unter tausenden und zehntausenden auszeichnet -- Es sey denn, daß Gewaltthätigkeit, und die cras- seste Erziehung, die mehr als Gewaltthätigkeit ist, alles unerbittlich zerdrückt und erstickt habe.
Der zartgeschlossene Mund; das breite, und dennoch nicht platte, nicht flache, nicht fleischi- ge Kinn; das Vielfältige im ganzen Gesichte, stimmt trefflich mit dem übrigen überein, und ist Ausdruck von Nachdenken und fanfter Thätigkeit.
Das erste auf der zweyten Tafel ist nicht so ruhig, so heiter, wie das zweyte; obgleich der Mund im ersten, an sich und allein betrachtet, mehr Güte, als im zweyten zu haben scheint.
Der Mund in 1. ist denkender, überlegender, klüger, beschnittener, als in 2.
Diese Falten der Stirn sind sonst gemeiniglich nicht sehr vortheilhaft. Sie sind beynah im- mer ein Zeichen irgend einer Schwäche, einer Nachlässigkeit, Lockerheit, Schlappheit. Wir ler- nen aber doch aus unserm Bilde, daß sie sich auch an großen Leuten finden lassen.
Nachstehende Vignette, nach einem Holbeinischen Holzschnitte, ist -- wie offenbarer Aus- druck calculirenden Nachdenkens! Stellung und -- Hand -- wem zeigen sie nicht das Feine, Be- dächtliche, Klugfurchtsame!
[Abbildung]
Sechste
XXXIV. Fragment.
unter tauſenden und zehntauſenden auszeichnet — Es ſey denn, daß Gewaltthaͤtigkeit, und die craſ- ſeſte Erziehung, die mehr als Gewaltthaͤtigkeit iſt, alles unerbittlich zerdruͤckt und erſtickt habe.
Der zartgeſchloſſene Mund; das breite, und dennoch nicht platte, nicht flache, nicht fleiſchi- ge Kinn; das Vielfaͤltige im ganzen Geſichte, ſtimmt trefflich mit dem uͤbrigen uͤberein, und iſt Ausdruck von Nachdenken und fanfter Thaͤtigkeit.
Das erſte auf der zweyten Tafel iſt nicht ſo ruhig, ſo heiter, wie das zweyte; obgleich der Mund im erſten, an ſich und allein betrachtet, mehr Guͤte, als im zweyten zu haben ſcheint.
Der Mund in 1. iſt denkender, uͤberlegender, kluͤger, beſchnittener, als in 2.
Dieſe Falten der Stirn ſind ſonſt gemeiniglich nicht ſehr vortheilhaft. Sie ſind beynah im- mer ein Zeichen irgend einer Schwaͤche, einer Nachlaͤſſigkeit, Lockerheit, Schlappheit. Wir ler- nen aber doch aus unſerm Bilde, daß ſie ſich auch an großen Leuten finden laſſen.
Nachſtehende Vignette, nach einem Holbeiniſchen Holzſchnitte, iſt — wie offenbarer Aus- druck calculirenden Nachdenkens! Stellung und — Hand — wem zeigen ſie nicht das Feine, Be- daͤchtliche, Klugfurchtſame!
[Abbildung]
Sechste
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0474"n="268"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g"><hirendition="#aq">XXXIV.</hi> Fragment.</hi></hi></fw><lb/>
unter tauſenden und zehntauſenden auszeichnet — Es ſey denn, daß Gewaltthaͤtigkeit, und die craſ-<lb/>ſeſte Erziehung, die mehr als Gewaltthaͤtigkeit iſt, alles unerbittlich zerdruͤckt und erſtickt habe.</p><lb/><p>Der zartgeſchloſſene Mund; das breite, und dennoch nicht platte, nicht flache, nicht fleiſchi-<lb/>
ge Kinn; das Vielfaͤltige im ganzen Geſichte, ſtimmt trefflich mit dem uͤbrigen uͤberein, und iſt<lb/>
Ausdruck von Nachdenken und fanfter Thaͤtigkeit.</p><lb/><p>Das erſte auf der zweyten Tafel iſt nicht ſo ruhig, ſo heiter, wie das zweyte; obgleich der<lb/>
Mund im erſten, an ſich und allein betrachtet, mehr Guͤte, als im zweyten zu haben ſcheint.</p><lb/><p>Der Mund in 1. iſt denkender, uͤberlegender, kluͤger, beſchnittener, als in 2.</p><lb/><p>Dieſe Falten der Stirn ſind ſonſt gemeiniglich nicht ſehr vortheilhaft. Sie ſind beynah im-<lb/>
mer ein Zeichen irgend einer Schwaͤche, einer Nachlaͤſſigkeit, Lockerheit, Schlappheit. Wir ler-<lb/>
nen aber doch aus unſerm Bilde, daß ſie ſich auch an großen Leuten finden laſſen.</p><lb/><p>Nachſtehende Vignette, nach einem Holbeiniſchen Holzſchnitte, iſt — wie offenbarer Aus-<lb/>
druck calculirenden Nachdenkens! Stellung und — Hand — wem zeigen ſie nicht das Feine, Be-<lb/>
daͤchtliche, Klugfurchtſame!</p><lb/><figure/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Sechste</hi></fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[268/0474]
XXXIV. Fragment.
unter tauſenden und zehntauſenden auszeichnet — Es ſey denn, daß Gewaltthaͤtigkeit, und die craſ-
ſeſte Erziehung, die mehr als Gewaltthaͤtigkeit iſt, alles unerbittlich zerdruͤckt und erſtickt habe.
Der zartgeſchloſſene Mund; das breite, und dennoch nicht platte, nicht flache, nicht fleiſchi-
ge Kinn; das Vielfaͤltige im ganzen Geſichte, ſtimmt trefflich mit dem uͤbrigen uͤberein, und iſt
Ausdruck von Nachdenken und fanfter Thaͤtigkeit.
Das erſte auf der zweyten Tafel iſt nicht ſo ruhig, ſo heiter, wie das zweyte; obgleich der
Mund im erſten, an ſich und allein betrachtet, mehr Guͤte, als im zweyten zu haben ſcheint.
Der Mund in 1. iſt denkender, uͤberlegender, kluͤger, beſchnittener, als in 2.
Dieſe Falten der Stirn ſind ſonſt gemeiniglich nicht ſehr vortheilhaft. Sie ſind beynah im-
mer ein Zeichen irgend einer Schwaͤche, einer Nachlaͤſſigkeit, Lockerheit, Schlappheit. Wir ler-
nen aber doch aus unſerm Bilde, daß ſie ſich auch an großen Leuten finden laſſen.
Nachſtehende Vignette, nach einem Holbeiniſchen Holzſchnitte, iſt — wie offenbarer Aus-
druck calculirenden Nachdenkens! Stellung und — Hand — wem zeigen ſie nicht das Feine, Be-
daͤchtliche, Klugfurchtſame!
[Abbildung]
Sechste
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/474>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.