TafelA. Vier griechische Köpfe. Zween Namenlose. Hippokrates; Priamus.
2. Tafel des II. Bandes.
A.Numern sind uns hier, was Namen; und Namen, was Numern. Alle vier gelten für Copeyen von griechischen Weisen. Und in der That keiner sieht einem Dummkopf, oder einem schwachen Menschen ähnlich. Nicht nur die Bärte -- diese Zierde der Menschheit -- machen sie zu Weisen. Nein, Größe, das ist, über ihre Zeitgenossen und viele tausend andere Menschen emporstrebende Empfindung und Würkungskraft -- ist in allen die- sen 4. Gesichtern. Zwar in allen vieren sind die Augen am schlechtesten bearbeitet, obwohl sie in keinem ganz gemein sind. Aus 1. läßt sich noch die meiste Größe vermuthen. Der Umriß, die Form von allen ist Umriß und Form von Größe und Kraft. Priamus scheint am meisten Fe- stigkeit, ruhige Gesetztheit; 2. am meisten Verstand und Theilnehmung; 1. am meisten Tiessinn, Stolz und Anmaßung zu haben; Hippokrates am meisten Menschlichkeit und Adel. Dieß sitzt nicht so fast in der Stirne, die, so wie sie da erscheint -- freylich nicht gemein, dennoch unten den Stirnen vorzüglichen Verstandes -- wenn man deren 50. Grade annähme, höchstens zwischen 30. und 35. wäre. Von der Augenbraune an bis zum (obgleich etwas zu tiefen) Munde, adelt sich das Gesicht. Theilnehmung und Ergreifung ist in den Augen sichtbar -- und im Umrisse der Nase. Der offne Mund in 1 -- macht das Gesicht beynah unerträglich. Läßigkeit, Kälte, Ver- achtung scheinen mit dem Hauche des Odems heraus zu wehen. Aber in der Augenbraune, der Nase ist Größe -- und in der herrlichen Rundung des Hinterhaupts -- Weisheit. Etwas weni- ger Feinheit der Empfindung im Hinterhaupte von 2, wo auch der Mund zu weit absteht von der Nase, die an sich und in Verbindung mit der Stirne voll Ausdrucks fester männlicher Weisheit ist. Der sogenannte Priamus hat etwas wollüstiges und schalkhaftes im Munde.
Tafel
V.Fragment.
TafelA. Vier griechiſche Koͤpfe. Zween Namenloſe. Hippokrates; Priamus.
2. Tafel des II. Bandes.
A.Numern ſind uns hier, was Namen; und Namen, was Numern. Alle vier gelten fuͤr Copeyen von griechiſchen Weiſen. Und in der That keiner ſieht einem Dummkopf, oder einem ſchwachen Menſchen aͤhnlich. Nicht nur die Baͤrte — dieſe Zierde der Menſchheit — machen ſie zu Weiſen. Nein, Groͤße, das iſt, uͤber ihre Zeitgenoſſen und viele tauſend andere Menſchen emporſtrebende Empfindung und Wuͤrkungskraft — iſt in allen die- ſen 4. Geſichtern. Zwar in allen vieren ſind die Augen am ſchlechteſten bearbeitet, obwohl ſie in keinem ganz gemein ſind. Aus 1. laͤßt ſich noch die meiſte Groͤße vermuthen. Der Umriß, die Form von allen iſt Umriß und Form von Groͤße und Kraft. Priamus ſcheint am meiſten Fe- ſtigkeit, ruhige Geſetztheit; 2. am meiſten Verſtand und Theilnehmung; 1. am meiſten Tieſſinn, Stolz und Anmaßung zu haben; Hippokrates am meiſten Menſchlichkeit und Adel. Dieß ſitzt nicht ſo faſt in der Stirne, die, ſo wie ſie da erſcheint — freylich nicht gemein, dennoch unten den Stirnen vorzuͤglichen Verſtandes — wenn man deren 50. Grade annaͤhme, hoͤchſtens zwiſchen 30. und 35. waͤre. Von der Augenbraune an bis zum (obgleich etwas zu tiefen) Munde, adelt ſich das Geſicht. Theilnehmung und Ergreifung iſt in den Augen ſichtbar — und im Umriſſe der Naſe. Der offne Mund in 1 — macht das Geſicht beynah unertraͤglich. Laͤßigkeit, Kaͤlte, Ver- achtung ſcheinen mit dem Hauche des Odems heraus zu wehen. Aber in der Augenbraune, der Naſe iſt Groͤße — und in der herrlichen Rundung des Hinterhaupts — Weisheit. Etwas weni- ger Feinheit der Empfindung im Hinterhaupte von 2, wo auch der Mund zu weit abſteht von der Naſe, die an ſich und in Verbindung mit der Stirne voll Ausdrucks feſter maͤnnlicher Weisheit iſt. Der ſogenannte Priamus hat etwas wolluͤſtiges und ſchalkhaftes im Munde.
Tafel
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V. Fragment.
Tafel A.
Vier griechiſche Koͤpfe. Zween Namenloſe. Hippokrates; Priamus.
A. Numern ſind uns hier, was Namen; und Namen, was Numern. Alle vier
gelten fuͤr Copeyen von griechiſchen Weiſen. Und in der That keiner ſieht einem
Dummkopf, oder einem ſchwachen Menſchen aͤhnlich. Nicht nur die Baͤrte — dieſe
Zierde der Menſchheit — machen ſie zu Weiſen. Nein, Groͤße, das iſt, uͤber ihre Zeitgenoſſen und
viele tauſend andere Menſchen emporſtrebende Empfindung und Wuͤrkungskraft — iſt in allen die-
ſen 4. Geſichtern. Zwar in allen vieren ſind die Augen am ſchlechteſten bearbeitet, obwohl ſie in
keinem ganz gemein ſind. Aus 1. laͤßt ſich noch die meiſte Groͤße vermuthen. Der Umriß, die
Form von allen iſt Umriß und Form von Groͤße und Kraft. Priamus ſcheint am meiſten Fe-
ſtigkeit, ruhige Geſetztheit; 2. am meiſten Verſtand und Theilnehmung; 1. am meiſten Tieſſinn,
Stolz und Anmaßung zu haben; Hippokrates am meiſten Menſchlichkeit und Adel. Dieß ſitzt
nicht ſo faſt in der Stirne, die, ſo wie ſie da erſcheint — freylich nicht gemein, dennoch unten den
Stirnen vorzuͤglichen Verſtandes — wenn man deren 50. Grade annaͤhme, hoͤchſtens zwiſchen 30.
und 35. waͤre. Von der Augenbraune an bis zum (obgleich etwas zu tiefen) Munde, adelt ſich
das Geſicht. Theilnehmung und Ergreifung iſt in den Augen ſichtbar — und im Umriſſe der
Naſe. Der offne Mund in 1 — macht das Geſicht beynah unertraͤglich. Laͤßigkeit, Kaͤlte, Ver-
achtung ſcheinen mit dem Hauche des Odems heraus zu wehen. Aber in der Augenbraune, der
Naſe iſt Groͤße — und in der herrlichen Rundung des Hinterhaupts — Weisheit. Etwas weni-
ger Feinheit der Empfindung im Hinterhaupte von 2, wo auch der Mund zu weit abſteht von der
Naſe, die an ſich und in Verbindung mit der Stirne voll Ausdrucks feſter maͤnnlicher Weisheit iſt.
Der ſogenannte Priamus hat etwas wolluͤſtiges und ſchalkhaftes im Munde.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/68>, abgerufen am 17.11.2024.
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