klug oder unklug seyn muß. Große Köpfe mit kurzen triangularen Stirnen sind unklug: Das ist wahr. Große Köpfe, an denen der Schädel mit Fleisch und Fett dicht umwunden ist -- auch. Aber auch kleine, besonders runde Köpfe dieser Art sind unleidlich dumm, und haben gemeiniglich noch etwas, das die an sich schon unleidliche Dummheit noch unleidlicher macht -- "Prätension "auf Weisheit."
11.
An kleinen Personen ist's besser, wenn sie einen etwas größern Kopf haben, und an großen, wenn sie einen etwas kleinern haben. -- Jch laß es hingehen, wenn's beym etwas bleibt! An beyden aber ists wohl sicherlich am besten, wenn ihre Köpfe mit dem übrigen Körper in solchem Verhältnisse stehen, daß weder Größe noch Kleinheit des Hauptes sehr auffallend ist.
12.
Gedächtniß und Einbildungskraft ist dem Verstande so ähnlich, als ein Affe dem Menschen!
13.
Es trägt zu dem Genie nichts bey, ob man hartes oder weiches Fleisch hat, wenn das Gehirn nicht von eben dieser Beschaffenheit ist; denn dieses hat, wie uns die Erfahrung lehret, sehr oft ein ganz verschiede- nes Temperament, als alle übrige Theile des Körpers. Wenn aber beydes das Gehirn und das Fleisch in der Weiche übereinkommen, so ist es ein sehr schlechtes Zeichen für den Verstand, und ein eben so schlechtes für die Einbildungskraft.
14.
Die Flüßigkeiten, welche die Weiche des Fleisches verursachen, sind Phlegma und Blut. Diese aber sind feucht, und machen, nach Galenus Ausspruch, die Menschen einfältig und dumm. Die Flüßig- keiten gegentheils, welche das Fleisch hart machen, sind Cholera und Melancholie; und aus dieser erwächset Klugheit und Verstand des Menschen. Es ist also ein weit schlechteres Merkmal, weiches Fleisch haben, als sprödes und hartes. Weich -- bedeutet ein schwaches Gedächtniß bey einem schwachen Verstande und einer schwachen Einbildungskraft. -- Es giebt, wenn ich so sagen mag, eine geistige Weichheit des Flei- sches, die vielmehr Verstand zeigt, als Sprödigkeit. Jch möchte kein eigentlich zähes oder sprödes Fleisch zum Charakter von Verstand machen -- so wenig als Weichheit des Fleisches, nicht näher bestimmt, zum Charakter von Dummheit. Jch möchte aber weich vom Lockern und schwam- michten, und spröde von Festigkeit ohne Härte gern unterschieden wissen -- Schwammichtes
Fleisch
III. Abſchnitt. II. Fragment.
klug oder unklug ſeyn muß. Große Koͤpfe mit kurzen triangularen Stirnen ſind unklug: Das iſt wahr. Große Koͤpfe, an denen der Schaͤdel mit Fleiſch und Fett dicht umwunden iſt — auch. Aber auch kleine, beſonders runde Koͤpfe dieſer Art ſind unleidlich dumm, und haben gemeiniglich noch etwas, das die an ſich ſchon unleidliche Dummheit noch unleidlicher macht — „Praͤtenſion „auf Weisheit.“
11.
An kleinen Perſonen iſt’s beſſer, wenn ſie einen etwas groͤßern Kopf haben, und an großen, wenn ſie einen etwas kleinern haben. — Jch laß es hingehen, wenn’s beym etwas bleibt! An beyden aber iſts wohl ſicherlich am beſten, wenn ihre Koͤpfe mit dem uͤbrigen Koͤrper in ſolchem Verhaͤltniſſe ſtehen, daß weder Groͤße noch Kleinheit des Hauptes ſehr auffallend iſt.
12.
Gedaͤchtniß und Einbildungskraft iſt dem Verſtande ſo aͤhnlich, als ein Affe dem Menſchen!
13.
Es traͤgt zu dem Genie nichts bey, ob man hartes oder weiches Fleiſch hat, wenn das Gehirn nicht von eben dieſer Beſchaffenheit iſt; denn dieſes hat, wie uns die Erfahrung lehret, ſehr oft ein ganz verſchiede- nes Temperament, als alle uͤbrige Theile des Koͤrpers. Wenn aber beydes das Gehirn und das Fleiſch in der Weiche uͤbereinkommen, ſo iſt es ein ſehr ſchlechtes Zeichen fuͤr den Verſtand, und ein eben ſo ſchlechtes fuͤr die Einbildungskraft.
14.
