluſſe des Clima auf
die Bildung der Menſchengeſtalten ſagt. Man ſehe
nach Lib. II. Cap. III. §. 3, 4, 5, 6, 7, 8. Cap. VI. §.
2. de variis gentibus quid varii ſcriptores dixerint.
§. 3. ſatius eſſe mores nationum ex obſervatione de-
prehendere, quam ex cauſſarum combinatione.
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charakteriſirt hernach die Spanier, Franzoſen, Deut-
ſchen, Englaͤnder,
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nend genug. Man kann auch nachſchlagen Guilielmi
Grataroli
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258-262. Unbekannt iſt
mir Sandeartus de affectibus et perturbatione animi,
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[282/0322] V. Abſchnitt. II. Fragment. „Genauigkeit zu bezeichnen, mitzutheilen; beſonders, wenn ich alles das beyfuͤgen wollte, was ich „in Anſehung der Schoͤnheit der Antiken bemerket habe. Jch fand dieſe Regeln durch fortgeſetzte „Beobachtung der Schaͤdel von verſchiedenen Nationen, wovon ich ſchon eine zahlreiche Sammlung „beſitze, und durch ein langes Studium der Antiken. „Es koſtete mich viele Zeit, um das Profil von den Koͤpfen genau zu zeichnen. Jch zer- „ſaͤgte Schaͤdel von kurz verſtorbenen, um die Geſichtslinie beſtimmen zu koͤnnen, und ihren Win- „kel mit dem Horizont. Dieß fuͤhrte mich zur Entdeckung des Maximum und Minimum die- „ſes Winkels; da ich beym Affen anfieng, und durch den Neger, den Europaͤer u. ſ. f. bis zu „den Geſichtern der antiken Kunſtwerke, einer Meduſa, eines Apolls, der medicaͤiſchen Venus „emporſtieg. Aber dieß betrifft bloß das Profil. Es iſt noch eine andere Verſchiedenheit in der „Breite der Backen, die ich bey den Calmucken am groͤßten, und viel geringer bey den aſiatiſchen „Negern gefunden habe. Die Chineſer und die Einwohner der moluckiſchen und anderer Jn- „ſeln von Aſien ſcheinen mir breite Backen, einen etwas hervorſtehenden Kinnbacken, beſonders aber die 1) 1) „denhaft und großmuͤthig. Vor alten Zeiten war dieß „ein Nationalkennzeichen der Roͤmer; nun haben ſie „keine andere Anſprache dran, als andre Europaͤer. Die „Jndianer haben natuͤrlich hohe Stirnen, und abge- „ſtuͤmpfte Naſen, diejenigen ausgenommen, die mit „Portugieſen vermiſcht ſind, und andre, die nicht ſo „weit gegen Suͤden wohnen. — Jn ausnehmend heiſ- „ſen Laͤndern ſind die Einwohner gemeiniglich naͤrriſch, „oder von ſehr geringer Faͤhigkeit. Die Anwohner der „Seekuͤſten ſind gewoͤhnlicher Weiſe verſchmitzter, als „die andern, die um ſie herum wohnen; daher das „Spruͤchwort: Inſulanos eſſe malos, Sicilianos autem „peſſimos.“ (Wir wiſſen, was Paulus als ein wahr- haftes Zeugniß dem Epimenides nachſagt: Κρῆτες ἀεὶ ψεῦςαι, κακα ϑηρὶα, γαςέρες ἀργαι. Creter ſind allezeit Luͤgner und Wildthiere und muͤſ- ſige Baͤuche. 7) Nachleſenswuͤrdig iſt auch uͤber dieſe Materie, was Claramontius von dem Einfluſſe des Clima auf die Bildung der Menſchengeſtalten ſagt. Man ſehe nach Lib. II. Cap. III. §. 3, 4, 5, 6, 7, 8. Cap. VI. §. 2. de variis gentibus quid varii ſcriptores dixerint. §. 3. ſatius eſſe mores nationum ex obſervatione de- prehendere, quam ex cauſſarum combinatione. Er charakteriſirt hernach die Spanier, Franzoſen, Deut- ſchen, Englaͤnder, aber nicht immer wahr und auszeich- nend genug. Man kann auch nachſchlagen Guilielmi Grataroli Buch de praedictione morum naturarumque hominum facili — das XIX. Capitel: Gentium aliqua- rum univerſalis cognitio. p. 258-262. Unbekannt iſt mir Sandeartus de affectibus et perturbatione animi, woraus ein phyſiognomiſcher Schriftſteller das V. Ca- pitel quomodo homines et nationes ab invicem diſcer- ni poſſint, ohne weiteres anfuͤhrt.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/322>, abgerufen am 24.11.2024.