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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Von den Augen.
ter dem Auge, von dem wir oben sprachen, ist nicht bemerkt. Lage und Umriß der Stirn und das
Auge zeigt indessen hellen, leichtlernenden, wohlergreifenden Geist. Das Auge ist Buchstabe heller
Einsicht, obgleich der Sternkreis mißzeichnet ist.

Nachstehendes Porträt von ihm, erst vor anderthalb Jahren von Pfenninger nach dem Le-
ben gezeichnet, ist das wahreste, und ist zehnmal besser, bedeutender. Man sollte kaum glauben,
daß es von demselben Manne wäre. Die Nase, ob wohl etwas zu groß, ist voll Sagazität; Mund
und Kinn allein schon von der feinsten Verstandesbedeutung. Aber das helle, tiefe Licht der Au-
gen ist auch mit keinem Zuge angezeigt. Und dennoch ist dieß Gesicht viel weiser, als das andere
mit dem sprechenden Auge -- Warum? Um des Umrisses des Profils willen. Das Auge spricht
viel -- aber noch mehr spricht oft der Profilumriß.

[Abbildung]

Viertes
J i 3

Von den Augen.
ter dem Auge, von dem wir oben ſprachen, iſt nicht bemerkt. Lage und Umriß der Stirn und das
Auge zeigt indeſſen hellen, leichtlernenden, wohlergreifenden Geiſt. Das Auge iſt Buchſtabe heller
Einſicht, obgleich der Sternkreis mißzeichnet iſt.

Nachſtehendes Portraͤt von ihm, erſt vor anderthalb Jahren von Pfenninger nach dem Le-
ben gezeichnet, iſt das wahreſte, und iſt zehnmal beſſer, bedeutender. Man ſollte kaum glauben,
daß es von demſelben Manne waͤre. Die Naſe, ob wohl etwas zu groß, iſt voll Sagazitaͤt; Mund
und Kinn allein ſchon von der feinſten Verſtandesbedeutung. Aber das helle, tiefe Licht der Au-
gen iſt auch mit keinem Zuge angezeigt. Und dennoch iſt dieß Geſicht viel weiſer, als das andere
mit dem ſprechenden Auge — Warum? Um des Umriſſes des Profils willen. Das Auge ſpricht
viel — aber noch mehr ſpricht oft der Profilumriß.

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Viertes
J i 3
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[253/0291] Von den Augen. ter dem Auge, von dem wir oben ſprachen, iſt nicht bemerkt. Lage und Umriß der Stirn und das Auge zeigt indeſſen hellen, leichtlernenden, wohlergreifenden Geiſt. Das Auge iſt Buchſtabe heller Einſicht, obgleich der Sternkreis mißzeichnet iſt. Nachſtehendes Portraͤt von ihm, erſt vor anderthalb Jahren von Pfenninger nach dem Le- ben gezeichnet, iſt das wahreſte, und iſt zehnmal beſſer, bedeutender. Man ſollte kaum glauben, daß es von demſelben Manne waͤre. Die Naſe, ob wohl etwas zu groß, iſt voll Sagazitaͤt; Mund und Kinn allein ſchon von der feinſten Verſtandesbedeutung. Aber das helle, tiefe Licht der Au- gen iſt auch mit keinem Zuge angezeigt. Und dennoch iſt dieß Geſicht viel weiſer, als das andere mit dem ſprechenden Auge — Warum? Um des Umriſſes des Profils willen. Das Auge ſpricht viel — aber noch mehr ſpricht oft der Profilumriß. [Abbildung] Viertes J i 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/291>, abgerufen am 22.11.2024.