Die Fluͤßigkeiten, welche die Weiche des Fleiſches verurſachen, ſind Phlegma und Blut. Dieſe aber ſind feucht, und machen, nach Galenus Ausſpruch, die Menſchen einfaͤltig und dumm. Die Fluͤßig- keiten gegentheils, welche das Fleiſch hart machen, ſind Cholera und Melancholie; und aus dieſer erwaͤchſet Klugheit und Verſtand des Menſchen. Es iſt alſo ein weit ſchlechteres Merkmal, weiches Fleiſch haben, als ſproͤdes und hartes. Weich — bedeutet ein ſchwaches Gedaͤchtniß bey einem ſchwachen Verſtande und einer ſchwachen Einbildungskraft. — Es giebt, wenn ich ſo ſagen mag, eine geiſtige Weichheit des Flei- ſches, die vielmehr Verſtand zeigt, als Sproͤdigkeit. Jch moͤchte kein eigentlich zaͤhes oder ſproͤdes Fleiſch zum Charakter von Verſtand machen — ſo wenig als Weichheit des Fleiſches, nicht naͤher beſtimmt, zum Charakter von Dummheit. Jch moͤchte aber weich vom Lockern und ſchwam- michten, und ſproͤde von Feſtigkeit ohne Haͤrte gern unterſchieden wiſſen — Schwammichtes
Fleiſch
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klug oder unklug ſeyn muß. Große Koͤpfe mit kurzen triangularen Stirnen ſind unklug: Das iſt
wahr. Große Koͤpfe, an denen der Schaͤdel mit Fleiſch und Fett dicht umwunden iſt — auch.
Aber auch kleine, beſonders runde Koͤpfe dieſer Art ſind unleidlich dumm, und haben gemeiniglich
noch etwas, das die an ſich ſchon unleidliche Dummheit noch unleidlicher macht — „Praͤtenſion
„auf Weisheit.“
11.
An kleinen Perſonen iſt’s beſſer, wenn ſie einen etwas groͤßern Kopf haben, und an großen, wenn
ſie einen etwas kleinern haben. — Jch laß es hingehen, wenn’s beym etwas bleibt! An beyden aber
iſts wohl ſicherlich am beſten, wenn ihre Koͤpfe mit dem uͤbrigen Koͤrper in ſolchem Verhaͤltniſſe
ſtehen, daß weder Groͤße noch Kleinheit des Hauptes ſehr auffallend iſt.
12.
Gedaͤchtniß und Einbildungskraft iſt dem Verſtande ſo aͤhnlich, als ein Affe dem Menſchen!
13.
Es traͤgt zu dem Genie nichts bey, ob man hartes oder weiches Fleiſch hat, wenn das Gehirn nicht
von eben dieſer Beſchaffenheit iſt; denn dieſes hat, wie uns die Erfahrung lehret, ſehr oft ein ganz verſchiede-
nes Temperament, als alle uͤbrige Theile des Koͤrpers. Wenn aber beydes das Gehirn und das Fleiſch in der
Weiche uͤbereinkommen, ſo iſt es ein ſehr ſchlechtes Zeichen fuͤr den Verſtand, und ein eben ſo ſchlechtes fuͤr
die Einbildungskraft.
14.
Die Fluͤßigkeiten, welche die Weiche des Fleiſches verurſachen, ſind Phlegma und Blut. Dieſe
aber ſind feucht, und machen, nach Galenus Ausſpruch, die Menſchen einfaͤltig und dumm. Die Fluͤßig-
keiten gegentheils, welche das Fleiſch hart machen, ſind Cholera und Melancholie; und aus dieſer erwaͤchſet
Klugheit und Verſtand des Menſchen. Es iſt alſo ein weit ſchlechteres Merkmal, weiches Fleiſch haben, als
ſproͤdes und hartes. Weich — bedeutet ein ſchwaches Gedaͤchtniß bey einem ſchwachen Verſtande und einer
ſchwachen Einbildungskraft. — Es giebt, wenn ich ſo ſagen mag, eine geiſtige Weichheit des Flei-
ſches, die vielmehr Verſtand zeigt, als Sproͤdigkeit. Jch moͤchte kein eigentlich zaͤhes oder ſproͤdes
Fleiſch zum Charakter von Verſtand machen — ſo wenig als Weichheit des Fleiſches, nicht naͤher
beſtimmt, zum Charakter von Dummheit. Jch moͤchte aber weich vom Lockern und ſchwam-
michten, und ſproͤde von Feſtigkeit ohne Haͤrte gern unterſchieden wiſſen — Schwammichtes
Fleiſch
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/208>, abgerufen am 23.02.2025.
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