Siebenzehntes Fragment. Zwey weibliche Porträte, ein schattirtes und ein Umriß, von derselben Person. B.
Des III. Ban- des LXXIX. Tafel. B.
Richt beleidigen will ich deine reineste Bescheidenheit, fromme Matrone; fürchte dich nicht .. will nicht deinen edlen Charakter aufschließen; und dennoch bitte ich: Verzeihe, daß ich den Schatten deines, die Stille so liebenden, Wesens hier vorführe! ...
Du lebst schon im Grabe, und im Himmel deines Heylandes! Der äußerliche Mensch ver- wese! der innerliche erneut sich von Tag zu Tage! -- ...
Güte und Religionsempfänglichkeit sind dem ziemlich ähnlichen Urbilde mitgebo- ren -- Tugend und Christenthum -- ward durch Fürsehung von außen, und durch Uebung von innen -- auf diesem Grunde gepflanzt und genährt.
Die ungewöhnlich kurze -- so ganz gebogne Stirn -- ist sicheres Zeichen von weiblicher Zartheit -- und Religionsempfänglichkeit, sanfter, liebender -- Religion, die leicht in Jmagina- tionstäuschung und Tändeley ausgleiten kann; hier nicht dahin ausartete.
Solche Stirnen nehmen Licht an -- aber forschen nicht mit Drange nach Licht -- Solche Stirnen sind Quellen von leichtfließenden Thränen schnellerregter Sehnsucht und Liebe.
Solche Stirnen haben gemeiniglich die Augenbraunen hoch über den Augen -- solche Stirnen -- selten kleine Augen -- nie Augen, an denen das obere Augenlied sich bis zur Unbe- merkbarkeit zurückzieht -- immer sichtbar große obere Augenlieder.
Solche Stirnen selten andere, als kleine, nie starkknochigte vordringende Nasen.
Nun
X. Abſchnitt. XVII. Fragment.
Siebenzehntes Fragment. Zwey weibliche Portraͤte, ein ſchattirtes und ein Umriß, von derſelben Perſon. B.
Des III. Ban- des LXXIX. Tafel. B.
Richt beleidigen will ich deine reineſte Beſcheidenheit, fromme Matrone; fuͤrchte dich nicht .. will nicht deinen edlen Charakter aufſchließen; und dennoch bitte ich: Verzeihe, daß ich den Schatten deines, die Stille ſo liebenden, Weſens hier vorfuͤhre! ...
Du lebſt ſchon im Grabe, und im Himmel deines Heylandes! Der aͤußerliche Menſch ver- weſe! der innerliche erneut ſich von Tag zu Tage! — ...
Guͤte und Religionsempfaͤnglichkeit ſind dem ziemlich aͤhnlichen Urbilde mitgebo- ren — Tugend und Chriſtenthum — ward durch Fuͤrſehung von außen, und durch Uebung von innen — auf dieſem Grunde gepflanzt und genaͤhrt.
Die ungewoͤhnlich kurze — ſo ganz gebogne Stirn — iſt ſicheres Zeichen von weiblicher Zartheit — und Religionsempfaͤnglichkeit, ſanfter, liebender — Religion, die leicht in Jmagina- tionstaͤuſchung und Taͤndeley ausgleiten kann; hier nicht dahin ausartete.
Solche Stirnen nehmen Licht an — aber forſchen nicht mit Drange nach Licht — Solche Stirnen ſind Quellen von leichtfließenden Thraͤnen ſchnellerregter Sehnſucht und Liebe.
Solche Stirnen haben gemeiniglich die Augenbraunen hoch uͤber den Augen — ſolche Stirnen — ſelten kleine Augen — nie Augen, an denen das obere Augenlied ſich bis zur Unbe- merkbarkeit zuruͤckzieht — immer ſichtbar große obere Augenlieder.
Solche Stirnen ſelten andere, als kleine, nie ſtarkknochigte vordringende Naſen.
Nun
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X. Abſchnitt. XVII. Fragment.
Siebenzehntes Fragment.
Zwey weibliche Portraͤte, ein ſchattirtes und ein Umriß,
von derſelben Perſon. B.
Richt beleidigen will ich deine reineſte Beſcheidenheit, fromme Matrone; fuͤrchte
dich nicht .. will nicht deinen edlen Charakter aufſchließen; und dennoch bitte ich:
Verzeihe, daß ich den Schatten deines, die Stille ſo liebenden, Weſens hier vorfuͤhre! ...
Du lebſt ſchon im Grabe, und im Himmel deines Heylandes! Der aͤußerliche Menſch ver-
weſe! der innerliche erneut ſich von Tag zu Tage! — ...
Guͤte und Religionsempfaͤnglichkeit ſind dem ziemlich aͤhnlichen Urbilde mitgebo-
ren — Tugend und Chriſtenthum — ward durch Fuͤrſehung von außen, und durch Uebung
von innen — auf dieſem Grunde gepflanzt und genaͤhrt.
Die ungewoͤhnlich kurze — ſo ganz gebogne Stirn — iſt ſicheres Zeichen von weiblicher
Zartheit — und Religionsempfaͤnglichkeit, ſanfter, liebender — Religion, die leicht in Jmagina-
tionstaͤuſchung und Taͤndeley ausgleiten kann; hier nicht dahin ausartete.
Solche Stirnen nehmen Licht an — aber forſchen nicht mit Drange nach Licht — Solche
Stirnen ſind Quellen von leichtfließenden Thraͤnen ſchnellerregter Sehnſucht und Liebe.
Solche Stirnen haben gemeiniglich die Augenbraunen hoch uͤber den Augen — ſolche
Stirnen — ſelten kleine Augen — nie Augen, an denen das obere Augenlied ſich bis zur Unbe-
merkbarkeit zuruͤckzieht — immer ſichtbar große obere Augenlieder.
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/456>, abgerufen am 03.03.2025.
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