Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.Frauenspersonen. Geschaffen sind sie zu mütterlicher Milde und Zärtlichkeit! All' ihre Organen zart, biegsam, Unter tausend weiblichen Geschöpfen kaum Eins ohne das Ordenszeichen der Weiblich- Sie sind Nachlaut der Mannheit .. vom Manne genommen, dem Mann unterthan zu Diese Zartheit, diese empfindsame Beweglichkeit, dieß leichte Gewebe ihrer Fibern und Aber nicht nur äußerst verführbar -- auch bildsam zur allerreinsten, edelsten, engelschön- Aeußerst empfindlich für Reinheit, Schönheit und Ebenmaaß aller Dinge, ohn' alle- Sie denken nicht viel, die weiblichen Seelen; Denken ist Kraft der Mannheit. Sie empfinden mehr. Empfindung ist Kraft der Weiblichkeit. Sie herrschen oft tiefer, kräftiger, als die Männer, aber nicht mit Zorn und Donner- Sie sind der reinsten Empfindsamkeit, der tiefsten unaussprechlichsten Gefühle, der allver- Auf ihrem Antlitze schwebt ein Zeichen der Heiligkeit und Unverletzlichkeit, das jeder fühlen- Sie
Frauensperſonen. Geſchaffen ſind ſie zu muͤtterlicher Milde und Zaͤrtlichkeit! All’ ihre Organen zart, biegſam, Unter tauſend weiblichen Geſchoͤpfen kaum Eins ohne das Ordenszeichen der Weiblich- Sie ſind Nachlaut der Mannheit .. vom Manne genommen, dem Mann unterthan zu Dieſe Zartheit, dieſe empfindſame Beweglichkeit, dieß leichte Gewebe ihrer Fibern und Aber nicht nur aͤußerſt verfuͤhrbar — auch bildſam zur allerreinſten, edelſten, engelſchoͤn- Aeußerſt empfindlich fuͤr Reinheit, Schoͤnheit und Ebenmaaß aller Dinge, ohn’ alle- Sie denken nicht viel, die weiblichen Seelen; Denken iſt Kraft der Mannheit. Sie empfinden mehr. Empfindung iſt Kraft der Weiblichkeit. Sie herrſchen oft tiefer, kraͤftiger, als die Maͤnner, aber nicht mit Zorn und Donner- Sie ſind der reinſten Empfindſamkeit, der tiefſten unausſprechlichſten Gefuͤhle, der allver- Auf ihrem Antlitze ſchwebt ein Zeichen der Heiligkeit und Unverletzlichkeit, das jeder fuͤhlen- Sie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" n="295"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Frauensperſonen.</hi> </hi> </fw><lb/> <p>Geſchaffen ſind ſie zu muͤtterlicher Milde und Zaͤrtlichkeit! All’ ihre Organen zart, biegſam,<lb/> leicht verletzlich, ſinnlich und empfaͤnglich. —</p><lb/> <p>Unter tauſend weiblichen Geſchoͤpfen kaum Eins ohne das Ordenszeichen der Weiblich-<lb/> keit — Weichheit, Rundheit, Reizbarkeit.</p><lb/> <p>Sie ſind Nachlaut der Mannheit .. vom Manne genommen, dem Mann unterthan zu<lb/> ſeyn, zu troͤſten ihn mit Engelstroſt, zu leichtern ſeine Sorgen; <hi rendition="#fr">ſelig durch Kindergebaͤhren und<lb/> Kinderziehen zum Glauben, zur Hoffnung, zur Liebe.</hi></p><lb/> <p>Dieſe Zartheit, dieſe empfindſame Beweglichkeit, dieß leichte Gewebe ihrer Fibern und<lb/> Organen — dieß Schwebende ihres Gefuͤhles macht ſie ſo leitſam, ſo fuͤhrbar, und verfuͤhrbar;<lb/> ſo leicht unterliegend dem wagendern, kraͤftigern Mannsgeſchlechte — durch ihre <hi rendition="#fr">Reize</hi> aber doch<lb/> verfuͤhrender, als der Mann durch ſeine <hi rendition="#fr">Kraft. Der Mann iſt nicht zum erſten verfuͤhrt<lb/> worden, ſondern das Weib; darnach auch der Mann durch das Weib.</hi></p><lb/> <p>Aber nicht nur aͤußerſt verfuͤhrbar — auch bildſam zur allerreinſten, edelſten, engelſchoͤn-<lb/> ſten Tugend! zu allem, was Lob und Lieblichkeit heißen mag.