Des III. Ban- des LIX. Tafel."Ein Mann, der Verdienst um Schöpfung eines neuen Geschmacks in Setz- und "Spielart hat; der in der Musik Epoche machte, und besonders in den Zeiten, als er "aufstund, machen mußte. Ein Mann, dem viele nachfolgten, und der itzt eine ansehnliche Zahl "von Schülern und Jüngern seines Wesens in Deutschland sieht, die sich gut angebauet haben, "und auch von vielen aufgenommen werden." "Er ist Schöpfer! Mögen nun andere, denen es zukömmt, ausmachen: Ob? wie? wann? "warum? und wo? er's ist und geworden ist? Er ist Original! Alle seine Produkte sind mit Origi- "nalität gestempelt ... Vielleicht begreifen ihn eben deswegen so wenige; vielleicht läßt sich daraus "das viele Reden über ihn, und der Anhang seiner meisten Schüler herleiten -- Vielleicht haben "andere auch recht, die ihren Weg, verschieden von dem seinigen, wallen, und doch gut, schlim- "mer oder besser, gehen können. Er ist Original, und es läßt sich da nun alles sagen, was sich in der "Musik, so wie in allen Künsten und Wissenschaften, von den Originalen sagen läßt."
-- Was? Ein Zeichen, dem widersprochen wird -- gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler.
"Sein vor uns liegendes Gesicht ist unter dem Geschlechte, in das er gehört -- eben so ori- "ginal, als sein musikalischer Mensch. Es ist eine Gattung, die immer in der Welt etwas poußi- "ren und vorstellen wird. Zwischen den Augenbraunen, im Blicke der Augen -- scheint ein geistiger "Ausdruck seiner produktifen Kraft zu schweben. Er kann, er wird, er muß sich, mit solcher Phy- "siognomie, an vielen Orten, mit Anstand und Vortheil produciren können. Auch sieht man zu- "gleich, daß er für das Herablassende und Resignirende nicht ganz gemacht ist. Wie's denn so die "Originalität mit sich bringt. Aufgenommen oder verworfen; geschätzt oder verkannt -- seiner "Organisation gemäß wandelt das Original in seiner Einheit, Fülle und Genügsamkeit seinen Weg "fort."
So weit ein Musiker und Physiognom.
Doch den Fehler am linken Auge in der Natur hat der Mahler aus Höflichkeit vermuthlich und schonender Güte weggepinselt .. und ganz unfehlbar damit zugleich -- ein beträchtliches von Ausdruck. Seele genug bleibt übrigens noch in Aug und Augenbraunen übrig. Die Nase, zu
sehr
VIII. Abſchnitt. III. Fragment.
Drittes Fragment. Emanuel Bach.
Des III. Ban- des LIX. Tafel.„Ein Mann, der Verdienſt um Schoͤpfung eines neuen Geſchmacks in Setz- und „Spielart hat; der in der Muſik Epoche machte, und beſonders in den Zeiten, als er „aufſtund, machen mußte. Ein Mann, dem viele nachfolgten, und der itzt eine anſehnliche Zahl „von Schuͤlern und Juͤngern ſeines Weſens in Deutſchland ſieht, die ſich gut angebauet haben, „und auch von vielen aufgenommen werden.“ „Er iſt Schoͤpfer! Moͤgen nun andere, denen es zukoͤmmt, ausmachen: Ob? wie? wann? „warum? und wo? er’s iſt und geworden iſt? Er iſt Original! Alle ſeine Produkte ſind mit Origi- „nalitaͤt geſtempelt ... Vielleicht begreifen ihn eben deswegen ſo wenige; vielleicht laͤßt ſich daraus „das viele Reden uͤber ihn, und der Anhang ſeiner meiſten Schuͤler herleiten — Vielleicht haben „andere auch recht, die ihren Weg, verſchieden von dem ſeinigen, wallen, und doch gut, ſchlim- „mer oder beſſer, gehen koͤnnen. Er iſt Original, und es laͤßt ſich da nun alles ſagen, was ſich in der „Muſik, ſo wie in allen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften, von den Originalen ſagen laͤßt.“
— Was? Ein Zeichen, dem widerſprochen wird — geſetzt zum Fall und zur Auferſtehung vieler.
