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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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I. Abschnitt. X. Fragment. Genie.

Die hier eingedruckte Tafel von 8. Augen im Profile mag meine Gedanken einigermaßen
sichtbar machen. Unter allen ist kein außerordentliches Genie -- keines von einem Dummkopf.
Von keinem wollt' ich mit ganzer Gewißheit, so wie sie mir hier erscheinen, behaupten -- Ein großes
Genie! als von 3. und 5. aber Genie von sehr verschiedener Art. 3. Ein schnelles, kraftvolles That-
genie. 5. Ein Empfindungsgenie.

1. Jst sicherlich kein Genie.

2. Etwas mehr Verstand -- aber zu wenig Energie zur Genialität.

4. Könnte allenfalls von einem schnellen Kopfe seyn; hat aber nicht die mindeste entschei-
dende Spur von Kraft. Nur in dem vorhängenden Theile des obern Augenlieds ist etwas, das uns
verbietet, dieß Auge einem Dummkopf zuzuschreiben.

6. Jst Genie empfänglich; aber weder eines sehr feinen, noch sehr erhabenen -- auch wird
kein Genius sich da etabliren -- hält höchstens Nachtquartier, oder macht einen kurzen Ehrenbesuch.

7. Hat etwas genialisches, und hätte mehr, wenn der Winkel hinten etwas weniger spitz wäre.

8. Eben so verdorben durch Vernachlässigung des hintern Theiles. Oben am obern Augen-
lied a gehört sich bey solchen Augen eine scharfe Vertiefung, welche dieses ohne das nicht gemeine
Auge zum Genie-Adel würde erhoben haben.

Nachstehende zwey Augen, so gering die Verschiedenheit ist, sind in Absicht auf Genie we-
sentlich verschieden.

A ist durchaus ungenialisch. B nicht ganz; und warum nicht? bloß um einiger kaum merk-
barer Verschiedenheiten willen -- die kleine Vertiefung oben und der abgerundete Winkel hinten --
geben ihm schon Funken von Genie. Dieß ist nicht Effatum ins Blaue hinaus. Es ist Bemer-
kung,
die jeder, dem Auge und Sinn gegeben ist, selbst machen kann.

[Abbildung]
Hier
I. Abſchnitt. X. Fragment. Genie.

Die hier eingedruckte Tafel von 8. Augen im Profile mag meine Gedanken einigermaßen
ſichtbar machen. Unter allen iſt kein außerordentliches Genie — keines von einem Dummkopf.
Von keinem wollt’ ich mit ganzer Gewißheit, ſo wie ſie mir hier erſcheinen, behaupten — Ein großes
Genie! als von 3. und 5. aber Genie von ſehr verſchiedener Art. 3. Ein ſchnelles, kraftvolles That-
genie. 5. Ein Empfindungsgenie.

1. Jſt ſicherlich kein Genie.

2. Etwas mehr Verſtand — aber zu wenig Energie zur Genialitaͤt.

4. Koͤnnte allenfalls von einem ſchnellen Kopfe ſeyn; hat aber nicht die mindeſte entſchei-
dende Spur von Kraft. Nur in dem vorhaͤngenden Theile des obern Augenlieds iſt etwas, das uns
verbietet, dieß Auge einem Dummkopf zuzuſchreiben.

6. Jſt Genie empfaͤnglich; aber weder eines ſehr feinen, noch ſehr erhabenen — auch wird
kein Genius ſich da etabliren — haͤlt hoͤchſtens Nachtquartier, oder macht einen kurzen Ehrenbeſuch.

7. Hat etwas genialiſches, und haͤtte mehr, wenn der Winkel hinten etwas weniger ſpitz waͤre.

8. Eben ſo verdorben durch Vernachlaͤſſigung des hintern Theiles. Oben am obern Augen-
lied a gehoͤrt ſich bey ſolchen Augen eine ſcharfe Vertiefung, welche dieſes ohne das nicht gemeine
Auge zum Genie-Adel wuͤrde erhoben haben.

Nachſtehende zwey Augen, ſo gering die Verſchiedenheit iſt, ſind in Abſicht auf Genie we-
ſentlich verſchieden.

A iſt durchaus ungenialiſch. B nicht ganz; und warum nicht? bloß um einiger kaum merk-
barer Verſchiedenheiten willen — die kleine Vertiefung oben und der abgerundete Winkel hinten —
geben ihm ſchon Funken von Genie. Dieß iſt nicht Effatum ins Blaue hinaus. Es iſt Bemer-
kung,
die jeder, dem Auge und Sinn gegeben iſt, ſelbſt machen kann.

[Abbildung]
Hier
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[88/0116] I. Abſchnitt. X. Fragment. Genie. Die hier eingedruckte Tafel von 8. Augen im Profile mag meine Gedanken einigermaßen ſichtbar machen. Unter allen iſt kein außerordentliches Genie — keines von einem Dummkopf. Von keinem wollt’ ich mit ganzer Gewißheit, ſo wie ſie mir hier erſcheinen, behaupten — Ein großes Genie! als von 3. und 5. aber Genie von ſehr verſchiedener Art. 3. Ein ſchnelles, kraftvolles That- genie. 5. Ein Empfindungsgenie. 1. Jſt ſicherlich kein Genie. 2. Etwas mehr Verſtand — aber zu wenig Energie zur Genialitaͤt. 4. Koͤnnte allenfalls von einem ſchnellen Kopfe ſeyn; hat aber nicht die mindeſte entſchei- dende Spur von Kraft. Nur in dem vorhaͤngenden Theile des obern Augenlieds iſt etwas, das uns verbietet, dieß Auge einem Dummkopf zuzuſchreiben. 6. Jſt Genie empfaͤnglich; aber weder eines ſehr feinen, noch ſehr erhabenen — auch wird kein Genius ſich da etabliren — haͤlt hoͤchſtens Nachtquartier, oder macht einen kurzen Ehrenbeſuch. 7. Hat etwas genialiſches, und haͤtte mehr, wenn der Winkel hinten etwas weniger ſpitz waͤre. 8. Eben ſo verdorben durch Vernachlaͤſſigung des hintern Theiles. Oben am obern Augen- lied a gehoͤrt ſich bey ſolchen Augen eine ſcharfe Vertiefung, welche dieſes ohne das nicht gemeine Auge zum Genie-Adel wuͤrde erhoben haben. Nachſtehende zwey Augen, ſo gering die Verſchiedenheit iſt, ſind in Abſicht auf Genie we- ſentlich verſchieden. A iſt durchaus ungenialiſch. B nicht ganz; und warum nicht? bloß um einiger kaum merk- barer Verſchiedenheiten willen — die kleine Vertiefung oben und der abgerundete Winkel hinten — geben ihm ſchon Funken von Genie. Dieß iſt nicht Effatum ins Blaue hinaus. Es iſt Bemer- kung, die jeder, dem Auge und Sinn gegeben iſt, ſelbſt machen kann. [Abbildung] Hier

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/116>, abgerufen am 24.11.2024.