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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Einleitung.

Je weiter wir kommen, desto langweiliger für die Leser, für die ich eigentlich nicht schreibe;
desto lehrreicher, hoff' ich, desto unterhaltender für die, denen diese Versuche bestimmt
sind.

Jch muß, ich muß zusammendrängen; mich anschließen; mir weniger Lauf lassen;
mein Werk würde sonst unermeßlich -- und ich sehne mich nach Ruh und Ziel! der Weg ist
noch lang genug und steil genug, den ich gehen muß. Also Nebenwege, so wenig, als möglich. Jn
diesem Bande besonders so wenig Allgemeines, wie möglich! desto mehr Besonderes, woraus
sich für den Denker freylich wieder genug Allgemeines ergiebt.

Es ist oft schwer, anzufangen, aber noch schwerer oft, aufzuhören. Jch hab ein Werk
angefangen, dessen Ende unmöglich ist. Man mag über die Physiognomik schreiben, so viel man
will; man hat immer so viel, als Nichts darüber geschrieben. Jedes Menschengesicht -- ein
unerschöpfliches Meer! Was wird eine Nation seyn? Ein lebendes Menschengeschlecht? Was die
ganze Menschheit? -- Also! Ein heißer Seufzer -- und wieder die Hand an den
Pflug!

Jch wiederhole es: Jch bin unaussprechlich unbescheiden, daß ich über Physiognomik schrei-
be -- aber, ich weiß noch Niemanden, der drüber, wie ich's wünsche, schreiben würde -- wohl
manchen, der's könnte -- darum muß ich geben, was ich empfangen habe, so gut ich aus mei-
ner täglich mich mehr drückenden Armuth geben kann.

Eines noch -- Menschenfreunde! Literatoren! Bücherrichter! Jünglingslehrer! -- ver-
hütets doch, so viel Jhr könnt, daß uns ungeübte physiognomische Schwätzer, die nichts sehen,

oder
Phys. Fragm. III Versuch. A
Einleitung.

Je weiter wir kommen, deſto langweiliger fuͤr die Leſer, fuͤr die ich eigentlich nicht ſchreibe;
deſto lehrreicher, hoff’ ich, deſto unterhaltender fuͤr die, denen dieſe Verſuche beſtimmt
ſind.

Jch muß, ich muß zuſammendraͤngen; mich anſchließen; mir weniger Lauf laſſen;
mein Werk wuͤrde ſonſt unermeßlich — und ich ſehne mich nach Ruh und Ziel! der Weg iſt
noch lang genug und ſteil genug, den ich gehen muß. Alſo Nebenwege, ſo wenig, als moͤglich. Jn
dieſem Bande beſonders ſo wenig Allgemeines, wie moͤglich! deſto mehr Beſonderes, woraus
ſich fuͤr den Denker freylich wieder genug Allgemeines ergiebt.

Es iſt oft ſchwer, anzufangen, aber noch ſchwerer oft, aufzuhoͤren. Jch hab ein Werk
angefangen, deſſen Ende unmoͤglich iſt. Man mag uͤber die Phyſiognomik ſchreiben, ſo viel man
will; man hat immer ſo viel, als Nichts daruͤber geſchrieben. Jedes Menſchengeſicht — ein
unerſchoͤpfliches Meer! Was wird eine Nation ſeyn? Ein lebendes Menſchengeſchlecht? Was die
ganze Menſchheit? — Alſo! Ein heißer Seufzer — und wieder die Hand an den
Pflug!

Jch wiederhole es: Jch bin unausſprechlich unbeſcheiden, daß ich uͤber Phyſiognomik ſchrei-
be — aber, ich weiß noch Niemanden, der druͤber, wie ich’s wuͤnſche, ſchreiben wuͤrde — wohl
manchen, der’s koͤnnte — darum muß ich geben, was ich empfangen habe, ſo gut ich aus mei-
ner taͤglich mich mehr druͤckenden Armuth geben kann.

Eines noch — Menſchenfreunde! Literatoren! Buͤcherrichter! Juͤnglingslehrer! — ver-
huͤtets doch, ſo viel Jhr koͤnnt, daß uns ungeuͤbte phyſiognomiſche Schwaͤtzer, die nichts ſehen,

oder
Phyſ. Fragm. III Verſuch. A
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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/17>, abgerufen am 18.12.2024.