Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.Zweyte Zugabe. Sokrates, neun Profilköpfe, Umrisse. Alle diese neun Köpfe nach Copien von alten Gemmen gezeichnet, sind, wie es scheint, ziemlich Wie zuverlässig? -- denn in allen neunen ist so viele Aehnlichkeit, daß es auffallend ist: -- Wie unzuverlässig? ... Kaum wird man 9. Porträte von demselben Gesichte finden, Es ist für den forschenden Leser gewiß nicht unangenehm, diese kleinen Unterschiede der Eine neue Probe davon seyn also diese neun Umrisse. -- 1.) Die K 2
Zweyte Zugabe. Sokrates, neun Profilkoͤpfe, Umriſſe. Alle dieſe neun Koͤpfe nach Copien von alten Gemmen gezeichnet, ſind, wie es ſcheint, ziemlich Wie zuverlaͤſſig? — denn in allen neunen iſt ſo viele Aehnlichkeit, daß es auffallend iſt: — Wie unzuverlaͤſſig? ... Kaum wird man 9. Portraͤte von demſelben Geſichte finden, Es iſt fuͤr den forſchenden Leſer gewiß nicht unangenehm, dieſe kleinen Unterſchiede der Eine neue Probe davon ſeyn alſo dieſe neun Umriſſe. — 1.) Die K 2
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Zweyte Zugabe.
Sokrates, neun Profilkoͤpfe, Umriſſe.
Alle dieſe neun Koͤpfe nach Copien von alten Gemmen gezeichnet, ſind, wie es ſcheint, ziemlich
aͤhnliche Portraͤte von Sokrates, und ſind ein Beweis, wie zuverlaͤſſig und unzuverlaͤſſig alle
Copien von ſonderbaren Geſichtern ſind.
Wie zuverlaͤſſig? — denn in allen neunen iſt ſo viele Aehnlichkeit, daß es auffallend iſt: —
Es ſind Portraͤte von Einem und demſelben Menſchen. Bey allen derſelbe Kahlkopf; bey allen
derſelbe Haarwuchs; bey allen die runde Naſe, der Einbug bey der Naſewurzel; bey allen das dicke,
kurze, eingeſteckte Weſen.
Wie unzuverlaͤſſig? ... Kaum wird man 9. Portraͤte von demſelben Geſichte finden,
die ſich ſo aͤhnlich ſind, wie dieſe 9. Profile, — und dennoch — wird das geuͤbte Auge merkliche
Verſchiedenheiten des Ausdrucks in denſelben entdecken.
Es iſt fuͤr den forſchenden Leſer gewiß nicht unangenehm, dieſe kleinen Unterſchiede der
Zeichnung und des Ausdrucks mit mir zu bemerken. Die Uebung in dergleichen Bemerkungen iſt
das ſicherſte Mittel, ſich ein ſcharfes phyſiognomiſches Auge zu erwerben — und fuͤr den Kuͤnſtler?
der mag’s erfahren, wie er ſich durch dergleichen Uebungen vervollkommnen kann! — und wie ſchon
bemerkt worden, lernen wir dadurch, wie die kleinſten Veraͤnderungen der Zeichnung ſogleich den
Ausdruck veraͤndern, mithin, wie wahr in ihren kleinſten Wendungen die Natur, und wie thoͤricht
und unuͤberlegt das unaufhoͤrlich wiederhallende Geſchrey iſt — „Jm Ganzen, im Ganzen freylich
„gelte Phyſiognomie! im Großen zeige ſie was; aber nicht im Kleinen!“ — Beynahe alle Tafeln
dieſer Fragmente erweiſen das Gegentheil, und werden’s, je mehr das Auge des Leſers wird ge-
ſchaͤrft werden, immer kraͤftiger, unwiderſprechlicher erweiſen.
Eine neue Probe davon ſeyn alſo dieſe neun Umriſſe. —
1.) Die
K 2
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