Spötter aller Art, feine, launigte, schalkhafte, bittere, boshafte, Halb- leser und Nichtleser, hab' ich vorgesehen und mich darauf gefaßt gemacht. Sie werden mich, das können sie versichert seyn, kein Haar breit der Wahrheit entla- chen -- Könnten sie das; ich verdiente ihr Gelächter, und noch mehr. Wer weiß, daß er Wahrheit hat, lächelt der Lacher, und weiß: Die verachteste und gekreuzigteste Wahrheit steht allemal wieder auf von den Todten! Was zerstört werden kann, ist nicht von Gott; nicht Wahrheit. Wer aus der Wahr- heit redet, erwartet vom Vater der Wahrheit Verherrlichung aller verspot- teten Wahrheit -- Sie ist und war, und wird seyn immer Stein des An- stoßes, Fels der Aergerniß, und der Zermalmung -- --
Meine Parthey ist genommen. Dem Freunde der Wahrheit, dem Be- obachter offen, wie ein Kind, dem Lacher und Schreyer aber immer ver- schloßner, unverwundbarer dem Pfeile der Unbrüderlichkeit -- und unüber- windlich entschlossen, dem mir anvertrauten Maaße von Erkenntniß und Wahrheit treu zu seyn, und dasselbe mit aller zu erbeten möglichen Weisheit und Sanftmuth zu gebrauchen, wenn auch alle, denen mein Name Aergerniß und Thorheit ist, sich noch so sehr darüber erboßten. -- Was ist, ist. Und kein Da- seyn, keines Sandkorns wahre Physiognomie kann aus der Reihe der Dinge weg- gewitzelt werden.
Und ob's auch der Müke den Flügel versengt, Den Schädel und all' sein Gehirngen zersprengt, Licht bleibet doch Licht. Und wenn auch die grimmigste Wespe mich sticht; Jch laß' es doch nicht.
Mit dieser Festigkeit, diesem Stolze, wenn man will -- -- leg' ich nun dem Publikum den letzten Band dieser Fragmente vor Augen; überzeugt, daß die beträchtliche Menge der darinn vorkommenden neuen, wichtigen Wahrheiten, Beobachtungen und Ueberlegungen, mich bey allen, denen es um Wahrheit zu thun ist, hinlänglich rechtfertigen werde.
Schriebs den 20. December 1777.
Jnnhalt
Vorrede.
Spoͤtter aller Art, feine, launigte, ſchalkhafte, bittere, boshafte, Halb- leſer und Nichtleſer, hab’ ich vorgeſehen und mich darauf gefaßt gemacht. Sie werden mich, das koͤnnen ſie verſichert ſeyn, kein Haar breit der Wahrheit entla- chen — Koͤnnten ſie das; ich verdiente ihr Gelaͤchter, und noch mehr. Wer weiß, daß er Wahrheit hat, laͤchelt der Lacher, und weiß: Die verachteſte und gekreuzigteſte Wahrheit ſteht allemal wieder auf von den Todten! Was zerſtoͤrt werden kann, iſt nicht von Gott; nicht Wahrheit. Wer aus der Wahr- heit redet, erwartet vom Vater der Wahrheit Verherrlichung aller verſpot- teten Wahrheit — Sie iſt und war, und wird ſeyn immer Stein des An- ſtoßes, Fels der Aergerniß, und der Zermalmung — —
Meine Parthey iſt genommen. Dem Freunde der Wahrheit, dem Be- obachter offen, wie ein Kind, dem Lacher und Schreyer aber immer ver- ſchloßner, unverwundbarer dem Pfeile der Unbruͤderlichkeit — und unuͤber- windlich entſchloſſen, dem mir anvertrauten Maaße von Erkenntniß und Wahrheit treu zu ſeyn, und daſſelbe mit aller zu erbeten moͤglichen Weisheit und Sanftmuth zu gebrauchen, wenn auch alle, denen mein Name Aergerniß und Thorheit iſt, ſich noch ſo ſehr daruͤber erboßten. — Was iſt, iſt. Und kein Da- ſeyn, keines Sandkorns wahre Phyſiognomie kann aus der Reihe der Dinge weg- gewitzelt werden.
Und ob’s auch der Muͤke den Fluͤgel verſengt, Den Schaͤdel und all’ ſein Gehirngen zerſprengt, Licht bleibet doch Licht. Und wenn auch die grimmigſte Weſpe mich ſticht; Jch laß’ es doch nicht.
Mit dieſer Feſtigkeit, dieſem Stolze, wenn man will — — leg’ ich nun dem Publikum den letzten Band dieſer Fragmente vor Augen; uͤberzeugt, daß die betraͤchtliche Menge der darinn vorkommenden neuen, wichtigen Wahrheiten, Beobachtungen und Ueberlegungen, mich bey allen, denen es um Wahrheit zu thun iſt, hinlaͤnglich rechtfertigen werde.
Schriebs den 20. December 1777.
