Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Physiognomischer Sinn, Genie, Ahndung. Dieser Sinn ist ein Band, das alle lebende Wesen mit einander verbindet. Hundertmal Und zwar, damit wir entwickeln, so viel wir können -- Fürs Erste -- Ein allgemeiner pathognomischer Sinn für die Charakteristik wirk- Zweytens -- Ein allgemeiner pathognomischer Sinn für den leidenschaftlichen Drittens -- Ein allgemeiner physiognomischer Sinn für Geisteskräfte im Punk- Viertens -- Einer für die Geisteskräfte in Ruhe. Fünftens -- Einer für die Harmonie und Disharmonie des Menschen mit Sechstens endlich einer für den zukünftigen, noch im gegenwärtigen verschlossenen I. Es ist in dem Menschen ein allgemeiner pathognomischer Sinn für die Charak- teristik wirklicher Gemüthsbewegungen. Noch kein Mensch hat, meines Wissens, geläugnet, oder bezweifelt, daß Zorn und Neid, auch
Phyſiognomiſcher Sinn, Genie, Ahndung. Dieſer Sinn iſt ein Band, das alle lebende Weſen mit einander verbindet. Hundertmal Und zwar, damit wir entwickeln, ſo viel wir koͤnnen — Fuͤrs Erſte — Ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr die Charakteriſtik wirk- Zweytens — Ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr den leidenſchaftlichen Drittens — Ein allgemeiner phyſiognomiſcher Sinn fuͤr Geiſteskraͤfte im Punk- Viertens — Einer fuͤr die Geiſteskraͤfte in Ruhe. Fuͤnftens — Einer fuͤr die Harmonie und Disharmonie des Menſchen mit Sechstens endlich einer fuͤr den zukuͤnftigen, noch im gegenwaͤrtigen verſchloſſenen I. Es iſt in dem Menſchen ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr die Charak- teriſtik wirklicher Gemuͤthsbewegungen. Noch kein Menſch hat, meines Wiſſens, gelaͤugnet, oder bezweifelt, daß Zorn und Neid, auch
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Phyſiognomiſcher Sinn, Genie, Ahndung.
Dieſer Sinn iſt ein Band, das alle lebende Weſen mit einander verbindet. Hundertmal
ſchon ſagte ich’s, und ſag’s auch hier wiederum: Am Namen liegt mir nie etwas, woruͤber doch
immer ſo viel Streitens und Geredes entſteht — Jſt dir dieſer Name Sinn, Gefuͤhl, nicht recht —
nenn’s wie du willſt. Ahndungsvermoͤgen; Jnſtinkt; natuͤrliche Sympathie und Antipa-
thie; unwillkuͤhrliches Urtheil; Natururtheil; Genie — wie du willſt! — Da iſt nun ein-
mal ſo was in dem Menſchen — hab’s nun Namen, welche man will, oder keinen Namen, was iſt,
iſt nicht um des Namens willen; iſt ohne Namen wie mit Namen — da iſt nun einmal im Men-
ſchen ein Sinn fuͤr die Charakteriſtik der Natur.
Und zwar, damit wir entwickeln, ſo viel wir koͤnnen —
Fuͤrs Erſte — Ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr die Charakteriſtik wirk-
licher Gemuͤthsbewegungen.
Zweytens — Ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr den leidenſchaftlichen
Charakter uͤberhaupt.
Drittens — Ein allgemeiner phyſiognomiſcher Sinn fuͤr Geiſteskraͤfte im Punk-
te ihrer Bewegung und Aktivitaͤt.
Viertens — Einer fuͤr die Geiſteskraͤfte in Ruhe.
Fuͤnftens — Einer fuͤr die Harmonie und Disharmonie des Menſchen mit
uns — und
Sechstens endlich einer fuͤr den zukuͤnftigen, noch im gegenwaͤrtigen verſchloſſenen
Charakter des Menſchen; fuͤr das, was ſich von einem Menſchen erwarten oder nicht erwarten
laͤßt — Freylich im Grunde nur Ein Sinn — der aber alle dieſe Naturausdruͤcke verſteht, oder
verſtehen kann.
I.
Es iſt in dem Menſchen ein allgemeiner pathognomiſcher Sinn fuͤr die Charak-
teriſtik wirklicher Gemuͤthsbewegungen.
Noch kein Menſch hat, meines Wiſſens, gelaͤugnet, oder bezweifelt, daß Zorn und Neid,
Wolluſt und Stolz, Guͤte und Mitleiden, in Actu, in der hoͤchſten Bewegung nicht ihre gewiſ-
ſen Zuͤge haben, die von ſelbſt, und ohne daß ſie gelernt werden duͤrfen, von allen Menſchenaugen,
auch
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