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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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IV. Abschnitt. II. Fragment.
sten, bey denen beyde sich gleich sind. Ob sie nun die seltensten an Kopf oder Kopflosigkeit sind, wer-
den mehrere Versuche lehren.

H hat also in der Natur vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 11 Linien, und in der
Breite 5 Zoll 5 Linien. (nämlich wo der ganze Grundriß durchschnitten ist.) L hat in der Natur
vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 10 Linien, und in der Breite 5 Zoll und 4 Linien.

[Abbildung]

Diese zwey Fragmente gehören zu L. und sind von einem mehr hell als tiefdenkenden Kopfe,
der kein Nebelchen von Undeutlichkeit und Unbestimmtheit in seinen Begriffen und Worten ertragen
kann; von immer reger, lebendiger, fruchtbarer Einbildungskraft; der äußersten Reizbarkeit, in
seinem Kreise von der ausharrendsten Geduld; äußerst ungeduldig außer demselben -- anbey von
einer Bonhomie, die ihn beynahe lächerlich macht. Wenn man einen Schädel neben diesen stellen
kann, von dem drey oder vier solcher Seiten und Umrisse diesen Umrissen gleichen, und dessen intel-
lektueller und moralischer Charakter im Zustande der Gesundheit -- dem Charakter des vorliegenden
entgegen steht -- so hat die Physiognomik unwiderbringlich verloren. Kann man aber einen ne-
ben an stellen, dessen Größe, Wölbung, Umrisse dem vorliegenden gleichen, oder sich ihm sehr nä-
hern, und in demselben Grade nähern sich ihm sein intellektueller und moralischer Charakter -- und
die ähnliche Erfahrung wird bey andern Umrissen auch gemacht -- so kann die Physiognomik eine
Höhe ersteigen, an die kein Spott hinaufreicht; und die kein Nebel von Sophistereyen verdunkeln
kann.

Nachstehender Umriß gehört zu H der vordern Seite. Man sieht, daß er oben platter ist,
als L. und nicht so breit. Er gehört einem der feinsichtigsten, erfahrensten, treuesten Aerzte zu --
von sehr weicher Gemüthsart.

Diese

IV. Abſchnitt. II. Fragment.
ſten, bey denen beyde ſich gleich ſind. Ob ſie nun die ſeltenſten an Kopf oder Kopfloſigkeit ſind, wer-
den mehrere Verſuche lehren.

H hat alſo in der Natur vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 11 Linien, und in der
Breite 5 Zoll 5 Linien. (naͤmlich wo der ganze Grundriß durchſchnitten iſt.) L hat in der Natur
vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 10 Linien, und in der Breite 5 Zoll und 4 Linien.

[Abbildung]

Dieſe zwey Fragmente gehoͤren zu L. und ſind von einem mehr hell als tiefdenkenden Kopfe,
der kein Nebelchen von Undeutlichkeit und Unbeſtimmtheit in ſeinen Begriffen und Worten ertragen
kann; von immer reger, lebendiger, fruchtbarer Einbildungskraft; der aͤußerſten Reizbarkeit, in
ſeinem Kreiſe von der ausharrendſten Geduld; aͤußerſt ungeduldig außer demſelben — anbey von
einer Bonhomie, die ihn beynahe laͤcherlich macht. Wenn man einen Schaͤdel neben dieſen ſtellen
kann, von dem drey oder vier ſolcher Seiten und Umriſſe dieſen Umriſſen gleichen, und deſſen intel-
lektueller und moraliſcher Charakter im Zuſtande der Geſundheit — dem Charakter des vorliegenden
entgegen ſteht — ſo hat die Phyſiognomik unwiderbringlich verloren. Kann man aber einen ne-
ben an ſtellen, deſſen Groͤße, Woͤlbung, Umriſſe dem vorliegenden gleichen, oder ſich ihm ſehr naͤ-
hern, und in demſelben Grade naͤhern ſich ihm ſein intellektueller und moraliſcher Charakter — und
die aͤhnliche Erfahrung wird bey andern Umriſſen auch gemacht — ſo kann die Phyſiognomik eine
Hoͤhe erſteigen, an die kein Spott hinaufreicht; und die kein Nebel von Sophiſtereyen verdunkeln
kann.

Nachſtehender Umriß gehoͤrt zu H der vordern Seite. Man ſieht, daß er oben platter iſt,
als L. und nicht ſo breit. Er gehoͤrt einem der feinſichtigſten, erfahrenſten, treueſten Aerzte zu —
von ſehr weicher Gemuͤthsart.

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[244/0278] IV. Abſchnitt. II. Fragment. ſten, bey denen beyde ſich gleich ſind. Ob ſie nun die ſeltenſten an Kopf oder Kopfloſigkeit ſind, wer- den mehrere Verſuche lehren. H hat alſo in der Natur vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 11 Linien, und in der Breite 5 Zoll 5 Linien. (naͤmlich wo der ganze Grundriß durchſchnitten iſt.) L hat in der Natur vom Hinterhaupte bis zur Stirne 6 Zoll 10 Linien, und in der Breite 5 Zoll und 4 Linien. [Abbildung] Dieſe zwey Fragmente gehoͤren zu L. und ſind von einem mehr hell als tiefdenkenden Kopfe, der kein Nebelchen von Undeutlichkeit und Unbeſtimmtheit in ſeinen Begriffen und Worten ertragen kann; von immer reger, lebendiger, fruchtbarer Einbildungskraft; der aͤußerſten Reizbarkeit, in ſeinem Kreiſe von der ausharrendſten Geduld; aͤußerſt ungeduldig außer demſelben — anbey von einer Bonhomie, die ihn beynahe laͤcherlich macht. Wenn man einen Schaͤdel neben dieſen ſtellen kann, von dem drey oder vier ſolcher Seiten und Umriſſe dieſen Umriſſen gleichen, und deſſen intel- lektueller und moraliſcher Charakter im Zuſtande der Geſundheit — dem Charakter des vorliegenden entgegen ſteht — ſo hat die Phyſiognomik unwiderbringlich verloren. Kann man aber einen ne- ben an ſtellen, deſſen Groͤße, Woͤlbung, Umriſſe dem vorliegenden gleichen, oder ſich ihm ſehr naͤ- hern, und in demſelben Grade naͤhern ſich ihm ſein intellektueller und moraliſcher Charakter — und die aͤhnliche Erfahrung wird bey andern Umriſſen auch gemacht — ſo kann die Phyſiognomik eine Hoͤhe erſteigen, an die kein Spott hinaufreicht; und die kein Nebel von Sophiſtereyen verdunkeln kann. Nachſtehender Umriß gehoͤrt zu H der vordern Seite. Man ſieht, daß er oben platter iſt, als L. und nicht ſo breit. Er gehoͤrt einem der feinſichtigſten, erfahrenſten, treueſten Aerzte zu — von ſehr weicher Gemuͤthsart. Dieſe

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/278>, abgerufen am 23.11.2024.