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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XXX. Fragment.

Am wahresten und deinsten aber ist die Silhouette 3. auf der zweyten Tafel. Voll der
edelsten genievollsten Bonhomie.

Nun zu 2. und 4. auf beyden Tafeln -- alle 4. Bilder voll entscheidender Expressio-
nen, so voll Physiognomie, wie's immer ein Menschengesicht seyn kann. -- Aber keines so --
edel, so groß, und so vollkommen wahr, als der vollständige Schattenriß 4. auf der zweyten
Tafel. Dieser hält uns würklich für alle das Fatale schadlos, das die übrigen drey mehr
und minder haben. Wieder ein Beweis von der Heiligkeit, wenn ich so sagen darf, genauer
Schattenrisse!

2. auf der ersten Tafel hat nicht die vordringende Stirn von 2. und 4. der zweyten;
und der Untertheil des Gesichtes, besonders das Kinn, hat viel minder Feinheit, als in allen
übrigen. So ist besonders auch der Mund und der Uebergang von der Nase zur Oberlippe
in 2. der ersten Tafel nicht so fein und edel, als in 2. und 4. der zweyten Tafel.

4. auf der ersten Tafel ist zu gedehnt; mithin ganz gegen den compakten Charakter des
Originals, aber selbst in dieser unwahren Gedehntheit ist noch Ausdruck genug von Größe und
Originalität.

Wieder aber bitt' ich 4. auf der zweyten Tafel zu betrachten. Wer hier nichts sieht,
wird nimmermehr was in einem Menschengesichte sehen. Ein antiker Kopf, besonders in der un-
tern Hälfte. Welch ein treffliches Verhältniß besonders von der Spitze der Nase zum Kinn?
Jn der Stirne wie viel Kraft -- und denn in der Nase, im Munde, wie viel Feinheit des
Gefühls, das sich so leicht in Thränen auflößt.

Zum
XXX. Fragment.

Am wahreſten und deinſten aber iſt die Silhouette 3. auf der zweyten Tafel. Voll der
edelſten genievollſten Bonhomie.

Nun zu 2. und 4. auf beyden Tafeln — alle 4. Bilder voll entſcheidender Expreſſio-
nen, ſo voll Phyſiognomie, wie’s immer ein Menſchengeſicht ſeyn kann. — Aber keines ſo —
edel, ſo groß, und ſo vollkommen wahr, als der vollſtaͤndige Schattenriß 4. auf der zweyten
Tafel. Dieſer haͤlt uns wuͤrklich fuͤr alle das Fatale ſchadlos, das die uͤbrigen drey mehr
und minder haben. Wieder ein Beweis von der Heiligkeit, wenn ich ſo ſagen darf, genauer
Schattenriſſe!

2. auf der erſten Tafel hat nicht die vordringende Stirn von 2. und 4. der zweyten;
und der Untertheil des Geſichtes, beſonders das Kinn, hat viel minder Feinheit, als in allen
uͤbrigen. So iſt beſonders auch der Mund und der Uebergang von der Naſe zur Oberlippe
in 2. der erſten Tafel nicht ſo fein und edel, als in 2. und 4. der zweyten Tafel.

4. auf der erſten Tafel iſt zu gedehnt; mithin ganz gegen den compakten Charakter des
Originals, aber ſelbſt in dieſer unwahren Gedehntheit iſt noch Ausdruck genug von Groͤße und
Originalitaͤt.

Wieder aber bitt’ ich 4. auf der zweyten Tafel zu betrachten. Wer hier nichts ſieht,
wird nimmermehr was in einem Menſchengeſichte ſehen. Ein antiker Kopf, beſonders in der un-
tern Haͤlfte. Welch ein treffliches Verhaͤltniß beſonders von der Spitze der Naſe zum Kinn?
Jn der Stirne wie viel Kraft — und denn in der Naſe, im Munde, wie viel Feinheit des
Gefuͤhls, das ſich ſo leicht in Thraͤnen aufloͤßt.

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[250/0424] XXX. Fragment. Am wahreſten und deinſten aber iſt die Silhouette 3. auf der zweyten Tafel. Voll der edelſten genievollſten Bonhomie. Nun zu 2. und 4. auf beyden Tafeln — alle 4. Bilder voll entſcheidender Expreſſio- nen, ſo voll Phyſiognomie, wie’s immer ein Menſchengeſicht ſeyn kann. — Aber keines ſo — edel, ſo groß, und ſo vollkommen wahr, als der vollſtaͤndige Schattenriß 4. auf der zweyten Tafel. Dieſer haͤlt uns wuͤrklich fuͤr alle das Fatale ſchadlos, das die uͤbrigen drey mehr und minder haben. Wieder ein Beweis von der Heiligkeit, wenn ich ſo ſagen darf, genauer Schattenriſſe! 2. auf der erſten Tafel hat nicht die vordringende Stirn von 2. und 4. der zweyten; und der Untertheil des Geſichtes, beſonders das Kinn, hat viel minder Feinheit, als in allen uͤbrigen. So iſt beſonders auch der Mund und der Uebergang von der Naſe zur Oberlippe in 2. der erſten Tafel nicht ſo fein und edel, als in 2. und 4. der zweyten Tafel. 4. auf der erſten Tafel iſt zu gedehnt; mithin ganz gegen den compakten Charakter des Originals, aber ſelbſt in dieſer unwahren Gedehntheit iſt noch Ausdruck genug von Groͤße und Originalitaͤt. Wieder aber bitt’ ich 4. auf der zweyten Tafel zu betrachten. Wer hier nichts ſieht, wird nimmermehr was in einem Menſchengeſichte ſehen. Ein antiker Kopf, beſonders in der un- tern Haͤlfte. Welch ein treffliches Verhaͤltniß beſonders von der Spitze der Naſe zum Kinn? Jn der Stirne wie viel Kraft — und denn in der Naſe, im Munde, wie viel Feinheit des Gefuͤhls, das ſich ſo leicht in Thraͤnen aufloͤßt. Zum

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/424>, abgerufen am 22.11.2024.