Jnnhalt
<TEI><text><front><divtype="preface"n="1"><pbfacs="#f0012"n="VIII"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorrede.</hi></hi></fw><lb/><p>Spoͤtter aller Art, feine, launigte, ſchalkhafte, bittere, boshafte, Halb-<lb/>
leſer und Nichtleſer, hab’ ich vorgeſehen und mich darauf gefaßt gemacht. Sie<lb/>
werden mich, das koͤnnen ſie verſichert ſeyn, kein Haar breit der Wahrheit entla-<lb/>
chen — Koͤnnten ſie das; ich verdiente ihr Gelaͤchter, und noch mehr. Wer<lb/>
weiß, daß er Wahrheit hat, laͤchelt der Lacher, und weiß: Die verachteſte und<lb/>
gekreuzigteſte Wahrheit ſteht allemal wieder auf von den Todten! <hirendition="#fr">Was zerſtoͤrt<lb/>
werden kann, iſt nicht von Gott; nicht Wahrheit. Wer aus der Wahr-<lb/>
heit redet, erwartet vom Vater der Wahrheit Verherrlichung aller verſpot-<lb/>
teten Wahrheit — Sie iſt und war, und wird ſeyn immer Stein des An-<lb/>ſtoßes, Fels der Aergerniß, und der <hirendition="#g">Zermalmung</hi></hi>——</p><lb/><p>Meine Parthey iſt genommen. Dem <hirendition="#fr">Freunde der Wahrheit,</hi> dem <hirendition="#fr"><hirendition="#g">Be-<lb/>
obachter</hi></hi> offen, wie ein Kind, dem Lacher und Schreyer aber immer ver-<lb/>ſchloßner, unverwundbarer dem Pfeile der Unbruͤderlichkeit — und unuͤber-<lb/>
windlich entſchloſſen, dem mir anvertrauten Maaße von Erkenntniß und<lb/>
Wahrheit treu zu ſeyn, und daſſelbe mit aller zu erbeten moͤglichen Weisheit<lb/>
und Sanftmuth zu gebrauchen, wenn auch alle, denen mein Name Aergerniß und<lb/>
Thorheit iſt, ſich noch ſo ſehr daruͤber erboßten. — Was iſt, iſt. Und kein Da-<lb/>ſeyn, keines Sandkorns wahre Phyſiognomie kann aus der Reihe der Dinge weg-<lb/>
gewitzelt werden.</p><lb/><lgtype="poem"><l>Und ob’s auch der Muͤke den Fluͤgel verſengt,</l><lb/><l>Den Schaͤdel und all’ſein Gehirngen zerſprengt,</l><lb/><l>Licht bleibet doch Licht.</l><lb/><l>Und wenn auch die grimmigſte Weſpe mich ſticht;</l><lb/><l>Jch laß’ es doch nicht.</l></lg><lb/><p>Mit dieſer Feſtigkeit, dieſem Stolze, wenn man will —— leg’ ich nun dem<lb/>
Publikum den letzten Band dieſer <hirendition="#fr">Fragmente</hi> vor Augen; uͤberzeugt, daß die<lb/>
betraͤchtliche Menge der darinn vorkommenden neuen, wichtigen Wahrheiten,<lb/>
Beobachtungen und Ueberlegungen, mich bey allen, denen es um Wahrheit zu<lb/>
thun iſt, hinlaͤnglich rechtfertigen werde.</p><lb/><dateline><hirendition="#et">Schriebs den 20. December 1777.</hi></dateline></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Jnnhalt</hi></fw><lb/></front></text></TEI>
[VIII/0012]
Vorrede.
Spoͤtter aller Art, feine, launigte, ſchalkhafte, bittere, boshafte, Halb-
leſer und Nichtleſer, hab’ ich vorgeſehen und mich darauf gefaßt gemacht. Sie
werden mich, das koͤnnen ſie verſichert ſeyn, kein Haar breit der Wahrheit entla-
chen — Koͤnnten ſie das; ich verdiente ihr Gelaͤchter, und noch mehr. Wer
weiß, daß er Wahrheit hat, laͤchelt der Lacher, und weiß: Die verachteſte und
gekreuzigteſte Wahrheit ſteht allemal wieder auf von den Todten! Was zerſtoͤrt
werden kann, iſt nicht von Gott; nicht Wahrheit. Wer aus der Wahr-
heit redet, erwartet vom Vater der Wahrheit Verherrlichung aller verſpot-
teten Wahrheit — Sie iſt und war, und wird ſeyn immer Stein des An-
ſtoßes, Fels der Aergerniß, und der Zermalmung — —
Meine Parthey iſt genommen. Dem Freunde der Wahrheit, dem Be-
obachter offen, wie ein Kind, dem Lacher und Schreyer aber immer ver-
ſchloßner, unverwundbarer dem Pfeile der Unbruͤderlichkeit — und unuͤber-
windlich entſchloſſen, dem mir anvertrauten Maaße von Erkenntniß und
Wahrheit treu zu ſeyn, und daſſelbe mit aller zu erbeten moͤglichen Weisheit
und Sanftmuth zu gebrauchen, wenn auch alle, denen mein Name Aergerniß und
Thorheit iſt, ſich noch ſo ſehr daruͤber erboßten. — Was iſt, iſt. Und kein Da-
ſeyn, keines Sandkorns wahre Phyſiognomie kann aus der Reihe der Dinge weg-
gewitzelt werden.
Und ob’s auch der Muͤke den Fluͤgel verſengt,
Den Schaͤdel und all’ ſein Gehirngen zerſprengt,
Licht bleibet doch Licht.
Und wenn auch die grimmigſte Weſpe mich ſticht;
Jch laß’ es doch nicht.
Mit dieſer Feſtigkeit, dieſem Stolze, wenn man will — — leg’ ich nun dem
Publikum den letzten Band dieſer Fragmente vor Augen; uͤberzeugt, daß die
betraͤchtliche Menge der darinn vorkommenden neuen, wichtigen Wahrheiten,
Beobachtungen und Ueberlegungen, mich bey allen, denen es um Wahrheit zu
thun iſt, hinlaͤnglich rechtfertigen werde.
Schriebs den 20. December 1777.
Jnnhalt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/12>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.