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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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X. Abschnitt. VII. Fragment.
Mann. Die Stirne, besonders wie sie in 1. auffällt, ist nicht dumm -- und das war der Mann ge-
wiß nicht. Das Auge, besonders die über dem rechten Auge sichtbare Tiefe, ist nicht gemein -- aber
auch nicht groß. Die Nase in 2. ist bedeutender, als in 1. Launigt und zufriedener der Mund in 1,
als in 2. wie denn überhaupt die ganze Figur 2. redliche, steife Orthodoxie im höchsten Grade
ausdrückt. Der Einschnitt unterm Jochbeine gegen den Mund herab, ist wahrester Ausdruck ab-
gebrannten, von Eifer verzehrten Wesens.

Siebentes Fragment.
H. und A. Zwey männliche schattirte Profile.
H.
Des III. Ban-
des LXXI.
Tafel.

Das obere kennen wir schon aus zwo Silhouetten. Hier also das sprechende
Halbgesicht, voll Ueberlegung, treffenden Hinblicks, innerer Kraft, schnell und still
vollendeter That -- innigster, kühnester Umfassung der Gottheit. Freylich -- das Auge, das
wir hier sehen, ist weder so tief, noch so hell, noch so treffend, wie in der Natur, und dennoch
ist's gewiß kein gemeines Menschenauge -- unter dieser Augenbraune? unter dieser festen --
obgleich nicht felsernen Stirne! Jm Uebergange von der Stirne zur Nase ist kluger Ver-
stand -- obgleich dem Jünglinge noch Uebung der Klugheit fehlt. Das abermals zu kurze,
zu kleinliche Nasenloch verdirbt wieder viel vom Charakter der Männlichkeit, den die Nase hat.
Jm Munde ist viel Ausdruck von fester Gelenksamkeit -- Das Kinn ist weder gemein noch un-
gemein. Das Ohr ist vornehmlich durch Proportion und Stellung vortheilhaft, wär's nur
besser ausgezeichnet. Dieser Jüngling, wenn er Mann ist, wie wird er würken auf die Geister
und Herzen aller Feinde und Freunde der Religion! wie kühn, wie tief, mit welcher schneidenden

Kraft

X. Abſchnitt. VII. Fragment.
Mann. Die Stirne, beſonders wie ſie in 1. auffaͤllt, iſt nicht dumm — und das war der Mann ge-
wiß nicht. Das Auge, beſonders die uͤber dem rechten Auge ſichtbare Tiefe, iſt nicht gemein — aber
auch nicht groß. Die Naſe in 2. iſt bedeutender, als in 1. Launigt und zufriedener der Mund in 1,
als in 2. wie denn uͤberhaupt die ganze Figur 2. redliche, ſteife Orthodoxie im hoͤchſten Grade
ausdruͤckt. Der Einſchnitt unterm Jochbeine gegen den Mund herab, iſt wahreſter Ausdruck ab-
gebrannten, von Eifer verzehrten Weſens.

Siebentes Fragment.
H. und A. Zwey maͤnnliche ſchattirte Profile.
H.
Des III. Ban-
des LXXI.
Tafel.

Das obere kennen wir ſchon aus zwo Silhouetten. Hier alſo das ſprechende
Halbgeſicht, voll Ueberlegung, treffenden Hinblicks, innerer Kraft, ſchnell und ſtill
vollendeter That — innigſter, kuͤhneſter Umfaſſung der Gottheit. Freylich — das Auge, das
wir hier ſehen, iſt weder ſo tief, noch ſo hell, noch ſo treffend, wie in der Natur, und dennoch
iſt’s gewiß kein gemeines Menſchenauge — unter dieſer Augenbraune? unter dieſer feſten —
obgleich nicht felſernen Stirne! Jm Uebergange von der Stirne zur Naſe iſt kluger Ver-
ſtand — obgleich dem Juͤnglinge noch Uebung der Klugheit fehlt. Das abermals zu kurze,
zu kleinliche Naſenloch verdirbt wieder viel vom Charakter der Maͤnnlichkeit, den die Naſe hat.
Jm Munde iſt viel Ausdruck von feſter Gelenkſamkeit — Das Kinn iſt weder gemein noch un-
gemein. Das Ohr iſt vornehmlich durch Proportion und Stellung vortheilhaft, waͤr’s nur
beſſer ausgezeichnet. Dieſer Juͤngling, wenn er Mann iſt, wie wird er wuͤrken auf die Geiſter
und Herzen aller Feinde und Freunde der Religion! wie kuͤhn, wie tief, mit welcher ſchneidenden

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[256/0412] X. Abſchnitt. VII. Fragment. Mann. Die Stirne, beſonders wie ſie in 1. auffaͤllt, iſt nicht dumm — und das war der Mann ge- wiß nicht. Das Auge, beſonders die uͤber dem rechten Auge ſichtbare Tiefe, iſt nicht gemein — aber auch nicht groß. Die Naſe in 2. iſt bedeutender, als in 1. Launigt und zufriedener der Mund in 1, als in 2. wie denn uͤberhaupt die ganze Figur 2. redliche, ſteife Orthodoxie im hoͤchſten Grade ausdruͤckt. Der Einſchnitt unterm Jochbeine gegen den Mund herab, iſt wahreſter Ausdruck ab- gebrannten, von Eifer verzehrten Weſens. Siebentes Fragment. H. und A. Zwey maͤnnliche ſchattirte Profile. H. Das obere kennen wir ſchon aus zwo Silhouetten. Hier alſo das ſprechende Halbgeſicht, voll Ueberlegung, treffenden Hinblicks, innerer Kraft, ſchnell und ſtill vollendeter That — innigſter, kuͤhneſter Umfaſſung der Gottheit. Freylich — das Auge, das wir hier ſehen, iſt weder ſo tief, noch ſo hell, noch ſo treffend, wie in der Natur, und dennoch iſt’s gewiß kein gemeines Menſchenauge — unter dieſer Augenbraune? unter dieſer feſten — obgleich nicht felſernen Stirne! Jm Uebergange von der Stirne zur Naſe iſt kluger Ver- ſtand — obgleich dem Juͤnglinge noch Uebung der Klugheit fehlt. Das abermals zu kurze, zu kleinliche Naſenloch verdirbt wieder viel vom Charakter der Maͤnnlichkeit, den die Naſe hat. Jm Munde iſt viel Ausdruck von feſter Gelenkſamkeit — Das Kinn iſt weder gemein noch un- gemein. Das Ohr iſt vornehmlich durch Proportion und Stellung vortheilhaft, waͤr’s nur beſſer ausgezeichnet. Dieſer Juͤngling, wenn er Mann iſt, wie wird er wuͤrken auf die Geiſter und Herzen aller Feinde und Freunde der Religion! wie kuͤhn, wie tief, mit welcher ſchneidenden Kraft

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/412>, abgerufen am 17.11.2024.