Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.Erstes Fragment. Ueber die Hände. Daß die Hände der Menschen so verschieden und sich so unähnlich sind, wie ihre Gesichter, ist So wenig man zwey sich vollkommen ähnliche Gesichter finden kann, so wenig wird man So verschieden die menschlichen Charakter überhaupt sind; so verschieden sind alle ein- Diese Verschiedenheit des Charakters zeigt sich, zuverläßigen Erfahrungen zufolge, beson- Abermal sonnenheller Beweis von der Allgewalt der Nichtbeobachtung, daß man hieran Die Verschiedenheit ist so vielfach, als alle würkliche und mögliche Verhältnisse, Be- So ist z. E. eine sichtbare, wahrnehmliche Verschiedenheit ihrer Masse; ihrer Knochen; Es ist auffallend klar, daß jede Hand mit dem Körper, dessen Glied sie ist -- natürli- Nicht
Erſtes Fragment. Ueber die Haͤnde. Daß die Haͤnde der Menſchen ſo verſchieden und ſich ſo unaͤhnlich ſind, wie ihre Geſichter, iſt So wenig man zwey ſich vollkommen aͤhnliche Geſichter finden kann, ſo wenig wird man So verſchieden die menſchlichen Charakter uͤberhaupt ſind; ſo verſchieden ſind alle ein- Dieſe Verſchiedenheit des Charakters zeigt ſich, zuverlaͤßigen Erfahrungen zufolge, beſon- Abermal ſonnenheller Beweis von der Allgewalt der Nichtbeobachtung, daß man hieran Die Verſchiedenheit iſt ſo vielfach, als alle wuͤrkliche und moͤgliche Verhaͤltniſſe, Be- So iſt z. E. eine ſichtbare, wahrnehmliche Verſchiedenheit ihrer Maſſe; ihrer Knochen; Es iſt auffallend klar, daß jede Hand mit dem Koͤrper, deſſen Glied ſie iſt — natuͤrli- Nicht
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Erſtes Fragment.
Ueber die Haͤnde.
Daß die Haͤnde der Menſchen ſo verſchieden und ſich ſo unaͤhnlich ſind, wie ihre Geſichter, iſt
eine Erfahrungsſache, die keines Erweiſes bedarf.
So wenig man zwey ſich vollkommen aͤhnliche Geſichter finden kann, ſo wenig wird man
zwo ſich vollkommen aͤhnliche Haͤnde von zwo verſchiedenen Perſonen finden. — Je aͤhnlicher ſich
die Geſichter, deſto aͤhnlicher die Haͤnde.
So verſchieden die menſchlichen Charakter uͤberhaupt ſind; ſo verſchieden ſind alle ein-
zelne Theile ihres Koͤrpers; und derſelbe Grund von der Verſchiedenheit ihrer Charakter iſt es
auch von der Verſchiedenheit der Beſchaffenheit aller ihrer einzelnen Gliedmaßen.
Dieſe Verſchiedenheit des Charakters zeigt ſich, zuverlaͤßigen Erfahrungen zufolge, beſon-
ders auch in den Haͤnden.
Abermal ſonnenheller Beweis von der Allgewalt der Nichtbeobachtung, daß man hieran
zweifeln kann.
Die Verſchiedenheit iſt ſo vielfach, als alle wuͤrkliche und moͤgliche Verhaͤltniſſe, Be-
ziehungen, Veraͤnderungen der Haͤnde ſind.
So iſt z. E. eine ſichtbare, wahrnehmliche Verſchiedenheit ihrer Maſſe; ihrer Knochen;
ihrer Nerven; ihrer Muskeln; ihres Fleiſches; ihrer Feſtigkeit; ihrer Farbe; ihres Umriſ-
ſes; ihrer Lage; ihrer Beweglichkeit; ihrer Anſtrengung; ihrer Ruhe; ihrer Proportion;
ihrer Laͤnge; ihrer Rundung.
Es iſt auffallend klar, daß jede Hand mit dem Koͤrper, deſſen Glied ſie iſt — natuͤrli-
cher Weiſe — (das heißt außerordentliche Zufaͤlle ausgenommen) in der moͤglichſten Analogie ſteht.
Die Knochen, die Nerven, die Muskeln, das Blut, die Haut der Hand ſind offenbar Fortſetzun-
gen derſelben Knochen, Nerven, Muskeln, deſſelben Blutes, derſelben Haut des ganzen Koͤrpers.
Daſſelbe Blut im Herzen, im Haupt und in der Hand. Die dem Kinde begreiflichſte Sache, die
nicht angeregt werden ſollte; und doch angeregt werden muß — weil darauf das angeſtaunte, an-
gelachte Geheimniß der Handphyſiognomie beruht.
Nicht
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