</p><lb/> <p>Aeußerſt empfindlich fuͤr <hi rendition="#fr">Reinheit, Schoͤnheit und Ebenmaaß</hi> aller Dinge, ohn’ alle-<lb/> mal an inneres Leben, innern Tod, innere Verweslichkeit zu denken. <hi rendition="#fr">Das Weib ſchaute an,<lb/> daß der Baum gut war, davon zu eſſen, und lieblich anzuſehen; daß er auch ein an-<lb/> muthiger Baum waͤre, dieweil er klug machte, und nahm von deſſelben Frucht ...</hi></p><lb/> <p>Sie <hi rendition="#fr">denken</hi> nicht viel, die weiblichen Seelen; <hi rendition="#fr">Denken iſt Kraft der Mannheit.</hi></p><lb/> <p>Sie <hi rendition="#fr">empfinden</hi> mehr. <hi rendition="#fr">Empfindung iſt Kraft der Weiblichkeit.</hi></p><lb/> <p>Sie herrſchen oft tiefer, kraͤftiger, als die Maͤnner, aber nicht mit Zorn und Donner-<lb/> wort — (thun ſie’s, Weiber ſind ſie nicht mehr — ſind Mißgeburten, in ſo fern ſie <hi rendition="#fr">ſo</hi> herrſchen)<lb/> herrſchen mit dieſem Blicke, dieſer Thraͤne, dieſem Seufzer!</p><lb/> <p>Sie ſind der reinſten Empfindſamkeit, der tiefſten unausſprechlichſten Gefuͤhle, der allver-<lb/> geſſendſten Demuth, der unnennbarſten Jnnigkeit faͤhig.</p><lb/> <p>Auf ihrem Antlitze ſchwebt ein Zeichen der Heiligkeit und Unverletzlichkeit, das jeder fuͤhlen-<lb/> de Mann ehrt. Dieß Zeichen bewuͤrkt oft ovidiſche Verwandlungen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0469]
Frauensperſonen.
Geſchaffen ſind ſie zu muͤtterlicher Milde und Zaͤrtlichkeit! All’ ihre Organen zart, biegſam,
leicht verletzlich, ſinnlich und empfaͤnglich. —
Unter tauſend weiblichen Geſchoͤpfen kaum Eins ohne das Ordenszeichen der Weiblich-
keit — Weichheit, Rundheit, Reizbarkeit.
Sie ſind Nachlaut der Mannheit .. vom Manne genommen, dem Mann unterthan zu
ſeyn, zu troͤſten ihn mit Engelstroſt, zu leichtern ſeine Sorgen; ſelig durch Kindergebaͤhren und
Kinderziehen zum Glauben, zur Hoffnung, zur Liebe.
Dieſe Zartheit, dieſe empfindſame Beweglichkeit, dieß leichte Gewebe ihrer Fibern und
Organen — dieß Schwebende ihres Gefuͤhles macht ſie ſo leitſam, ſo fuͤhrbar, und verfuͤhrbar;
ſo leicht unterliegend dem wagendern, kraͤftigern Mannsgeſchlechte — durch ihre Reize aber doch
verfuͤhrender, als der Mann durch ſeine Kraft. Der Mann iſt nicht zum erſten verfuͤhrt
worden, ſondern das Weib; darnach auch der Mann durch das Weib.
Aber nicht nur aͤußerſt verfuͤhrbar — auch bildſam zur allerreinſten, edelſten, engelſchoͤn-
ſten Tugend! zu allem, was Lob und Lieblichkeit heißen mag.
Aeußerſt empfindlich fuͤr Reinheit, Schoͤnheit und Ebenmaaß aller Dinge, ohn’ alle-
mal an inneres Leben, innern Tod, innere Verweslichkeit zu denken. Das Weib ſchaute an,
daß der Baum gut war, davon zu eſſen, und lieblich anzuſehen; daß er auch ein an-
muthiger Baum waͤre, dieweil er klug machte, und nahm von deſſelben Frucht ...
Sie denken nicht viel, die weiblichen Seelen; Denken iſt Kraft der Mannheit.
Sie empfinden mehr. Empfindung iſt Kraft der Weiblichkeit.
Sie herrſchen oft tiefer, kraͤftiger, als die Maͤnner, aber nicht mit Zorn und Donner-
wort — (thun ſie’s, Weiber ſind ſie nicht mehr — ſind Mißgeburten, in ſo fern ſie ſo herrſchen)
herrſchen mit dieſem Blicke, dieſer Thraͤne, dieſem Seufzer!
Sie ſind der reinſten Empfindſamkeit, der tiefſten unausſprechlichſten Gefuͤhle, der allver-
geſſendſten Demuth, der unnennbarſten Jnnigkeit faͤhig.
Auf ihrem Antlitze ſchwebt ein Zeichen der Heiligkeit und Unverletzlichkeit, das jeder fuͤhlen-
de Mann ehrt. Dieß Zeichen bewuͤrkt oft ovidiſche Verwandlungen.
Sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/469 |
Zitationshilfe: | Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/469>, abgerufen am 16.02.2025. |