„Sein vor uns liegendes Geſicht iſt unter dem Geſchlechte, in das er gehoͤrt — eben ſo ori- „ginal, als ſein muſikaliſcher Menſch. Es iſt eine Gattung, die immer in der Welt etwas poußi- „ren und vorſtellen wird. Zwiſchen den Augenbraunen, im Blicke der Augen — ſcheint ein geiſtiger „Ausdruck ſeiner produktifen Kraft zu ſchweben. Er kann, er wird, er muß ſich, mit ſolcher Phy- „ſiognomie, an vielen Orten, mit Anſtand und Vortheil produciren koͤnnen. Auch ſieht man zu- „gleich, daß er fuͤr das Herablaſſende und Reſignirende nicht ganz gemacht iſt. Wie’s denn ſo die „Originalitaͤt mit ſich bringt. Aufgenommen oder verworfen; geſchaͤtzt oder verkannt — ſeiner „Organiſation gemaͤß wandelt das Original in ſeiner Einheit, Fuͤlle und Genuͤgſamkeit ſeinen Weg „fort.“
So weit ein Muſiker und Phyſiognom.
Doch den Fehler am linken Auge in der Natur hat der Mahler aus Hoͤflichkeit vermuthlich und ſchonender Guͤte weggepinſelt .. und ganz unfehlbar damit zugleich — ein betraͤchtliches von Ausdruck. Seele genug bleibt uͤbrigens noch in Aug und Augenbraunen uͤbrig. Die Naſe, zu
ſehr
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„Spielart hat; der in der Muſik Epoche machte, und beſonders in den Zeiten, als er
„aufſtund, machen mußte. Ein Mann, dem viele nachfolgten, und der itzt eine anſehnliche Zahl
„von Schuͤlern und Juͤngern ſeines Weſens in Deutſchland ſieht, die ſich gut angebauet haben,
„und auch von vielen aufgenommen werden.“
„Er iſt Schoͤpfer! Moͤgen nun andere, denen es zukoͤmmt, ausmachen: Ob? wie? wann?
„warum? und wo? er’s iſt und geworden iſt? Er iſt Original! Alle ſeine Produkte ſind mit Origi-
„nalitaͤt geſtempelt ... Vielleicht begreifen ihn eben deswegen ſo wenige; vielleicht laͤßt ſich daraus
„das viele Reden uͤber ihn, und der Anhang ſeiner meiſten Schuͤler herleiten — Vielleicht haben
„andere auch recht, die ihren Weg, verſchieden von dem ſeinigen, wallen, und doch gut, ſchlim-
„mer oder beſſer, gehen koͤnnen. Er iſt Original, und es laͤßt ſich da nun alles ſagen, was ſich in der
„Muſik, ſo wie in allen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften, von den Originalen ſagen laͤßt.“ — Was? Ein Zeichen, dem widerſprochen wird — geſetzt zum Fall und zur Auferſtehung vieler.
„Sein vor uns liegendes Geſicht iſt unter dem Geſchlechte, in das er gehoͤrt — eben ſo ori-
„ginal, als ſein muſikaliſcher Menſch. Es iſt eine Gattung, die immer in der Welt etwas poußi-
„ren und vorſtellen wird. Zwiſchen den Augenbraunen, im Blicke der Augen — ſcheint ein geiſtiger
„Ausdruck ſeiner produktifen Kraft zu ſchweben. Er kann, er wird, er muß ſich, mit ſolcher Phy-
„ſiognomie, an vielen Orten, mit Anſtand und Vortheil produciren koͤnnen. Auch ſieht man zu-
„gleich, daß er fuͤr das Herablaſſende und Reſignirende nicht ganz gemacht iſt. Wie’s denn ſo die
„Originalitaͤt mit ſich bringt. Aufgenommen oder verworfen; geſchaͤtzt oder verkannt — ſeiner
„Organiſation gemaͤß wandelt das Original in ſeiner Einheit, Fuͤlle und Genuͤgſamkeit ſeinen Weg
„fort.“ So weit ein Muſiker und Phyſiognom.
Doch den Fehler am linken Auge in der Natur hat der Mahler aus Hoͤflichkeit vermuthlich
und ſchonender Guͤte weggepinſelt .. und ganz unfehlbar damit zugleich — ein betraͤchtliches von
Ausdruck. Seele genug bleibt uͤbrigens noch in Aug und Augenbraunen uͤbrig. Die Naſe, zu
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/332>, abgerufen am 03.03.2025.
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