Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.Etwas über Pferde. Wenigstens wer Pferdephysiognomien bedeutend finden kann -- (und daß sie bedeutend Je genauer man die Pferde beobachtet, desto mehr wird man überzeugt -- daß sich eine Ueberhaupt, hab' ich wo gehört -- gehören alle Pferde unter drey Klassen. Schwan- Die Köpfe der Schwanhälse sind gewöhnlich eben; die Stirn schmal und beynahe platt; Ein J 2
Etwas uͤber Pferde. Wenigſtens wer Pferdephyſiognomien bedeutend finden kann — (und daß ſie bedeutend Je genauer man die Pferde beobachtet, deſto mehr wird man uͤberzeugt — daß ſich eine Ueberhaupt, hab’ ich wo gehoͤrt — gehoͤren alle Pferde unter drey Klaſſen. Schwan- Die Koͤpfe der Schwanhaͤlſe ſind gewoͤhnlich eben; die Stirn ſchmal und beynahe platt; Ein J 2
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Etwas uͤber Pferde.
Wenigſtens wer Pferdephyſiognomien bedeutend finden kann — (und daß ſie bedeutend
ſeyn — kann keine Sophiſterey in Zweifel ziehen, ſobald man ſich Pferde vorfuͤhren laͤßt) — Wer
Pferdephyſiognomien hoͤchſt bedeutend finden kann — ſollt’s moͤglich ſeyn, daß der nicht an Men-
ſchenphyſiognomie glauben muͤßte? „Aber freylich,“ ſagt der Magiſter zu * * * .. „Pferde moͤgen
„ihre Phyſiognomie haben. Jch laß es gelten. Aber nicht der vernuͤnftige Menſch; denn Vieh
„iſt Vieh, und Menſch iſt Menſch.“ —
Je genauer man die Pferde beobachtet, deſto mehr wird man uͤberzeugt — daß ſich eine
Phyſiognomik fuͤr Pferde ſchreiben ließe ...
Ueberhaupt, hab’ ich wo gehoͤrt — gehoͤren alle Pferde unter drey Klaſſen. Schwan-
haͤlſe, Hirſchhaͤlſe, Sauhaͤlſe. Jede dieſer Klaſſen hat ihre eigene Phyſiognomie und ihren ei-
genen Charakter. Aus Vermiſchung derſelben entſtehen wieder verſchiedene. Das zweyte und
ſechste auf der I. das erſte und dritte auf der IV. Tafel ſind Schwanhaͤlſe.
Die Koͤpfe der Schwanhaͤlſe ſind gewoͤhnlich eben; die Stirn ſchmal und beynahe platt;
von den Augen an geht die Naſe heraus gewoͤlbt bis ans Maul. Die Naſenloͤcher ſind weit und
offen; der Mund fein; die Ohren klein und ſpitz vorausſtehend; die Augen groß und rund; die
Kinnbacken unten ſchmal, oben etwas breiter; der ganze Koͤrper wohl proportionirt, und das ganze
Pferd das ſchoͤnſte. Dieſe Art iſt munter, gelehrig und ſtolz. „Jch kannte, ſchreibt mir ein Freund,
„einen Hengſt, deſſen Kopf im Profile dem dritten der vierten Tafel gleich iſt. Es war ein Schim-
„mel, und hatte einen ſehr dicken Schwanenhals, war im Ganzen ſchoͤn proportionirt und gebildet;
„ſein Fell und die Haare waren fein und zart. Es war munter, gelehrig, etwas furchtſam, ſehr
„empfindlich, und außerordentlich ſtolz. Beym Anblick eines weiblichen Pferdes wurde der Hengſt
„ſehr hitzig; aber ein geringer Schlag auf den Hals, woran er gewoͤhnt war, machte ihn ſogleich
„wieder ruhig, obgleich er zwey Jahre lang in einer Stutterey gebraucht worden. Den gering-
„ſten Schmerz fuͤhlte er ſehr empfindlich; und er gab es ſelbſt mit der Stimme durch ein Winſeln
„zu verſtehen. Jedes Lob machte ihn ſo freudig, daß er wieherte, und wenn, ihm zu gefallen, je-
„mand auf der Straße ſtehen blieb, und ihn bewunderte, fieng er an zu tanzen und zu paradiren.
„Man konnte unter ihm durchkriechen, und ihn uͤberall angreifen. Er zeigte niemals Unwillen dar-
„uͤber — oder Falſchheit; aber wer ihn ſchimpfte, den ſchlug er“ .. Jch wollte wetten duͤrfen —
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