Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.III. Abschnitt. VII. Fragment. 15. Spiritus exeunt, quasi suppetias instrumentis laturi. Producunt enim sese musculi ad ictum infe- 16. Alle die Muskeln, welche die Leidenschaften beym Menschen ausdrücken, sind sehr lang und beweglich, 17. Das Porträt ist das Jdeal eines gewissen Menschen; nicht das Jdeal eines Menschen überhaupt. Ein vollkommenes Porträt, meines Bedünkens, ist nichts mehr und nichts weniger als eine 18. Woher kömmt's, fragte ich einen Freund, daß die rüsirten und feinen Köpfe ein oder beyde Augen 19. Derselbe Mann -- in seinen Urtheilen über Geist und Geistesprodukte mir der Eine aus Eines von den ewigen Gesetzen scheint mir dieses zu seyn, daß der erste Eindruck (Licht und Stand- beym
III. Abſchnitt. VII. Fragment. 15. Spiritus exeunt, quaſi ſuppetias inſtrumentis laturi. Producunt enim ſeſe muſculi ad ictum infe- 16. Alle die Muskeln, welche die Leidenſchaften beym Menſchen ausdruͤcken, ſind ſehr lang und beweglich, 17. Das Portraͤt iſt das Jdeal eines gewiſſen Menſchen; nicht das Jdeal eines Menſchen uͤberhaupt. Ein vollkommenes Portraͤt, meines Beduͤnkens, iſt nichts mehr und nichts weniger als eine 18. Woher koͤmmt’s, fragte ich einen Freund, daß die ruͤſirten und feinen Koͤpfe ein oder beyde Augen 19. Derſelbe Mann — in ſeinen Urtheilen uͤber Geiſt und Geiſtesprodukte mir der Eine aus Eines von den ewigen Geſetzen ſcheint mir dieſes zu ſeyn, daß der erſte Eindruck (Licht und Stand- beym
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III. Abſchnitt. VII. Fragment.
15.
Spiritus exeunt, quaſi ſuppetias inſtrumentis laturi. Producunt enim ſeſe muſculi ad ictum infe-
rendum in fortibus, ut in Achille; in imbellibus et Ciceroni ſimilibus ad linguae arma. Skaliger.
16.
Alle die Muskeln, welche die Leidenſchaften beym Menſchen ausdruͤcken, ſind ſehr lang und beweglich,
koͤnnen frey nach allen Seiten bewegt werden, und ſind ſolchergeſtalt mit Fett umgeben, daß ſie tauſenderley
Geſtalten annehmen koͤnnen. Murray.
17.
Das Portraͤt iſt das Jdeal eines gewiſſen Menſchen; nicht das Jdeal eines Menſchen uͤberhaupt.
Leßing.
Ein vollkommenes Portraͤt, meines Beduͤnkens, iſt nichts mehr und nichts weniger als eine
runde Menſchengeſtalt, ſo auf eine Flaͤche gebracht, wie ſie in einer dem Menſchen natuͤrlichſten Si-
tuation bey hellem Lichte von außen in der Camera obſkura erſcheint.
18.
Woher koͤmmt’s, fragte ich einen Freund, daß die ruͤſirten und feinen Koͤpfe ein oder beyde Augen
halb geſchloſſen haben? Er antwortete: Aus Ohnmacht. Haben Sie je einen ſtarken Menſchen zugleich fein
geſehen? Mißtrauen gegen andre iſt Kleinmuth an uns ſelbſt.
19.
Derſelbe Mann — in ſeinen Urtheilen uͤber Geiſt und Geiſtesprodukte mir der Eine aus
zehntauſend Urtheilern uͤber Geiſt und Geiſtesprodukte — — ſchrieb mir einmal ein Paar koſtbare
Briefe uͤber Phyſiognomik. Er erlaube mir, einige Stellen daraus herzuſetzen.
Eines von den ewigen Geſetzen ſcheint mir dieſes zu ſeyn, daß der erſte Eindruck (Licht und Stand-
punkt gehoͤrig vorausgeſetzt!) nur der einzige wahre ſey. Hiezu brauche ich nichts weiter zu ſetzen, als:
Jch glaube es, uud berufe mich auf den Glauben anderer. Soll aber daruͤber ſehr ſchoͤn raͤſonnirt werden, ſo
glaube ich, giebt es dazu ſehr viele Aus- und Einfahrten — als man nur immer will. Mir iſt die Sache des-
wegen begreiflich, weil der erſte Eindruck der einzige iſt, und alle andere Reproduktionen und Modificationen
des erſten. Der neue Menſch, der mir erſcheint, (und mich affizirt) iſt mir empfindlichem Weſen eben
das, was einem Blindgebornen das Bild der Sonne ſeyn mag. Das erſtemal hat er ſie nur geſehen, und
beym
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