F. Zwey griechische Profile. Diomedes und Ulysses.
Sie finden sich schon im ersten Theile, nur nicht so fein -- und ohn' Ein Wort. Sie sollen dieß Fragment beschließen, weil sie offenbar am meisten rein altgriechische Physiognomie zu haben schei- nen. Sie sind von einer alten Vase aus dem Stoßischen Musäo genommen, und -- bekannter maßen, Bildnisse des Klügsten und Tapfersten unter den Griechen vor Troja. Gedrängtheit, Einfachheit, feste Zusammenstimmung -- in wie hohem Grade in diesen beyden Profilen sichtbar! Nichts von Gedehntheit, Schiefheit, Gedrücktheit, Verworrenheit! So in beyden -- und dennoch, wie auffallend ist der Unterschied! So daß der eine Vater, der andere Sohn seyn könnte; die Stirn von a ist kühner und gedrängter; b offner, klüger, und -- stolzer. Die Nase in b hat mehr Großheit als a. Der Mund in a voll Klugheit in That, Tapferkeit, Treue. Die Oberlippe in b gewiß zu nah an der Nase. Der Mund weise, stolz und wollüstig.
Sechstes
Phys. Fragm.IIIVersuch. H
Ueber griechiſche Geſichter.
[Abbildung]
F. Zwey griechiſche Profile. Diomedes und Ulyſſes.
Sie finden ſich ſchon im erſten Theile, nur nicht ſo fein — und ohn’ Ein Wort. Sie ſollen dieß Fragment beſchließen, weil ſie offenbar am meiſten rein altgriechiſche Phyſiognomie zu haben ſchei- nen. Sie ſind von einer alten Vaſe aus dem Stoßiſchen Muſaͤo genommen, und — bekannter maßen, Bildniſſe des Kluͤgſten und Tapferſten unter den Griechen vor Troja. Gedraͤngtheit, Einfachheit, feſte Zuſammenſtimmung — in wie hohem Grade in dieſen beyden Profilen ſichtbar! Nichts von Gedehntheit, Schiefheit, Gedruͤcktheit, Verworrenheit! So in beyden — und dennoch, wie auffallend iſt der Unterſchied! So daß der eine Vater, der andere Sohn ſeyn koͤnnte; die Stirn von a iſt kuͤhner und gedraͤngter; b offner, kluͤger, und — ſtolzer. Die Naſe in b hat mehr Großheit als a. Der Mund in a voll Klugheit in That, Tapferkeit, Treue. Die Oberlippe in b gewiß zu nah an der Naſe. Der Mund weiſe, ſtolz und wolluͤſtig.
Sechstes
Phyſ. Fragm.IIIVerſuch. H
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Ueber griechiſche Geſichter.
[Abbildung]
F.
Zwey griechiſche Profile. Diomedes und Ulyſſes.
Sie finden ſich ſchon im erſten Theile, nur nicht ſo fein — und ohn’ Ein Wort. Sie ſollen dieß
Fragment beſchließen, weil ſie offenbar am meiſten rein altgriechiſche Phyſiognomie zu haben ſchei-
nen. Sie ſind von einer alten Vaſe aus dem Stoßiſchen Muſaͤo genommen, und — bekannter
maßen, Bildniſſe des Kluͤgſten und Tapferſten unter den Griechen vor Troja. Gedraͤngtheit,
Einfachheit, feſte Zuſammenſtimmung — in wie hohem Grade in dieſen beyden Profilen
ſichtbar! Nichts von Gedehntheit, Schiefheit, Gedruͤcktheit, Verworrenheit! So in beyden —
und dennoch, wie auffallend iſt der Unterſchied! So daß der eine Vater, der andere Sohn ſeyn
koͤnnte; die Stirn von a iſt kuͤhner und gedraͤngter; b offner, kluͤger, und — ſtolzer. Die Naſe
in b hat mehr Großheit als a. Der Mund in a voll Klugheit in That, Tapferkeit, Treue. Die
Oberlippe in b gewiß zu nah an der Naſe. Der Mund weiſe, ſtolz und wolluͤſtig.
Sechstes
Phyſ. Fragm. III Verſuch. H
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/83>, abgerufen am 18.12.2024.
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