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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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Gelehrte, Denker.

Sapere aude! Incipe!

So lange Zürich steht, wird Zürich sagen -- "das war ein Mann von That!" und so
lang ich lebe, werd' ich sagen: "Jch hab' ihm so viel zu danken -- daß mich keine Mißverständ-
"nisse kaltsinnig gegen ihn machen sollen."

Siebente Tafel.
Zwinglius.

Die Festigkeit steigt. Freylich nimmt die Feinheit hier ab.

Ernst, Nachdenken und männliche Entschlossenheit, Vielwissen ohne Ausdehnung, sich zu-
sammenziehende Thatkraft, Bewußtseyn seiner Erkenntniß ohne Spiegelung und Selbstgefälligkeit,
scheinen mir in diesem Gesichte auffallend zu seyn.

Bis zum Steifsinn gehender Muth in der, im Ganzen genommen, perpendikularen
Stirne.

Ernst und Nachdenken in diesen Falten, besonders im Uebergange von der Nase zur Stirne.

Nasenloch und Spitze der Nase gemein, wenigstens in der Zeichnung! wie verschieden
von Erasmus feindeutiger Beschnittenheit.

Der Umriß der Oberlippe gewiß keiner gemeinen Seele.

Desto gemeiner die rohe, und nur hinten sich verfeinernde Unterlippe.

Jm Kinne mäßige Festigkeit. Schauender, durchdringender Verstand im schrägen Aug-
apfel. Güte in den Falten ums Auge, die der lächelnde Witz bildet.

Die Geradheit des Ganzen ist auffallend.

Wir
Gelehrte, Denker.

Sapere aude! Incipe!

So lange Zuͤrich ſteht, wird Zuͤrich ſagen — „das war ein Mann von That!“ und ſo
lang ich lebe, werd’ ich ſagen: „Jch hab’ ihm ſo viel zu danken — daß mich keine Mißverſtaͤnd-
„niſſe kaltſinnig gegen ihn machen ſollen.“

Siebente Tafel.
Zwinglius.

Die Feſtigkeit ſteigt. Freylich nimmt die Feinheit hier ab.

Ernſt, Nachdenken und maͤnnliche Entſchloſſenheit, Vielwiſſen ohne Ausdehnung, ſich zu-
ſammenziehende Thatkraft, Bewußtſeyn ſeiner Erkenntniß ohne Spiegelung und Selbſtgefaͤlligkeit,
ſcheinen mir in dieſem Geſichte auffallend zu ſeyn.

Bis zum Steifſinn gehender Muth in der, im Ganzen genommen, perpendikularen
Stirne.

Ernſt und Nachdenken in dieſen Falten, beſonders im Uebergange von der Naſe zur Stirne.

Naſenloch und Spitze der Naſe gemein, wenigſtens in der Zeichnung! wie verſchieden
von Eraſmus feindeutiger Beſchnittenheit.

Der Umriß der Oberlippe gewiß keiner gemeinen Seele.

Deſto gemeiner die rohe, und nur hinten ſich verfeinernde Unterlippe.

Jm Kinne maͤßige Feſtigkeit. Schauender, durchdringender Verſtand im ſchraͤgen Aug-
apfel. Guͤte in den Falten ums Auge, die der laͤchelnde Witz bildet.

Die Geradheit des Ganzen iſt auffallend.

Wir
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[271/0481] Gelehrte, Denker. Sapere aude! Incipe! So lange Zuͤrich ſteht, wird Zuͤrich ſagen — „das war ein Mann von That!“ und ſo lang ich lebe, werd’ ich ſagen: „Jch hab’ ihm ſo viel zu danken — daß mich keine Mißverſtaͤnd- „niſſe kaltſinnig gegen ihn machen ſollen.“ Siebente Tafel. Zwinglius. Die Feſtigkeit ſteigt. Freylich nimmt die Feinheit hier ab. Ernſt, Nachdenken und maͤnnliche Entſchloſſenheit, Vielwiſſen ohne Ausdehnung, ſich zu- ſammenziehende Thatkraft, Bewußtſeyn ſeiner Erkenntniß ohne Spiegelung und Selbſtgefaͤlligkeit, ſcheinen mir in dieſem Geſichte auffallend zu ſeyn. Bis zum Steifſinn gehender Muth in der, im Ganzen genommen, perpendikularen Stirne. Ernſt und Nachdenken in dieſen Falten, beſonders im Uebergange von der Naſe zur Stirne. Naſenloch und Spitze der Naſe gemein, wenigſtens in der Zeichnung! wie verſchieden von Eraſmus feindeutiger Beſchnittenheit. Der Umriß der Oberlippe gewiß keiner gemeinen Seele. Deſto gemeiner die rohe, und nur hinten ſich verfeinernde Unterlippe. Jm Kinne maͤßige Feſtigkeit. Schauender, durchdringender Verſtand im ſchraͤgen Aug- apfel. Guͤte in den Falten ums Auge, die der laͤchelnde Witz bildet. Die Geradheit des Ganzen iſt auffallend. Wir

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/481>, abgerufen am 17.11.2024.